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Literatur
Freilich in der Gefchichte der bildenden Kunlt find die Fälle zahlreich,
wo der Deutfche im Süden degenerierte. Aber das ilt kein Beweis für die
Unvereinbarkeit des klaffifchen Geiltes mit dem nordilchen Geilt. Nur wird
die deutfche klaffifdie Form immer eine andere fein als die italienilche und
Italien wird nur dem zum Segen gereichen, der ein ftarkes nordilches Erbe
mitbringt und feltzuhalten weiß.
LITERATUR
Neue italienifche Literatur
über Barodcmalerei
Dem Reifenden, der für die Entwich»
lung der Kunffgefchichte intereffiert zum
erffenmal feit dem Krieg wieder den
Bezirken italienifcher Kunff und Kunff»
forfchung naht, wird auffallen, wieviel ein*
gehender, betriebfamer und differenzierter
die Kunffgefchichte von der jungen Gene»
ration betrieben wird, als es früher der
Fall war. Es ilt dies eine Entwicklung,
die mit der ganzen zweifellos aufblühenden
Kultur des Landes parallel läuft, die or»
ganifch gewachfen iff und die fich auf das
bewußt pädagogifche Wirken der führenden
Gelehrten der vorigen Epoche zurück»
führen läßt. Vor allem war es Adolfo
Venturi, der in feiner Methode und feinen
Intereffen noch ganz in der älteren Schule
wurzelnd, doch durch feine große Aktivi»
tät den Samen legte für eine breitere Er»
fdhließung von bisher wenig beackerten
und beachteten Gebieten. Das gilt vor
allen Dingen für die Erforlchung des Ba-
rocks, das, nachdem es lange Jahrzehnte
neben der Früh» und Hochrenailfance
eine klägliche Rolle — die einer »Verfalls»
periode« — gefpielt hatte, nun erff in ein
gebührendes Licht gefetzt wurde. Gerade
das typifch italienifche Element darin, das
Nationale, was man fo lange überfehen
hatte, wurde von der jungen Generation
fiark betont — Rom Hand hier, mehr als
irgendwo anders im Mittelpunkt. Freilich,
wie fo oft gerade das ffark Nationale
eben durch feine Intenfität zum Über»
nationalen, Europäifchen wird — fo fleht
es auch mit der römifchen Barodtkunff,
die ganz im Italienifchen wurzelnd, doch
zur Weltkunff wurde, Daher fich die
Anziehung, die diefe Periode auch auf nicht-
italienifche, fpeziell deutfche Forfcher feit
längerer Zeit ausübt, leicht erklärt.
Von der Zwifchengeneration möchte ich
neben Ozzola, Muiioz u. a. hier nur den
Sohn Venturis, Lionello, erwähnen,
der neben feinen venetianifchen Arbeiten
fchon früh auf die überragende Bedeutung
Caravaggios hingewiefen hatte <fein Büch»
lein über den Meiffer habe ich Kunff»
chronik 1922, Nr. 33, S. 535 ff. ausführ»
lieh befprochen). Wichtig <in Deutfchland,
foweit ich fehe, nicht genügend beachtet)
iff fein 1919 erlchienenes Buch <bei Zani»
chelli, Bologna) über La critica e harte
di Leonardo da Vinci. Wichtig auch
für die Forfchung des Seicento und dar»
über hinaus, weil die Theorien Lio»
nardos — feine Bewegungs» und Licht»
lehren — für das 17. Jahrhundert und deffen
Kunftanfchauung <befonders der klaffizifii»
fcfien Richtung) von fundamentaler Be-
deutung geworden find. L. Venturi geht
in feinem fehr inffruktiven Buch gerade
auf die Nachwirkung Lionardos und auf
die Auffaflung feiner Kunff und Theorie
bis in die neueffe Zeit hinein ganz befon»
ders eingehend ein — fo daß dadurch auf
eine beffimmte Strömung der neueren
Kunffgefchichte klares Licht geworfen wird.
Die führenden italienifchen Kunffzeit»
ffhriften, befonders Adolfo Venturis »Arte«
und die »Rassegna«, die der allgemeinen
Strömung folgend, früher die Kunff nach
1550 gemieden hatten, erweiterten in den
letzten Jahren die zeitlichen Grenzen we»
fentlich. So find gerade in der Arte die
bellen Auffätze, die überhaupt über Sei»
centomalerei gefihrieben find, erfchienen:
die auf ebenfo großer Materialkenntnis,
wie auf geiffiger Durchdringung beruhen»
den Artikel Roberto Longhis über Bor»
gianni, Gentileschi u. a. Daneben waren
im Auffpüren und Verarbeiten des Ma»
Literatur
Freilich in der Gefchichte der bildenden Kunlt find die Fälle zahlreich,
wo der Deutfche im Süden degenerierte. Aber das ilt kein Beweis für die
Unvereinbarkeit des klaffifchen Geiltes mit dem nordilchen Geilt. Nur wird
die deutfche klaffifdie Form immer eine andere fein als die italienilche und
Italien wird nur dem zum Segen gereichen, der ein ftarkes nordilches Erbe
mitbringt und feltzuhalten weiß.
