Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

DOI Artikel:
Lyka, Karl von: Internationale Kunstausstellung in Budapest
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0236

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
449

Internationale Kunstausstellung in Budapest

und Charles Cottet. Ein kleiner Teil dieser Bilder
kam aus der Secessionsausstellung in Wien, ein
anderer aus Paris. Jenen verdanken wir schöne Stücke
von Manet, Monet, Renoir (die wunderzarte »Loge«),
Sisley, Pissarro. Lauter historische Namen aus den
heissen Tagen der Impressionistenkämpfe. Vier schöne
kleine Puvis de Chavannes schliessen sich dieser
Reihe an. Ein »Winter«, gross und breit gedacht,
auch in seinen kleinen Dimensionen lapidar wirkend,
dann ein »Dichter«, dem die Muse zuschwebt. Ausser
den vornehm gedämpften Farben bestrickt uns hier
die breite und bedeutende Bewegung einer Figur,
einer geschlossenen Gruppe. Man bewundert das
Ursprüngliche und Gewogene einer Geste, ohne von
einer Attitüdenmalerei reden zu können. Die frische,
verwegene Malerei des Luden Simon (»offener Cirkus«)
wirkt auch neben jenem Grossmeister. Sie brachte
diesmal dem Künstler eine goldene Medaille. Fast
die ganze Kollektion, mit ihren Menard, Raffaelli,
Blanche, Dagnan - Bouveret verrät seinen frischen,
temperamentvollen und farbenfrohen Pariser Ursprung,
nur hie und da lugt der akademische Zopf durch
die Leinwand eines Monsieur Dubufe hervor.

Auffallend einheitlich wirkt die englische Abteilung.
Solide Eleganz, vornehmer Flüsterton sitzt an den
Gemälden. Thomas Austen-Brown ist es diesmal,
der den grossen Wurf getan; seine »Mutter und
Kind« (goldene Medaille) bietet zwar nichts Neues
im Arrangement, doch ist es der feine, farbendurch-
glühte Ton, der zauberhaft wirkt und dem ganzen
Bild ein goldiges Timbre verleiht. Das altehrwürdige
Sujet gewinnt ein neues Leben durch den Schmelz
warmer, goldiger Töne, der die beiden Figuren, die
Häuserreihe der Hafenstadt, die Luft, alles durch-
webt. Solch aparte Stimmungen sieht man an manchen
köstlichen Sommerabenden in Venedig. Es fällt uns
d'Annunzio's »Fuoco« ein, und doch haben wir es
hier nicht mit dem italienischen Feuerwerker, sondern
mit einem urwüchsigen Engländer zu thun. Blass,
in duftig blaue Athmosphäre getaucht bietet uns
einige badende Kinder Edward Walton, in schmutzigem
Silbergrau, mit bedeutend getürmten Wolken sehen
wir den Moor von Angerton (von Oliver Hall, kleine
Medaille). Fast monochrom sind die kleinen Land-
schaften Y. D. Cameron's, doch von starker Valeur-
wirkung. Und an den Porträts spiegelt sich die
englische Society-Eleganz, namentlich bei John Lawery.
Auch George Sauter ist ein Führender der Gruppe.
Sein Porträt Hans Richter's, fast ohne Plastizität, bietet
gute Proben einer Kunst, die auf den Tonwert los-
geht.

Auch der schwedische Saal bietet einheitliche
Wirkung mit nationaler Eigenart. Die Landschafter
sind es, die hier Ursprüngliches zu sagen haben.
Weite Gefilde, mit Schnee bedeckt, ein zarter Schimmer
der Abendsonne, dann die wunderbar klare Luft: das
sind die Elemente. Die meisten Landschaften bieten
eine weite Vedute irgend eines Fjords oder Waldes-
säume, mit einem stillen Moorsumpf, in dem sich
die knorrigen Baumstämme klar und haarscharf spiegeln.
Ein letzter Sonnenstrahl huscht ins Gehölz und färbt

die Fichtenstämme rötlich. Dies ist die Grundstimmung
der meisten guten Landschaften. Wir wollen hier
die Namen Genberg, Arborelius, Kallstenius nennen.

