Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0211

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
399

Sammlungen und Ausstellungen

400

zu Einwendungen. In Überlebensgrossem Format hätte
das Denkmal vielleicht eine etwas dürftige Fernwirkung
gemacht und bei näherer Betrachtung trotz der grossen
Kunst im Detail die architektonische Gliederung vergessen
lassen. Aber die belgische Regierung ging nicht von
diesem ästhetischen Motiv aus, als sie die Aufstellung des
Werkes ablehnte, sondern fürchtete vielmehr, das Denkmal
könne, da es den Arbeiterstand verherrlicht, den Anlass
zu Arbeiterunruhen geben. Man beschloss, alle Teile des
Denkmals in einem Meunier-Saale des modernen Museums
unterzubringen.

Wenngleich wir sofort nach Ergehen der Entscheidung
über den Wettbewerb um das Kaiserin Elisabeth-Denk-
mal in Wien das Thatsächliche kurz mitgeteilt hatten, wird
die folgende Kritik unseres Wiener Korrespondenten hier
doch noch interessieren: Es ist von zwei bedeutenden Preis-
bewerbungen zu berichten, aber leider wenig Gutes. Sowohl
das Deutschmeisterdenkmal, als auch das der Kaiserin Elisabeth
hat ein starkes Geschwader von Bildhauern in Bewegung ge-
setzt. Für das der Kaiserin waren 67 Bewerber vorhanden;
begreiflich bei dem intimen Reiz dieser edlen Frauengestalt,
wie auch bei der Höhe der sechs Preise (10000 —2000 Kronen).
In beiden Bewerbungen war Hans Bitterlich, Professor
an der Akademie, Sieger. Der Urheber des Gutenberg-
Denkmals hat das Talent, nicht anzustossen. So modern
zu sein, dass er nicht ganz akademisch aussieht, und so
akademisch, dass er nicht recht modern zu nennen ist. Er
hat sich den ganzen Porträtrealismus der vorletzten Wiener
Periode bewahrt und dazu gewisse Allüren von sogenannter
Stimmungsplastik (namentlich im schwimmenden Relief und
freierer Sockelbildung) angenommen. Das ist der goldene
Mittelweg, auf den sich aufgeklärtere Jurymehrheiten eben
noch verlocken lassen. Auf Ursprünglichkeit, Temperament,
Phantasie ist dabei freilich nicht zu rechnen. Man erhält
eine leidlich brauchbare Formel, mehr sachlich als persön-
lich, und durchaus im Einklang mit den gegebenen Be-
dingungen. Bei dem Entwurf für das Elisabethdenkmal,
das doch poetisch stimmen müsste, hat der Künstler die
Formel sogar geradezu nüchtern ausgerechnet. Er baut
eine eng zusammengefasste, halbrunde Estrade von sieben
Stufen, auf deren einer die Figur steht und in beiden vor
dem Schosse vereinigten Händen ein Buch hält. Am Bau
kein herkömmliches Einzelzeug von Balustraden, Vasen
und dergleichen, auch kein Zierwerk, mit Ausnahme zweier
geflügelter Greifenköpfe als Sitzlehnen und eines Flach-
reliefs über die Segmentfläche der Rückseite weg. Dagegen
trachtete der Künstler recht bildnismässig zu sein und dies
hauptsächlich bewog die Jury, ihm den zweiten Preis zu
geben. Der erste Preis wurde nämlich überhaupt nicht
zuerkannt (eine Protestversanimlung der Künstler hat dieser-
halb stattgefunden), und dies allein beweist schon, dass
man die Preisbewerbung eigentlich für misslungen hält.
Oder sollte man der edlen Märtyrerin ein Denkmal errichten
wollen, das nicht einmal des ersten Preises würdig be-
funden wird? Übrigens finden wir auch den Charakter
der Figur nicht authentisch genug, vielmehr zu stämmig,
und das englisch glatte Kostüm ist viel zu sehr durch Anläufe
zu herkömmlichem Faltenwurf beunruhigt. Die weiteren
Preise fielen an Hans Muller (Wien), Franz Metzner
(Friedenau-Berlin), Alexander Jaray (Charlottenburg) und
Prof. Georg Winkler (Graz). Auch diese Reihenfolge ist
seltsam. Der Metzner'sche Entwurf ist überhaupt der
interessanteste. Er ist auch der einzige, dem man unsere
Zeit ansieht. Er stellt ein Kenotaph dar, aus dessen Mitte
Sockel und Figur in langer Linie und lotrechter Steilheit
aufsteigen. Rechts und links schliessen sich in halber Höhe
huldigende Gruppen an, dichtgedrängt, fast friesartig wir-
kend, obgleich es Rundfiguren vor freier Luft sind. Der