LITERATUR
Neue italienifche Literatur
über Barodcmalerei
Dem Reifenden, der für die Entwich»
lung der Kunffgefchichte intereffiert zum
erffenmal feit dem Krieg wieder den
Bezirken italienifcher Kunff und Kunff»
forfchung naht, wird auffallen, wieviel ein*
gehender, betriebfamer und differenzierter
die Kunffgefchichte von der jungen Gene»
ration betrieben wird, als es früher der
Fall war. Es ilt dies eine Entwicklung,
die mit der ganzen zweifellos aufblühenden
Kultur des Landes parallel läuft, die or»
ganifch gewachfen iff und die fich auf das
bewußt pädagogifche Wirken der führenden
Gelehrten der vorigen Epoche zurück»
führen läßt. Vor allem war es Adolfo
Venturi, der in feiner Methode und feinen
Intereffen noch ganz in der älteren Schule
wurzelnd, doch durch feine große Aktivi»
tät den Samen legte für eine breitere Er»
fdhließung von bisher wenig beackerten
und beachteten Gebieten. Das gilt vor
allen Dingen für die Erforlchung des Ba-
rocks, das, nachdem es lange Jahrzehnte
neben der Früh» und Hochrenailfance
eine klägliche Rolle — die einer »Verfalls»
periode« — gefpielt hatte, nun erff in ein
gebührendes Licht gefetzt wurde. Gerade
das typifch italienifche Element darin, das
Nationale, was man fo lange überfehen
hatte, wurde von der jungen Generation
fiark betont — Rom Hand hier, mehr als
irgendwo anders im Mittelpunkt. Freilich,
wie fo oft gerade das ffark Nationale
eben durch feine Intenfität zum Über»
nationalen, Europäifchen wird — fo fleht
es auch mit der römifchen Barodtkunff,
die ganz im Italienifchen wurzelnd, doch
zur Weltkunff wurde, Daher fich die
Anziehung, die diefe Periode auch auf nicht-
italienifche, fpeziell deutfche Forfcher feit
längerer Zeit ausübt, leicht erklärt.
Von der Zwifchengeneration möchte ich
neben Ozzola, Muiioz u. a. hier nur den
Sohn Venturis, Lionello, erwähnen,
der neben feinen venetianifchen Arbeiten
fchon früh auf die überragende Bedeutung
Caravaggios hingewiefen hatte <fein Büch»
lein über den Meiffer habe ich Kunff»
chronik 1922, Nr. 33, S. 535 ff. ausführ»
lieh befprochen). Wichtig <in Deutfchland,
foweit ich fehe, nicht genügend beachtet)
iff fein 1919 erlchienenes Buch <bei Zani»
chelli, Bologna) über La critica e harte
di Leonardo da Vinci. Wichtig auch
für die Forfchung des Seicento und dar»
über hinaus, weil die Theorien Lio»
nardos — feine Bewegungs» und Licht»
lehren — für das 17. Jahrhundert und deffen
Kunftanfchauung <befonders der klaffizifii»
fcfien Richtung) von fundamentaler Be-
deutung geworden find. L. Venturi geht
in feinem fehr inffruktiven Buch gerade
auf die Nachwirkung Lionardos und auf
die Auffaflung feiner Kunff und Theorie
bis in die neueffe Zeit hinein ganz befon»
ders eingehend ein — fo daß dadurch auf
eine beffimmte Strömung der neueren
Kunffgefchichte klares Licht geworfen wird.
Die führenden italienifchen Kunffzeit»
ffhriften, befonders Adolfo Venturis »Arte«
und die »Rassegna«, die der allgemeinen
Strömung folgend, früher die Kunff nach
1550 gemieden hatten, erweiterten in den
letzten Jahren die zeitlichen Grenzen we»
fentlich. So find gerade in der Arte die
bellen Auffätze, die überhaupt über Sei»
centomalerei gefihrieben find, erfchienen:
die auf ebenfo großer Materialkenntnis,
wie auf geiffiger Durchdringung beruhen»
den Artikel Roberto Longhis über Bor»
gianni, Gentileschi u. a. Daneben waren
im Auffpüren und Verarbeiten des Ma»