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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1923 (April-Septembert)

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Nr. 29
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39788#0070

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568

Eine neuerworbene Altartafel in der Wiener Gemäldegalerie

rifchen Mufeums1) <f. Abb,), die den Stil der
inneröfterreichifdien Malerei zwilchen 1470
und 1480 in würdiger Weife vertritt. Dar-
gehellt ilt ein jugendlicher Heiliger in Be-
gleitung eines älteren Mannes und einer
reiferen Frau, die beide durch Nimben
ebenfalls als Heilige gekennzeichnet find.
Zur Linken diefer Mittelgruppe erfcheint
eine anmutige Schar hötifch gekleideter
Mädchen mit Mufikinfirumenten. Zur
Rechten liehen vor der Schwefle eines reich
profilierten romanifchen Tores heben Rngel.

»Da führte der Vater <der ungläubig
war), ihn <Vitus, der vom chriltlichen Glau-
ben nicht lallen wollte) heim und trachtete,
wie er feinen Sinn wenden möchte durch
allerlei Mufik und fchöner Mägde Spiel
und Tanz, und Wollult und Kurzweil
mancher Art,- da er ihn aber in feine
Kammer fchloß, ging ein wunderfamer
Duft daraus und erfüllte das ganze Haus,
daß lieh der Vater und alles Gehnde ver-
wunderte. Da ging der Vater hin und fah
durch die Türe,- und fah heben Engel um


Szene aus der Vituslegende. Öfterreichifch um 1470.
Wien, Kunfthiftorifches Mufeum

In der Legenda aurea des Jacobus de
Voragine, dem gewaitigiten ikonographi-
fchen Quellenbuch des gotifchen MitteL
alters, das Dichtern und Künitlern ein
unerfchöpflicher Born gegenitändlicher An-
regung war, wird uns im Leben des hei-
ligen Vitus die hier dargefiellte Szene
folgendermaßen gefchildert2):
1) Ludwig Baldaß, Die altöfterreichilchen
Tafelbilder der Wiener Gemäldegalerie. Wie-
ner Jahrbuch für bildende Kunlt. V. 1922. S. 75.
2) Ich zitiere die Stelle nach der neuen vor-
trefflichen Überfetzung von Richard Benz
(Jacobus de Voragine, Legenda aurea. Jena
1917. Bd. I, S. 526.)

das Kind ftehen, und rief: Es find Götter
in mein Haus kommen, da ward er von
Stund an blind.« Eine andere Stelle der
Legende bietet für die Anwefenheit der
zwei älteren Heiligen die Erklärung. Hier
wird erzählt, daß Vitus itets von feinem
frommen Erzieher Modeitus und feiner
treuen Amme Crescentia begleitet war,
die mit ihm gemeinfam auch alle Martern
erlitten. Gerade diefes feltene Motiv der
drei im Alter ungleichen Heiligen fcheint
mir in befonderem Maße die Richtigkeit
der gefundenen Deutung zu beitätigen.
Ob freilich dem Künitler die Legenda
aurea felbit oder eine fpätere dichterifche
 
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