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Skulpturen Georg Petels
lieh die Behandlung der Lendentüdier. Wenn auch die Kurven der Säume
in der Gefamtbewegung mitfdhwingen und die fdiarfen Grate und die ge-
wellten Konturen gewiß von einem ganz perfönlichen Stilwillen diktiert find,
fo ift die ftoffliche Charakteriftik — nicht zuletzt durch die farbige Fällung
— doch mit einer Intenfität zur Wirkung gebracht, die etwas Krudes hat-
Petel ging fchließlich fogar fo weit, daß er ohne Bedenken Geltalten feines
Freundes Rubens ins Plaftifche überfetzt hat. Der feiner letzten Schaffens^
zeit angehörende Salvator von St. Moritz1) hat ein unmittelbares Vorbild in
der Chriltusfigur der RubensTchen Auferweckung des Lazarus in Berlin. Wie
die Geltalt, umraufcht von einem Mantel, in heftiger momentaner Bewegung
mit ausgebreiteten Armen vorwärts Ichreitet, wirkt fie faft erfchreckend. Da-
zu die faszinierenden transluziden, auf Silbergrund gefetzten Farben des Ge-
wandes und das warme, jetzt prachtvoll patinierte Gold des Mantels. Die
Gewandmaflen find völlig felbftherrlich geworden. Wenn irgendwo bei Petel,
fo liegt hier der Vergleich mit fpätgotifch^barodcen Bildwerken nahe. Dumpf
bleibt der Körper unter der von tiefen Schattenfurchen aufgewühlten ManteL
draperie befangen.
Der weitgehende Anfchluß an ein malerifches Vorbild hatte notwendig
eine künftlerifch unausgeglichene Wirkung zur Folge. Trotz des überlebens-
großen Formats läßt die Figur die höhere Monumentalität vermißen. San-
drarts Urteil, fo orthodox=akademifch es klingt, enthält zweifellos etwas Wahres.
Wenn er fagt, Petels Gedanken feien »in Nachfolgung der Rubenfifchen li-
centiofen Manier im Mahlen in feinem Bildhauen etwas zu liberal und frey
gewefen«, fo meint er damit offenbar nichts anderes als die Gewaltfamkeip
mit der zum Nachteil der kubifchen Gefchlolfenheit ein bildmäßiger Eindruck
erzielt wird, den Widerfpruch zwifchen den nach ftrengen Kunltgefetzen ge-
bauten Körpern und den undiszipliniert gehäuften Gewandfalten. Petel hat,
wie ebenfalls fchon von Sandrart hervorgehoben wurde, fein Publikum gekannt.
Gerade die Verquickung des Strengen mit dem Willkürlichen, des Klaffiziftifchen
mit dem Naturaliftifchen muß einft feine Werke fo populär gemacht haben.
1) Die Zeit der Entltehung ift durch eine jüngft von Wiedenmann aufgefundene Urkunde
gekichert.
LITERATUR
Paul Fechter: Die Tragödie der
Architektur. 212 Seiten mit 9 Tafeln.
Weimar, E. Lichtenftein.
Die ausgezeichnete und fchon aus prinzi-
piellen Gründen begrüßenswerte Arbeit ift
charakteriltifch für das Problem aller Archiv
tekturfchriftftellerei, ift dodt die Bafis des
darüber Handelnden ftets in irgend einer
Weife zu fchmal. Dem Kunfthiltoriker
fehlen, von wenigen Ausnahmen abge*
fehen, wie Dehio, in jüngerer Zeit befon*
dersGall, fo oft technifche Vorausfetzungen,
daß er nur allzu leicht dort Stirnmungs-
werte und vor allem formaLftiliftifdie Ent-
widdung fieht, wo in Wirklichkeit rein
Skulpturen Georg Petels
lieh die Behandlung der Lendentüdier. Wenn auch die Kurven der Säume
in der Gefamtbewegung mitfdhwingen und die fdiarfen Grate und die ge-
wellten Konturen gewiß von einem ganz perfönlichen Stilwillen diktiert find,
fo ift die ftoffliche Charakteriftik — nicht zuletzt durch die farbige Fällung
— doch mit einer Intenfität zur Wirkung gebracht, die etwas Krudes hat-
Petel ging fchließlich fogar fo weit, daß er ohne Bedenken Geltalten feines
Freundes Rubens ins Plaftifche überfetzt hat. Der feiner letzten Schaffens^
zeit angehörende Salvator von St. Moritz1) hat ein unmittelbares Vorbild in
der Chriltusfigur der RubensTchen Auferweckung des Lazarus in Berlin. Wie
die Geltalt, umraufcht von einem Mantel, in heftiger momentaner Bewegung
mit ausgebreiteten Armen vorwärts Ichreitet, wirkt fie faft erfchreckend. Da-
zu die faszinierenden transluziden, auf Silbergrund gefetzten Farben des Ge-
wandes und das warme, jetzt prachtvoll patinierte Gold des Mantels. Die
Gewandmaflen find völlig felbftherrlich geworden. Wenn irgendwo bei Petel,
fo liegt hier der Vergleich mit fpätgotifch^barodcen Bildwerken nahe. Dumpf
bleibt der Körper unter der von tiefen Schattenfurchen aufgewühlten ManteL
draperie befangen.
Der weitgehende Anfchluß an ein malerifches Vorbild hatte notwendig
eine künftlerifch unausgeglichene Wirkung zur Folge. Trotz des überlebens-
großen Formats läßt die Figur die höhere Monumentalität vermißen. San-
drarts Urteil, fo orthodox=akademifch es klingt, enthält zweifellos etwas Wahres.
Wenn er fagt, Petels Gedanken feien »in Nachfolgung der Rubenfifchen li-
centiofen Manier im Mahlen in feinem Bildhauen etwas zu liberal und frey
gewefen«, fo meint er damit offenbar nichts anderes als die Gewaltfamkeip
mit der zum Nachteil der kubifchen Gefchlolfenheit ein bildmäßiger Eindruck
erzielt wird, den Widerfpruch zwifchen den nach ftrengen Kunltgefetzen ge-
bauten Körpern und den undiszipliniert gehäuften Gewandfalten. Petel hat,
wie ebenfalls fchon von Sandrart hervorgehoben wurde, fein Publikum gekannt.
Gerade die Verquickung des Strengen mit dem Willkürlichen, des Klaffiziftifchen
mit dem Naturaliftifchen muß einft feine Werke fo populär gemacht haben.
1) Die Zeit der Entltehung ift durch eine jüngft von Wiedenmann aufgefundene Urkunde
gekichert.
LITERATUR
Paul Fechter: Die Tragödie der
Architektur. 212 Seiten mit 9 Tafeln.
Weimar, E. Lichtenftein.
Die ausgezeichnete und fchon aus prinzi-
piellen Gründen begrüßenswerte Arbeit ift
charakteriltifch für das Problem aller Archiv
tekturfchriftftellerei, ift dodt die Bafis des
darüber Handelnden ftets in irgend einer
Weife zu fchmal. Dem Kunfthiltoriker
fehlen, von wenigen Ausnahmen abge*
fehen, wie Dehio, in jüngerer Zeit befon*
dersGall, fo oft technifche Vorausfetzungen,
daß er nur allzu leicht dort Stirnmungs-
werte und vor allem formaLftiliftifdie Ent-
widdung fieht, wo in Wirklichkeit rein