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Die moderne Galerie in Wien
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Makart'scher Farbenpracht verstummen möchte. Die
technische Leichtfertigkeit seiner ersten Asphaltzeit
(»Romeo und Julia«, in der Kaiserlichen Galerie) war
bald überwunden und die meisten späteren Bilder
halten sich ebensogut und noch viel besser, als etwa
so manches von Böcklin, der für Makart's Malwirt-
schaft so drastische Kraftausdrücke fand. Böcklin,
dessen Leben im erbitterten Kampf um die Maltechnik
verfloss (siehe die Bücher von Schick, Floerke und
Lasius), ist weit öfter als Makart seinen eigenen Farben
unterlegen. Auch seine grosse »Tritonenfamilie« in
der modernen Galerie ist arg nachgedunkelt, während
unsere Makartsachen ungekränkt blühen und glühen.
Viele Fachmänner draussen scheinen Makart in seinem
jetzigen Zustand nicht genügend zu kennen, sonst
fänden sie jenes Schlagwort von einst in hohem Grade
revisionsbedürftig. Auch der treffliche A. W. Keim
kann in seinem soeben erschienenen, sonst so gründ-
lichen Buche: »Über Maltechnik« nicht umhin, gleich
auf Seite 3 in den alten Fabelchor einzustimmen:
»damit sie nicht, wie die Werke Makart's, gleich Ein-
tagsfliegen entstehen, aber auch vor unseren Augen
wieder vergehen«. Ich lade den geehrten Verfasser
ein, sich die Makarts unserer modernen Galerie an-
zusehen. Sie sind »herrlich wie am ersten Tag«.
Und sein letztes grosses Bild, der »Frühling« (bei
Miethke) ist noch heute das Feuerwerk, das es war,
als der Pinsel der Hand des schon unzurechnungs-
fähigen, nur noch unbewusst malenden Malers entfiel.
Zu dem heutigen Stock der modernen Galerie
hat die an Alt und Neu so reiche akademische Samm-
lung manches Wertvolle beisteuern müssen, um die ganze
Entwickelung der Malerei unter Kaiser Franz Josef I.
ersichtlich zu machen. So sind fünfundzwanzig Bilder
Rudolf von Alfs zusammengekommen, darunter auch
das grosse, porträtwimmelnde Aquarell, das die Er-
öffnung des Hansen'schen Akademiebaues darstellt.
Das älteste Alt'sche Bild ist eine Ansicht von Salz-
burg (1829). Auch sind zwanzig Bilder Waldmüller's
zusammengekommen, darunter das Kapitalstück»Kloster-
suppe« und eine Reihe seiner köstlichen »Altwiener«
Porträts, unter denen die verschiedenen steinalten
Frauchen noch besonders hervorragen. An Lücken
fehlt es natürlich nicht, aber Meister wie Danhauser,
Pettenhofen, Schindler, Leopold Müller, Schönn, von
den älteren Schwind, Führich, Schnorr von Carolsfeld
und andere treten schon ansehnlich auf. Aus der
Akademischen stammen auch etliche Hauptstücke, wie
Andreas Achenbachs grosse westfälische Landschaft
und ein Prachtbild Alma Tadema's, die grosse »Frede-
gonde«. Diese beiden sind Spenden des regierenden
Fürsten Johann von und zu Liechtenstein, dessen Frei-
gebigkeit im Laufe der Jahre nur immer fürstlicher
wird. Seitdem die österreichische Malerei ihren mo-
dernen Aufschwung genommen, geht auch die Re-
gierung bei ihren Erwerbungen ganz planmässig vor.
Schon jetzt spiegelt sich die malerische Bewegung in
Dutzenden von Bildern aus den letzten Jahren wider.
