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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1923 (April-Septembert)

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Nr. 43/44
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Kuhn, Alfred: Was hat uns die November-Gruppe heute noch zu sagen?: Überlegungen anlässlich der Grossen Berliner Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.39788#0241

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
VERANTWORTLICHE REDAKTION
ALFRED KUHN
NR. 43/44 27. JULI / 3. AUGUST 1923

Ein fendungsftelle für alle Manufkripte, außer Österreich und München: Dr.Alfred Kuhn,
Berlin^Friedenau,Fregeftr. 26, Tel.: Rheingau 170 • Für Ölterreich: Wiener Redaktion, Prof.
Dr. H. Tietze, WienXIX, Armbrultergaffe20*FürMünchen: Münchener Redaktion, Dr.Hans
Rupe, München, Widenmayerftr. 39III • Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hofpitalftr. 11a

WAS HAT UNS DIE NOVEMBER^GRUPPE
HEUTE NOCH ZU SAGEN?
ÜBERLEGUNGEN ANLÄSSLICH DER GROSSEN BERLINER
KUNSTAUSSTELLUNG
A LLJÄHRLICH ergreift die Novembergruppe die Gelegenheit, anläßlich
-C-V der großen Berliner Kunftausftellung in den Hallen am Lehrter Bahnhof
ihre ganze Mannfchaft vorzuführen. Schon feit einigen Jahren wird man
dabei ein Gefühl der Langeweile nicht los, und immer wieder wurde die
Frage nach der Exiltenzberechtigung diefer Vereinigung aufgeworfen, von
der lieh in den letzten Jahren fchon fehr viel gute Kräfte losgelölt haben.
Es kann heute an der Tatfache nicht mehr vorübergegangen werden, daß
die Eindruckskraft der radikalen Kunlt ungemein nachgelaflen hat. Sie hat
es in eben dem Maße getan, wie es bei dem blutigen Expreffionismus der
Fall ilt. Allgemein geht eine Beruhigung durch die Kunltwelt. Der »Ingrefis-
mus« in Frankreich, zu dem fich dort führende Köpfe bekennen, ilt keine
Zufallserfcheinung. Er ilt fymptomatifch. Ganz ohne Naturltudium und
auch ganz ohne Naturnähe kann auf die Dauer keine Kunlt beltehen, Lölt
fie fich willensmäßig von ihren Wurzeln ab, fo kann fie gewiß eine Zeitlang
ein beachtetes Dafein führen, zumal, wenn ihre Träger bedeutende Künftler-
naturen find, die ihrerfeits in ihrer Jugend eine folide handwerkliche Aus^
bildung erfahren haben. Aber Ichon die folgende Generation, die ohne eine
folche ift, gerät ins Weglofe. Diefe Erfahrung ilt nicht neu. Wir haben
fie im Anfang des 19. Jahrhunderts fchon gemacht. Ein Cornelius, ein Over-
beck und wie jene Mitltrebenden hießen, die teils von der Dülfeldorfer, teils
von der Wiener Akademie kommend, eine neue Malerei begründeten, fie
alle befaßen einen Sack voll ausgezeichneter technifcher Vorkenntniffe. Es ift
an anderer Stelle ausgeführt worden, in wie hohem Maße dies gerade bei
Cornelius und Overbeck der Fall war, von denen befonders der erltere die
ganze malerifche Kultur und Routine des 18. Jahrhunderts mit auf den Weg
bekommen hatte. Sie konnten es fich geltatten, mit allem Überlieferten zu brechen.
Aber wie verheerend ein foldier Bruch auf die Dauer wirken mußte, das zeigt
befonders die Münchener Akademie in den dreißiger Jahren, von der Zeit-
 
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