Stil ist breitflächig, nur das wichtigste Detail andeutend;
die hohe, schlanke Porträtfigur, das Haupt mit langem
Schleier bedeckt, das glatte englische Kleid, auf wenige
grosse Linien und Flächen zurückgeführt, wirkt feierlich,
ja tragisch. Es ist allerdings etwas Dante darin, was durch
Weglassung des Schleiers und »Freilegung« des Kopfes
zu heben wäre. Dieser Entwurf eines jungen Österreichers
hätte wohl den ersten Preis verdient. — Das Deutsch-
meisterdenkmal ist dem zweihundertjährigen Bestände
(1696 — 1896) des Wiener Hausregimentes »Hoch- und
Deutschmeister« gewidmet. Der Bitlerlich'sche Entwurf
zeigt eine hohe schlanke Pyramide zwischen einer Kämpfer-
gruppe und einem brüllenden Löwen; die Kaiserkrone auf
einem Kissen dient als Bekrönung, darunter breiten sich
die Fittiche des Doppeladlers in die Quere; an den unteren
Seitenflächen Reliefs des früheren und jetzigen Deutsch-
meisters. Material: Marmor und Bronze. Es ist eine Zu-
sammenstellung herkömmlicher Elemente, mehr auf das
Gefällige hin, ohne urwüchsigen persönlichen Zug. Die
übrigen Preise fielen an Wilhelm Seib und Arthur Strasser
(mit Architekt Rudolf Dick, der vor einigen Jahren den
ersten Preis für die kalifornische Universität errang). Der
Entwurf Strasser-Dick enthält ohne Zweifel die Elemente
zu einem guten Denkmal. Strasser's dekorative Kraftnatur
bewährt sich an den vier kolossalen Eckfiguren (dunkle
Bronze mit Vergoldungen) von Deutschmeistern aus vier
Epochen. Er ist ja der Meister des malerischen Kostüms.
Reizvoll ist auch die St. Georgsgruppe, mit der er die
Pyramide krönt. Wegzulassen wäre ein Löwenpaar, das
vorne einen rücklings hingestreckten toten Krieger betrauert
und dabei auf .seinen beiden Rücken (!) ein bequastetes
Kissen mit der Kaiserkrone liegen hat. Die Pyramide Dick's
zeigt ein secessionistisch modernisiertes Barock von über-
grossem Reichtum an zierlichem Einzelwerk. Vereinfacht
gäbe sie mit dem St. Georg und den vier Deutschmeistern
ein interessantes Denkmal. Ludwig Hevesi.

SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Die internationale Kunstausstellung in Rom.

Die römischen Ausstellungen haben stetig an Bedeu-
tung zugenommen, seitdem vor mehreren Jahren die
beiden ausschlaggebenden Genossenschaften der cultori
delle belle arti und der aquarellisti Frieden geschlossen
haben und vereinigt ausstellen. Freilich die Bedeutung,
welche die Kunstausstellungen Venedigs sich errungen
haben, werden die hiesigen kaum jemals erreichen.
Dazu fehlt es an thäliger Unterstützung der leitenden Kreise
und an Interesse des grossen Publikums, das Fremden-
publikum nicht ausgenommen, das moderner ausübender
Kunst im allgemeinen sehr kühl gegenübersteht und ihr
höchstens durch Atelierbesuche einen bequemen und leicht
wiegenden Zoll zahlt. Und doch wird auch innerhalb der
aurelianischen Mauern jetzt viel Tüchtiges und Ansprechen-
des geleistet. Die in früheren Jahrzehnten herrschende
Selbstgenügsamkeit findet unter den Anregungen, die
fremde Elemente in langjähriger Anwesenheit oder kürzerem
Winteraufenthalt ausüben, keinen Boden mehr, das Kon-
ventionelle für den Verkauf an kunstverständige Fremde
berechnete Modellbild, die geistlose Vedute, ist längst
zurückgetreten vor dem ernsthaften Studium und der
Wiedergabe der wirklichen Natur, des wirklichen Menschen-
tums. Auch die diesmalige Ausstellung giebt dafür den
Beleg, und sie lässt ausserdem die Vielseitigkeit dieses
römischen Kunstmikrokosmus erkennen, in dem die ver-
schiedenen Nationen und verschiedensten Richtungen fried-
lich nebeneinander hausen, ohne dass es zu Spaltungen,
Secessionen und sonstigem künstlerischen Waffenlärm
kommt. Durch eine Reihe von Sonderausstellungen hat
 
Annotationen