Segantini (»Die bösen Mütter« und die Kreidezeich-
nungen zu seinem grossen Triptychon), die beiden
Medlz (»Die Eismänner« und andere), Kjiimt (zwei
Landschaften und aus früherer Zeit ein Porträt Le-
winsky's als Clavigo), Hörmann (»Znaim im Schnee«),
Uprka (die »Bauernmadonna«) und viele der Nach-
strebenden sind mit bezeichnenden Arbeiten vertreten.
Auch das Ausland wird nicht mehr vernachlässigt
und man findet sogar die Mittel zu Opfern, wenn
es sich darum handelt, einen Böcklin um 70000 Mark
zu erwerben. Wir finden da Bilder aus den Ausstellungen
der Secession von Monet (»Der Koch«), Walter Crane,
Oalle'n (Schneelandschaft), Zuloaga, Kalchreuth, Stuck,
Herterlch, Uhde, Kuehl, Plastik von Rodln (Rochefort-
büste, Gips), Hahn (Judith, Marmor, Geschenk) und
so fort. Es ist ein Anfang, aber ein stattlicher. Auch
die Aufstellung dieser kleineren Werke ist, wo das
Licht nicht zu widerspenstig war, durchaus glücklich.
Man hat durch Scherwände Kabinette hergestellt,
deren jedes ungefähr gleichartige Werke enthält; lauter
helle oder lauter dunkle, hier flimmerige, dort wuchtige;
jeder Abteil soll nach Möglichkeit seine eigene
Stimmung haben.
Dass die moderne Galerie schon jetzt eine Quan-
tität ist, mit der auch der ausländische Kunstfreund
durchaus rechnen muss, dankt sie vor allem den
beiden Meisterwerken Max KUnger's. Das Parisurteil
ist eine Spende des Triester Architekten Alexander
Hummel, eines der hervorragendsten Schmidtschüler,
der daran die Erwerbung des »Christus im Olymp«
als Bedingung knüpfte. Ein Akt künstlerischer Pro-
paganda, der bei uns gewiss Nachfolge finden wird.
Das »Urteil des Paris« ist für Wien die grosse Novität
der modernen Galerie. Die ungeteilte Bewunderung,
die es findet, lässt erkennen, wie gründlich der Erd-
ball sich gedreht hat, seitdem, vor fünfzehn Jahren,
die öffentliche Meinung Dresdens die Erwerbung
dieses Bildes für die dortige Galerie vereitelte. Das
Bild, im Winter 1886 in Berlin vollendet, trägt noch
manche Spur der rastlosen Pariser Arbeitsjahre Klinger's.
Das naive, kätzchenhaft genäschige Profil der Venus
erinnert mich an das schon mehr »felin« gewordene,
gleichsam das Blutlecken gewohnte der Salome, wo-
gegen die Juno schon die des »Christus im Olymp«
ist, im Typus des Kopfes, der gewohnt scheint, hoch
herab zu schauen, wie in dem gleichgewichtig un-
befangenen Wesen einer souveränen Nacktheit. Das
Parisurteil ist das erste jener architektonisch-plastisch-
malerischen Gesamtkunstwerke, die den Künstler so
lange beschäftigten. Die Malfläche wird durch Ab-
zweigungen des Rahmens so gegliedert, dass die
Hauptscene noch eigens von einem Rahmen im Rahmen
umzogen und von zwei Flügelbildern begleitet ist.
