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Literatur
LITERATUR
Gotifdie Holzfdinitte. Ausgewählt
und eingeleitet von Curt Glafer. 57 S.
Text und 55 Tafeln. Propyläen-Verlag,
Berlin.
Mit Freuden ift diefe Publikation zu
begrüßen, die, zum erftenmal ohne Rück«
ficht auf ihren Aufbewahrungsort, eine
Auswahl der fchönlten Arbeiten aus der
Frühzeit der Holzfchneidekunft in ausge»
zeichneten, mit wenigen Ausnahmen in der
Größe der Originale gehaltenen Wieder»
gaben dem Kenner und dem Liebhaber
in die Hand gibt. Für liebevolle Befchrän»
kung auf das Belte und Bezeichnendfte und
für Berückfichtigung alles Notwendigen
bürgt der Name des Herausgebers. Daß
einige wichtige Blätter aus ausländifchen
Sammlungen fehlen mußten, wird man
zwar bedauern, aber verliehen <als Text»
abbildung ift übrigens das fchönfie Blatt
der Bibliotheque Nationale in Paris doch
gegeben). Was aus den Sammlungen des
Reichsgebiets, Öfterreichs und der Schweiz
ausgewählt wurde, wird allgemeine Bil»
ligung finden,- daß Blätter wie der »Chrifto»
phorus« von 1423 und die »Verkündigung
Mariä« in der Rylands Library zu Man»
chefier aufgenommen find. Heilt man mit
befonderem Dank feit.
Die Tafeln bringen dem Kenner keine
Überrafchungen, infofern unbekannte Blätter
nicht auftauchen und alle bis auf eine Aus»
nähme (das fchöne und fehr wichtige Ma»
donnenblatt in Wolfenbüttel) bereits in
Abbildungen Vorlagen. Die Beftände der
großen Sammlungen in Berlin, Nürnberg,
Wien find fchon früher mufiergültig publi»
ziert worden, die Blätter in Manchefter hat
kürzlich Dodgfon zum erftenmal in origi»
nalgetreuen Lichtdrucken herausgegeben
und für München und die kleineren Samm»
hingen wie Köln, Maihingen, Graz, St.
Gallen liegen die »Einblattdrucke« von
Heitz vor. Was den vorliegenden Band
fo wertvoll macht, ift, daß diejenigen BIät»
ter, die für unfere Vorftellung der Schön»
heit und Bedeutung diefer Kunft ausfchlag»
gebend find, aus der verwirrenden Fülle
der einzelnen Sammlungspublikationen her»
ausgehoben wurden. Dadurch ift er ge»
eignet, klärenden Überblick zu geben und
auch die Teilnahme weiterer Kreife für
die noch viel zu wenig gekannten frühen
Holzfdinitte zu gewinnen.
Der Hauptnachdruck wurde bei der
Auswahl auf die Blätter gelegt, die, vor
den früheften illuftrierten Büchern liegend,
eine erfte Blütezeit des Holzfchnitts er»
kennen (affen. Es find vor allem jene Ar»
beiten, mit denen fich Molsdorf in feinen
»Gruppierungsverfudien« befchäftigt hat
und folche, die lieh an die Brüffeler »Ma»
donna im Rofengarten« mit der Jahreszahl
1418 anknüpfen lalfen. Nur wenige Proben
führen etwa über die Mitte des 15. Jahr»
hunderts hinaus. In der ftrengen Auswahl
Glafers erwecken fie fall einen zu gün»
ftigen Eindruck davon, was diefe Zeit an
Einzelholzfchnitten hervorgebracht hat. Es
wird aber aus diefen Beifpielen erfichtlich,
daß die Entwicklung, nicht abbrach und
die Vorbedingungen für die zweite Blüte»
zeit im 16-Jahrh. damals gefchaffen wurden.
Glafer hat den Tafeln einen fehr klugen,
Allgemeinverftändlichkeit mit wiflenfehaft»
lidier Vertiefung glücklich verbindenden
Text auf etwa 40 Foliofeiten vorange»
fchickt. Angefügt ift ihm ein kurzgefaßter
Katalog der abgebildeten Blätter. So wird
der Benutzer gut vorbereitet die Tafeln be»
trachten können und auf feine Fragen alle
möglichen Antworten erhalten. Der Text
bringt aber mehr als eine Einführung. Er
bedeutet einen wichtigen Schritt vorwärts
in der Erforfdiung der früheften Holz»
fchneidekunft und die Klärung manches
wichtigen Punktes.
Neue Gefichtspunkte find für die Ord»
nung und hiftorifche Reihung der Blätter
gewonnen, die vor und um den »Hl.
Chriftophorus« von 1423 zu fetzen find.
Molsdorf hat in feinen »Gruppierungs»
verfuchen« fchon vorgearbeitet. V on feinen
Ergebniffen geht Glafer aus, aber er hat
fie mehrfach berichtigt und vor allem die aus
an lieh richtigen und fcharffinnigen Beob»
achtungen gezogenen, aber zu weit gehen»
den Schlüffe zurückgefchraubt. Von den
Werkftattgruppen Molsdorf bleibt nicht all»
zuviel übrig. Aber es ergibt lieh eine klare
zeitliche Ordnung. Glafer fondert einige
Blätter aus, die bei großer Frifche der
Erfindung und Freiheit der Linienführung
noch unverkennbar den Stilcharakter des
14. Jahrhunderts aufweifen,- zu ihnen ge»
Literatur
LITERATUR
Gotifdie Holzfdinitte. Ausgewählt
und eingeleitet von Curt Glafer. 57 S.
