KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
VERANTWORTLICHE REDAKTION
ALFRED KUHN
NR. 41/42 13./20. JULI 1923
Ein fendungs (teile für alle Manufkripte, außer Österreich und München: Dr.Alfred Kuhn,
Berli n^Frieden au, F rege Itr. 26, Tel.: Rheingau 170 -FürÖlterreich: Wiener Redaktion, Prof.
Dr. H. Tietze, WienXIX, Armbrultergaffe20* FürMünchen: MünchenerRedaktion, Dr. Hans
Rupe',München, Widenmay erltr. 39III • Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hofpitalltr. 11a
LOVIS CORINTH
ZUM 65. GEBURTSTAG
AM 21. Juli vollendet Corinth fein 65. Jahr. Noch immer in jugendlichem
Ungeftüm mit dem anderen großen Maler Deutfchlands, mit Lieber*
mann, um die Palme kämpfend, erblicht ihn die Nation, froh und dankbar,
in den Tagen allgemeiner Ungewißheit, krampfdurchlchüttelter Umbildung als
Heroen einer hingegangenen Zeit zwei große künltlerifche Perfönlichkeiten ihr
Eigen nennen und in ihrer Exiftenz ein Pfand für die unverwüftliche Zeu*
gungskraft des deutfchen Genius befitzen zu dürfen. Konnten wir vor Jahres*
frift an diefer Stelle befinnlich bei dem Werke des damals 75 jährigen Lieber*
mann verweilen, fo feien heute diefe Blätter den künftlerifchen Taten des
großen Oltpreußen gewidmet, in deffen Wefen alle guten wie Ichlechten Eigen*
fchaften feines mütterlichen Bodens fruchtbar geworden find. Unveränderlich
in ihrer geprägten Form wie die nordoftdeutfche Ebene, in allen Wandlungen
von Anbeginn immer fie felbft, hat feine Kunft die Eigentümlichkeit und die
Frifche des Gewachfenen, Notwendigen. Deshalb ift ihr die Unvergäng*
lichkeit ficher. Hindurchgegangen durch mancherlei Erfcheinungsformen, hat
fie fich im Stil des Greifes zur höchften Klarheit und Schönheit geläutert. Hier
erftrahlt fie in jener fchlackenlofen Reinheit, in der Noumenon und Phaino*
menon eins geworden zu fein Icheinen. Sie ift die Vifion des Greifes, deffen
feherifchem Auge gleichfam die Schönheit des Abfoluten fich enthüllt hat.
Das Werk des Alters ift das koftbarfte Gefchenk des Künltlers an fein Volk.
So möge unfer Dank am heutigen Tag denn auch ganz befonderes darauf
Bezug haben. Es beweift aber auch die ungeminderte Kraft diefes nieder*
deutfchen Riefen, deffen Geilt den Körper überwindet, um allen Schwierig*
keiten zum Trotz fich zu manifeftieren, ein Bild, für das eine Nation doppelt
dankbar fein darf, die es notwendigerweife hat verlernen mülfen, an den
Sieg des Geiftes zu glauben. Möge ihr Corinth noch lange als ftummberedter
Führer vor Augen liehen. Affred Kuhn
VERANTWORTLICHE REDAKTION
ALFRED KUHN
NR. 41/42 13./20. JULI 1923
Ein fendungs (teile für alle Manufkripte, außer Österreich und München: Dr.Alfred Kuhn,
Berli n^Frieden au, F rege Itr. 26, Tel.: Rheingau 170 -FürÖlterreich: Wiener Redaktion, Prof.
Dr. H. Tietze, WienXIX, Armbrultergaffe20* FürMünchen: MünchenerRedaktion, Dr. Hans
Rupe',München, Widenmay erltr. 39III • Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hofpitalltr. 11a
LOVIS CORINTH
ZUM 65. GEBURTSTAG
AM 21. Juli vollendet Corinth fein 65. Jahr. Noch immer in jugendlichem
Ungeftüm mit dem anderen großen Maler Deutfchlands, mit Lieber*
mann, um die Palme kämpfend, erblicht ihn die Nation, froh und dankbar,
in den Tagen allgemeiner Ungewißheit, krampfdurchlchüttelter Umbildung als
Heroen einer hingegangenen Zeit zwei große künltlerifche Perfönlichkeiten ihr
Eigen nennen und in ihrer Exiftenz ein Pfand für die unverwüftliche Zeu*
gungskraft des deutfchen Genius befitzen zu dürfen. Konnten wir vor Jahres*
frift an diefer Stelle befinnlich bei dem Werke des damals 75 jährigen Lieber*
mann verweilen, fo feien heute diefe Blätter den künftlerifchen Taten des
großen Oltpreußen gewidmet, in deffen Wefen alle guten wie Ichlechten Eigen*
fchaften feines mütterlichen Bodens fruchtbar geworden find. Unveränderlich
in ihrer geprägten Form wie die nordoftdeutfche Ebene, in allen Wandlungen
von Anbeginn immer fie felbft, hat feine Kunft die Eigentümlichkeit und die
Frifche des Gewachfenen, Notwendigen. Deshalb ift ihr die Unvergäng*
lichkeit ficher. Hindurchgegangen durch mancherlei Erfcheinungsformen, hat
fie fich im Stil des Greifes zur höchften Klarheit und Schönheit geläutert. Hier
erftrahlt fie in jener fchlackenlofen Reinheit, in der Noumenon und Phaino*
menon eins geworden zu fein Icheinen. Sie ift die Vifion des Greifes, deffen
feherifchem Auge gleichfam die Schönheit des Abfoluten fich enthüllt hat.
Das Werk des Alters ift das koftbarfte Gefchenk des Künltlers an fein Volk.
So möge unfer Dank am heutigen Tag denn auch ganz befonderes darauf
Bezug haben. Es beweift aber auch die ungeminderte Kraft diefes nieder*
deutfchen Riefen, deffen Geilt den Körper überwindet, um allen Schwierig*
keiten zum Trotz fich zu manifeftieren, ein Bild, für das eine Nation doppelt
dankbar fein darf, die es notwendigerweife hat verlernen mülfen, an den
Sieg des Geiftes zu glauben. Möge ihr Corinth noch lange als ftummberedter
Führer vor Augen liehen. Affred Kuhn