Die Figuren sind, mit Ausnahme des sitzenden Paris,
sämtlich aufrecht und selbst die drei Göttinnen bilden
keine der herkömmlichen Drei-Grazien-Gruppen, son-
dern stehen einzeln, durch Zwischenräume getrennt,
so dass die ganze Malfläche gleichmässig rhythmisiert
erscheint. Dieses architektonische Element stimmt
mit dem architektonischen Schauplatz der Scene, die
auf einer von dunkelblauen Säulen getragenen Mosaik-
terrasse vor sich geht. Man mag an das flache Dach
des troischen Königspalastes denken. Diese gemalte
Architektur hat etwas Märchenherrliches, sie scheint
Die moderne Galerie in Wien
460
Makart'scher Farbenpracht verstummen möchte. Die
technische Leichtfertigkeit seiner ersten Asphaltzeit
(»Romeo und Julia«, in der Kaiserlichen Galerie) war
bald überwunden und die meisten späteren Bilder
halten sich ebensogut und noch viel besser, als etwa
so manches von Böcklin, der für Makart's Malwirt-
schaft so drastische Kraftausdrücke fand. Böcklin,
dessen Leben im erbitterten Kampf um die Maltechnik
verfloss (siehe die Bücher von Schick, Floerke und
Lasius), ist weit öfter als Makart seinen eigenen Farben
unterlegen. Auch seine grosse »Tritonenfamilie« in
der modernen Galerie ist arg nachgedunkelt, während
unsere Makartsachen ungekränkt blühen und glühen.
Viele Fachmänner draussen scheinen Makart in seinem
jetzigen Zustand nicht genügend zu kennen, sonst
fänden sie jenes Schlagwort von einst in hohem Grade
revisionsbedürftig. Auch der treffliche A. W. Keim
kann in seinem soeben erschienenen, sonst so gründ-
lichen Buche: »Über Maltechnik« nicht umhin, gleich
auf Seite 3 in den alten Fabelchor einzustimmen:
»damit sie nicht, wie die Werke Makart's, gleich Ein-
tagsfliegen entstehen, aber auch vor unseren Augen
wieder vergehen«. Ich lade den geehrten Verfasser
ein, sich die Makarts unserer modernen Galerie an-
zusehen. Sie sind »herrlich wie am ersten Tag«.
Und sein letztes grosses Bild, der »Frühling« (bei
Miethke) ist noch heute das Feuerwerk, das es war,
als der Pinsel der Hand des schon unzurechnungs-
fähigen, nur noch unbewusst malenden Malers entfiel.
Zu dem heutigen Stock der modernen Galerie
hat die an Alt und Neu so reiche akademische Samm-
lung manches Wertvolle beisteuern müssen, um die ganze
Entwickelung der Malerei unter Kaiser Franz Josef I.
ersichtlich zu machen. So sind fünfundzwanzig Bilder
Rudolf von Alfs zusammengekommen, darunter auch
das grosse, porträtwimmelnde Aquarell, das die Er-
öffnung des Hansen'schen Akademiebaues darstellt.
Das älteste Alt'sche Bild ist eine Ansicht von Salz-
burg (1829). Auch sind zwanzig Bilder Waldmüller's
zusammengekommen, darunter das Kapitalstück»Kloster-
suppe« und eine Reihe seiner köstlichen »Altwiener«
Porträts, unter denen die verschiedenen steinalten
Frauchen noch besonders hervorragen. An Lücken
fehlt es natürlich nicht, aber Meister wie Danhauser,
Pettenhofen, Schindler, Leopold Müller, Schönn, von
den älteren Schwind, Führich, Schnorr von Carolsfeld
und andere treten schon ansehnlich auf. Aus der
Akademischen stammen auch etliche Hauptstücke, wie
Andreas Achenbachs grosse westfälische Landschaft
und ein Prachtbild Alma Tadema's, die grosse »Frede-
gonde«. Diese beiden sind Spenden des regierenden
Fürsten Johann von und zu Liechtenstein, dessen Frei-
gebigkeit im Laufe der Jahre nur immer fürstlicher
wird. Seitdem die österreichische Malerei ihren mo-
dernen Aufschwung genommen, geht auch die Re-
gierung bei ihren Erwerbungen ganz planmässig vor.
Schon jetzt spiegelt sich die malerische Bewegung in
Dutzenden von Bildern aus den letzten Jahren wider.