Bunte Touristen-Impressionen bietet die amerika-
nische Kollektion. Ethnographisch Interessantes aus
aller Herren Ländern, von Marokko bis Indien, dann
Zeremonienbilder aus tropischen Zonen, tüchtig gemalt,
doch mit dem nüchternen Blick des Globetrotters
gesehen. Eugene Vail, mit einem holländisch gemalten
Themsebild, dann Karl Marr mit einem guten Porträt
(kleine Medaille), ferner einige kleine Stücke von
Gari Melchers bieten das Beste.

Die deutsche Kunst ist leider nicht in ihrer
heutigen Vielseitigkeit vertreten. Mancher Meister
ersten Ranges ist überhaupt nicht erschienen, manche,
wie Stuck, sandten keine Bilder ersten Ranges. Frei-
lich bietet die Kollektion auch in dieser Weise einen
Einblick in die Entwickelung der Kunst deutscher
Länder. Die aristokratische Galeriekunst fand ihren
Vertreter in Fritz August von Kaulbach, unweit von
ihm sieht man Gotthard Kuehl mit feinen, hellen
Bildern. Jener ist um ein Jahr älter, doch trennt die
beiden eine ganze Welt. Es bietet sich uns hier
eine gute Gelegenheit, die Schnelligkeit der modernen
deutschen Kunstentwickelung zu studieren. Kaul-
bach's Porträts spiegeln das Bild eines bedeutenden
zeichnerischen Talentes, das jedoch im Galerieton
sitzen blieb und seine prickelnden, geistreichen Linien
für das Nebenwerk des Bildes aufspart. Feierlichkeit
und Virtuosität verschmelzen sich hier zu einem
Ganzen, zu Bildern, wie es Aristokraten, oder solche
die es werden wollen, brauchen. Der Hintergrund
dieser geistreich dargestellten Köpfe ist eigentlich ein
unorganisches Farbengemisch, welches die Aufgabe
hat, die Wirkung des Kopfes zu korrigieren. Kuehl
jedoch bedeutet um dreissig Jahre vorwärts. Er
packt das ganze Ensemble. Er nimmt es mit seiner
lichtdurchfluteten Atmosphäre, mit jenen hundertfachen
Reflexen, welche das überall sich hindrängende Licht
bietet. Er ist jenem Künstler gegenüber der echte
Wirklichkeitsmaler. Doch nie verleugnet er seine
Pariser Studienjahre. Die feine Delikatesse seines
Farbenauftrages weist gegen Westen hin, nichts
von Wucht oder Knorrigkeit: keine Pinselhiebe, nur
Pinselstriche. Mehr germanisches sehen wir z. B.
bei Fritz Baer. Auch Dettmann wird hier wohl
bemerkt, ein gut gemalter, wirklich atmosphärischer
Regenbogen spannt sich über das düstere, breit hin-
gestrichene Feld. Man könnte hier den Übergang
zu jenen Stilisten sehen, welche die jüngsten Kunst-
hoffnungen erfüllen wollen. Zwei dieser Künstler
erfreuen sich hier allgemeiner Aufmerksamkeit: Vogeler
und Steppes. Jener geht mehr auf den zarten Farben-
ton los (»Heimkunft« und »Maimorgen«), der Vortrag
erinnert an liebliche Märchen mit einem leisen femi-
nistischen Accent. Steppes (»Vorsommer«, »Das ver-
wünschte Schloss«) wirkt neben jenem fast graphisch.
Vogeler ist intimer, Steppes mehr in den Vortrag
vertieft. Dieser fand sogar eine aparte Technik für
Wolken» Baumstämme, Rasen und Gestrüpp. Es ist
ja ein Schema, doch sein urwüchsiges Schema. Manch
 
Annotationen