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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1923 (April-Septembert)

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Nr. 35/36
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Waetzoldt, Wilhelm: Eduard Koloff
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https://doi.org/10.11588/diglit.39788#0149

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
VERANTWORTLICHE REDAKTION
ALFRED KUHN
NR. 35/36 1./8. JUNI 1923

Ein fendungsltelle für alle Manufkripte, außer Österreich und München: Dr.Alfred Kuhn,
Beriin = Friedenau,Fregeßr. 26, Tel.: Rheingau 170 * Für Öfter reich: Wiener Redaktion,Prof.
Dr. H.-Tietze, Wien XIX, Armbrultergaffe 20 *Für München: München er Redaktion, Dr, Hans
Rupe, München, Widenmayerltr. 39III * Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hofpifalltr. 11a

EDUARD KOLOFF
VON WILHELM WAETZOLDT
UM die Mitte des 19. Jahrhunderts, als in Deutfchland der Kreis der kunfi>
hiftorilchen Hegelianer noch in verba magistri fihwor, zweifelte in Paris
ein deutfcher Beamter des cabinet des estamps der Nationalbibliothek kühn
an allen Autoritäten und Dogmen der Kunftwiffenfchaft herum: »Wer ift . . .
der älthetilche Mofes, der den Bürgern eines fo freien Staates, wie die Re-
publik der Künlte und Wiflenfchaften, fchwache und dürftige Satzungen vor-
fchreiben darf?« Eduard Koloff, der fo fragte, behauptete ftolz, er habe
als Kunltforfdier (chlechterdings nur feinen Augen getraut, und er folgte diefem
Grundfatz zu einer Zeit, wo Hotho und Schnaafe ihre Begriffsnetze knüpften,
um auf der hohen See der Kulturgefchichte glückhafte Fifchzüge zu tun.
Es gibt in jeder Wilfenfchaft Außenfeiter, und der Weg der Forfchung
pflegt fdhließlich auf der Refultante der Kräfte zu liegen, die von dem Zentrum
und von der Peripherie einer Difziplin her wirken. Im 18. Jahrhundert fchoß
Wilhelm Heinfe kometengleich am feiten Körper der klafftfchen Äfthetik vorbei,
im 19. Jahrhundert ging Koloff, ziemlich unerkannt, fich felblt kaum nach
feiner ganzen geiltigen Phyliognomie erkennend, mitten durch die gefchlolfene
Menge der deutfchen Kunftforfcher hindurch. Solche Naturen werden meiftens
von ihrer eigenen Zeit unterfchätzt, von der Nachwelt überlchätzt. Sie
erfcheinen dem Rückblickenden als die beweglichen Köpfe neben den be-
fangenen Fachmenfchen, als die Geiltvollen neben den nur Kenntnisreichen,
als die Propheten neben den Hohenprieftern der Zunft. Solche Auffaflung
bedarf doch der Korrekturen, fobald die Frage nach der gefchichtlichen Reiche
weite der Außenfeiterideen aufgeworfen wird. Da zeigt fich, daß der Kranz
fchließlich nicht dem gebührt, der den Einfall gehabt hat, fondern der in
einem Fall das Gefetz zu erfpüren vermag, der aus Apenpus Forfchung,
aus Aphorismen Darftellung macht. All dies pflegt nicht Sache der großen
Anreger und Aufreger, der Häretiker und Revolutionäre der Wiflenfchaften
zu fein. Auch Koloffs Sache war es nicht. Ungefähr gleichzeitig mit Heinrich
Heine, der ja nach feiner Art an den pikanten Töpfen der Kunftgefchichte in
den Parifer Salons genafdht hat, lebte Koloff in Paris. Die Gewohnheit, fran-
 
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