Segantini (»Die bösen Mütter« und die Kreidezeich-
nungen zu seinem grossen Triptychon), die beiden
Medlz (»Die Eismänner« und andere), Kjiimt (zwei
Landschaften und aus früherer Zeit ein Porträt Le-
winsky's als Clavigo), Hörmann (»Znaim im Schnee«),
Uprka (die »Bauernmadonna«) und viele der Nach-
strebenden sind mit bezeichnenden Arbeiten vertreten.
Auch das Ausland wird nicht mehr vernachlässigt
und man findet sogar die Mittel zu Opfern, wenn
es sich darum handelt, einen Böcklin um 70000 Mark
zu erwerben. Wir finden da Bilder aus den Ausstellungen
der Secession von Monet (»Der Koch«), Walter Crane,
Oalle'n (Schneelandschaft), Zuloaga, Kalchreuth, Stuck,
Herterlch, Uhde, Kuehl, Plastik von Rodln (Rochefort-
büste, Gips), Hahn (Judith, Marmor, Geschenk) und
so fort. Es ist ein Anfang, aber ein stattlicher. Auch
die Aufstellung dieser kleineren Werke ist, wo das
Licht nicht zu widerspenstig war, durchaus glücklich.
Man hat durch Scherwände Kabinette hergestellt,
deren jedes ungefähr gleichartige Werke enthält; lauter
helle oder lauter dunkle, hier flimmerige, dort wuchtige;
jeder Abteil soll nach Möglichkeit seine eigene
Stimmung haben.
Dass die moderne Galerie schon jetzt eine Quan-
tität ist, mit der auch der ausländische Kunstfreund
durchaus rechnen muss, dankt sie vor allem den
beiden Meisterwerken Max KUnger's. Das Parisurteil
ist eine Spende des Triester Architekten Alexander
Hummel, eines der hervorragendsten Schmidtschüler,
der daran die Erwerbung des »Christus im Olymp«
als Bedingung knüpfte. Ein Akt künstlerischer Pro-
paganda, der bei uns gewiss Nachfolge finden wird.
Das »Urteil des Paris« ist für Wien die grosse Novität
der modernen Galerie. Die ungeteilte Bewunderung,
die es findet, lässt erkennen, wie gründlich der Erd-
ball sich gedreht hat, seitdem, vor fünfzehn Jahren,
die öffentliche Meinung Dresdens die Erwerbung
dieses Bildes für die dortige Galerie vereitelte. Das
Bild, im Winter 1886 in Berlin vollendet, trägt noch
manche Spur der rastlosen Pariser Arbeitsjahre Klinger's.
Das naive, kätzchenhaft genäschige Profil der Venus
erinnert mich an das schon mehr »felin« gewordene,
gleichsam das Blutlecken gewohnte der Salome, wo-
gegen die Juno schon die des »Christus im Olymp«
ist, im Typus des Kopfes, der gewohnt scheint, hoch
herab zu schauen, wie in dem gleichgewichtig un-
befangenen Wesen einer souveränen Nacktheit. Das
Parisurteil ist das erste jener architektonisch-plastisch-
malerischen Gesamtkunstwerke, die den Künstler so
lange beschäftigten. Die Malfläche wird durch Ab-
zweigungen des Rahmens so gegliedert, dass die
Hauptscene noch eigens von einem Rahmen im Rahmen
umzogen und von zwei Flügelbildern begleitet ist.
Die Figuren sind, mit Ausnahme des sitzenden Paris,
sämtlich aufrecht und selbst die drei Göttinnen bilden
keine der herkömmlichen Drei-Grazien-Gruppen, son-
dern stehen einzeln, durch Zwischenräume getrennt,
so dass die ganze Malfläche gleichmässig rhythmisiert
erscheint. Dieses architektonische Element stimmt
mit dem architektonischen Schauplatz der Scene, die
auf einer von dunkelblauen Säulen getragenen Mosaik-
terrasse vor sich geht. Man mag an das flache Dach
des troischen Königspalastes denken. Diese gemalte
Architektur hat etwas Märchenherrliches, sie scheint