Text und 55 Tafeln. Propyläen-Verlag,
Berlin.
Mit Freuden ift diefe Publikation zu
begrüßen, die, zum erftenmal ohne Rück«
ficht auf ihren Aufbewahrungsort, eine
Auswahl der fchönlten Arbeiten aus der
Frühzeit der Holzfchneidekunft in ausge»
zeichneten, mit wenigen Ausnahmen in der
Größe der Originale gehaltenen Wieder»
gaben dem Kenner und dem Liebhaber
in die Hand gibt. Für liebevolle Befchrän»
kung auf das Belte und Bezeichnendfte und
für Berückfichtigung alles Notwendigen
bürgt der Name des Herausgebers. Daß
einige wichtige Blätter aus ausländifchen
Sammlungen fehlen mußten, wird man
zwar bedauern, aber verliehen <als Text»
abbildung ift übrigens das fchönfie Blatt
der Bibliotheque Nationale in Paris doch
gegeben). Was aus den Sammlungen des
Reichsgebiets, Öfterreichs und der Schweiz
ausgewählt wurde, wird allgemeine Bil»
ligung finden,- daß Blätter wie der »Chrifto»
phorus« von 1423 und die »Verkündigung
Mariä« in der Rylands Library zu Man»
chefier aufgenommen find. Heilt man mit
befonderem Dank feit.
Die Tafeln bringen dem Kenner keine
Überrafchungen, infofern unbekannte Blätter
nicht auftauchen und alle bis auf eine Aus»
nähme (das fchöne und fehr wichtige Ma»
donnenblatt in Wolfenbüttel) bereits in
Abbildungen Vorlagen. Die Beftände der
großen Sammlungen in Berlin, Nürnberg,
Wien find fchon früher mufiergültig publi»
ziert worden, die Blätter in Manchefter hat
kürzlich Dodgfon zum erftenmal in origi»
nalgetreuen Lichtdrucken herausgegeben
und für München und die kleineren Samm»
hingen wie Köln, Maihingen, Graz, St.
Gallen liegen die »Einblattdrucke« von
Heitz vor. Was den vorliegenden Band
fo wertvoll macht, ift, daß diejenigen BIät»
ter, die für unfere Vorftellung der Schön»
heit und Bedeutung diefer Kunft ausfchlag»
gebend find, aus der verwirrenden Fülle
der einzelnen Sammlungspublikationen her»
ausgehoben wurden. Dadurch ift er ge»
eignet, klärenden Überblick zu geben und
auch die Teilnahme weiterer Kreife für
die noch viel zu wenig gekannten frühen
Holzfdinitte zu gewinnen.
Der Hauptnachdruck wurde bei der
Auswahl auf die Blätter gelegt, die, vor
den früheften illuftrierten Büchern liegend,
eine erfte Blütezeit des Holzfchnitts er»
kennen (affen. Es find vor allem jene Ar»
beiten, mit denen fich Molsdorf in feinen
»Gruppierungsverfudien« befchäftigt hat
und folche, die lieh an die Brüffeler »Ma»
donna im Rofengarten« mit der Jahreszahl
1418 anknüpfen lalfen. Nur wenige Proben
führen etwa über die Mitte des 15. Jahr»
hunderts hinaus. In der ftrengen Auswahl
Glafers erwecken fie fall einen zu gün»
ftigen Eindruck davon, was diefe Zeit an
Einzelholzfchnitten hervorgebracht hat. Es
wird aber aus diefen Beifpielen erfichtlich,
daß die Entwicklung, nicht abbrach und
die Vorbedingungen für die zweite Blüte»
zeit im 16-Jahrh. damals gefchaffen wurden.
Glafer hat den Tafeln einen fehr klugen,
Allgemeinverftändlichkeit mit wiflenfehaft»
lidier Vertiefung glücklich verbindenden
Text auf etwa 40 Foliofeiten vorange»
fchickt. Angefügt ift ihm ein kurzgefaßter
Katalog der abgebildeten Blätter. So wird
der Benutzer gut vorbereitet die Tafeln be»
trachten können und auf feine Fragen alle
möglichen Antworten erhalten. Der Text
bringt aber mehr als eine Einführung. Er
bedeutet einen wichtigen Schritt vorwärts
in der Erforfdiung der früheften Holz»
fchneidekunft und die Klärung manches
wichtigen Punktes.
Neue Gefichtspunkte find für die Ord»
nung und hiftorifche Reihung der Blätter
gewonnen, die vor und um den »Hl.
Chriftophorus« von 1423 zu fetzen find.
Molsdorf hat in feinen »Gruppierungs»
verfuchen« fchon vorgearbeitet. V on feinen
Ergebniffen geht Glafer aus, aber er hat
fie mehrfach berichtigt und vor allem die aus
an lieh richtigen und fcharffinnigen Beob»
achtungen gezogenen, aber zu weit gehen»
den Schlüffe zurückgefchraubt. Von den
Werkftattgruppen Molsdorf bleibt nicht all»
zuviel übrig. Aber es ergibt lieh eine klare
zeitliche Ordnung. Glafer fondert einige
Blätter aus, die bei großer Frifche der
Erfindung und Freiheit der Linienführung
noch unverkennbar den Stilcharakter des
14. Jahrhunderts aufweifen,- zu ihnen ge»