Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

DOI Artikel:
Bode, Wilhelm: Ein neues Madonnenrelief Donatello's
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0217

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
411

Ein neues Madonnenrelief Donatello's

412

Abb. 2.

den Sinn kam, war
allerdings Giovanni di
Pisa. Aber ein an Ort
und Stelle wiederholter
Vergleich mit dessen
Altar in der Eremitani
ergab namentlich für
den Bambino zu starke

Verschiedenheiten1).
Von den übrigen Mit-
arbeitern Donatello's
kann Urbano da Cor-
tona nicht in Betracht
kommen; Antonio
Chellino und Francesco
Valente können wir als
Künstlerindividualitäten
noch nicht fest genug
umgrenzen.

Auch für denjenigen,
welcher zögert, hier Do-
natello's eigene Hand
zu erkennen, wird dies
Relief den sehr will-
kommenen festen An-
halt in der Frage
bieten, wie Dona-
tello's Madonnenkompositionen der Paduaner Zeit
ausgesehen haben. Wir waren bisher auf den kleinen
Tondo am Antoniusrelief des Santoaltars angewiesen,
um den Typus festzustellen; und dabei war es sehr
misslich, eine dekorative Verzierung als Modell für
selbständige grosse Kompositionen zu benutzen. Das
neue Relief füllt diese fatale Lücke aus. Jetzt wird
deutlich, wie recht Bode (Florentiner Bildhauer der
Renaissance, S. 112) hatte, die sogenannte Veroneser
Madonna, trotz der Nähe von Verona
und Padua, in eine frühere Zeit (um
1435) als die Paduaner zu setzen. Sie
gehört zu demselben Typus, wie alle
die mit der Verkündigung in Sa. Croce
(um 1435) zusammenhängenden Re-
liefs. Diese Gruppe bietet den zweiten
Typus von Donatello's Madonnen, wäh-
rend die erste sich um die Madonna
Pazzi resp. die Silberplakette beiSchnüt-
gen in Cöln anordnen lässt. Das Entschei-
dende für die dritte, Paduaner Gruppe
ist die gerade Haltung Maria's, mit
durchgedrücktem Kreuz, die Nacktheit

Florentiner Meister
um 1450.
Padua, Sa. Oiustina

des Bambino und die Lockerung der Komposition.
Der neugefundenen Madonna steht am nächsten der
Stucco bei Bardini (Abbildung Bode 1. c. S. 116), von
dem das Berliner Museum eine teilweise Wiederholung
— sehr abgewaschen, aber noch immer ungemein
gewaltig — besitzt (Abb. Meyer, Donatello, S. 118).
Dagegen weiss ich die sogenannte Madonna Pietra-
pianaJ) in Florenz nicht in die Paduaner Gruppe ein-
zufügen. Sie gehört wohl noch zum zweiten Typus;
ob sie ein eigenhändiges Werk Donatello's ist, bleibt
bei aller Schönheit zweifelhaft.

Die Faltenbehandlung unseres neuen Reliefs, das
ich am liebsten schon in die fünfziger Jahre setzen
möchte, weist auch schon vorwärts auf die späten
Arbeiten Donatello's in Florenz. Ich rechne zu den
nachpaduanischen Werken auch die Thüren der Sa-
kristei von S. Lorenzo. Bereits Hugo von Tschudi hat
diese späte Datierung einmal angedeutet, wenn auch
nicht fest behauptet. Nun finden wir bei Vespasiano
Bisticci (1. c. S. 25g) die Notiz, dass Donatello keine
Arbeit gehabt, in schlechten Verhältnissen und schlecht
gekleidet gewesen sei; deshalb habe ihm Cosimo certi
pergami di bronzo per Santo Lorenzo übertragen,
e fecegli fare certe porte che sono nella sagrestia. Das
lässt doch auf eine gleiche Entstehungszeit der Kan-
zeln und Thüren schliessen. Bedenken wir nun,
dass der alternde Meister auch für den Sieneser Dom
damals Bronzethüren übernahm, die freilich nicht
über das Wachsmodell hinausgediehen, so wird die
späte Datierung der Sakristeithüren noch wahrschein-

1) Der Name ist ursprünglich Pietra^a«*?; die Strasse
war nach jenem Francesco da Pietrapane genannt, der um
1431 nach Florenz kam, ein »uomo di santissima vita«, wie
ihn Vespasiano Bisticci (Vite di nomini illustri etc. ed.
Bartoli, p. 248) nennt. Vielleicht ist das Madonnenrelief
in eben dieser Zeit entstanden.

1) Die früher in Sa. Maria Constanzia,
jetzt in der Sakristei von Sa. Oiustina ein-
sam thronende Madonna, welche der
Cicerone, 8. Aufl., H, 475b als »Art Gio-
vanni di Pisa's« bezeichnet, scheint mir
mit diesem Donatelloschüler nicht in Zu-
sammenhang zu stehen. Wir bilden das
wenig bekannte, bisher nicht photogra-
phierte Werk ab. Es ist sicher von einem
Florentiner gearbeitet, der aber Desiderio
näher steht als Donatello.

V

Abb. 3. B. Bellano, Marmorrelief. Padua, Eremitani
 
Annotationen