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EIN BESUCH DES GIULIO CLOVIO
IM ATELIER GRECOS
VON HUGO KEHRER
DASS Beziehungen zwifchen dem jungen Greco und dem Miniaturmaler
Giulio Clovio behänden, wird uns vor allem durch das Empfehlungs-
fchreiben beitätigt, das diefer Kroate am 16. November 1570 von Rom aus
an Alexander Farnefe richtete. Darin hatte Clovio für feinen Kollegen um
ein Zimmer im Palalte des Kardinals gebeten »für einige Zeit, bis daß er
mehr in Ordnung gekommen fei«. Clovio fchreibt: »Es ilt in Rom ein
junger Candiote angekommen, ein Schüler Tizians, der mir nach meinem
Urteil hervorragend faheint in der Malerei, und unter anderm hat er ein
Selbltbildnis gemacht, das bei den Malern Roms Auffehen erregt«1). Diefen
Brief hatte Amadio Ronchini 1865 bereits entdeckt, freilich ohne zu ahnen,
daß es fich um unfern Greco handelt 2>,- erlt Carl Julti hat die Identität felK
gelteilt. Seit der Zeit ilt meines Willens von keinem weiteren Briefe des
Clovio die Rede gewefen. Ich bin nun in der gliiddichen Lage, ein neues,
wichtiges Dokument mitteilen zu dürfen, das einer meiner Zuhörer, der Kroate
Herr Herko Fabkovic, im Archiv der Stadtbibliothek von Spalato jünglt ent-
deckt hat. Mit feiner Erlaubnis und auf feine ausdrückliche Bitte hin ver-
öffentliche ich hier aus jenem Briefe das, was fich auf Greco bezieht, und
ich möchte dabei nicht verfäumen, Herrn Fabkovic für fein freundliches Ent-
gegenkommen auch an diefer Stelle befonders zu danken. Das Archiv in
Spalato befitzt, wie ich höre, mehrere Briefe von der Hand des Clovio, die
zum Teil einen tagebuchartigen Charakter tragen. Was für uns in Betracht
kommt, ilt altkroatifch gefchrieben, leider undatiert und ohne Angabe der Ab-
fenderltelle. Überfetzt lauten diefe wertvollen Sätze: »Geltern befuchte ich
Greco, um mit ihm einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Es war
der frhönfie Tag und die fchönlte Frühlingsfonne, die jedermann erfreuen
konnte. Die ganze Stadt fah feierlich aus. Ich war erltaunt, als ich in das
Atelier des Greco trat. Die Vorhänge waren vor den Fenltern fo dicht
zufammengezogen, daß man die Gegenftände kaum erkennen konnte. Auf
einem Stuhle faß Greco — er arbeitete nicht, er fchlief auch nicht. Mit mir
wollte er nicht hinausgehen, denn das Tageslicht Hörte fein inneres
Licht.« —
Wie Itimmungsreich und geheimnisvoll zugleich ilt doch diefe kurze Schil-
derung! Fein charakterifiert Clovio das Wefen des jungen Greco: fo Itellt
1) Vgl. H. Kehrer: »Die Kunft des Greco«, 3. Auflage, S. 19.
2> Vgl.: »Atti e Memorie di Storia Patria per le Provincie Modenesi e Parmensi.«
Modena 1865, Bd. III, S. 270.
EIN BESUCH DES GIULIO CLOVIO
IM ATELIER GRECOS
VON HUGO KEHRER
DASS Beziehungen zwifchen dem jungen Greco und dem Miniaturmaler
Giulio Clovio behänden, wird uns vor allem durch das Empfehlungs-
fchreiben beitätigt, das diefer Kroate am 16. November 1570 von Rom aus
an Alexander Farnefe richtete. Darin hatte Clovio für feinen Kollegen um
ein Zimmer im Palalte des Kardinals gebeten »für einige Zeit, bis daß er
mehr in Ordnung gekommen fei«. Clovio fchreibt: »Es ilt in Rom ein
junger Candiote angekommen, ein Schüler Tizians, der mir nach meinem
Urteil hervorragend faheint in der Malerei, und unter anderm hat er ein
Selbltbildnis gemacht, das bei den Malern Roms Auffehen erregt«1). Diefen
Brief hatte Amadio Ronchini 1865 bereits entdeckt, freilich ohne zu ahnen,
daß es fich um unfern Greco handelt 2>,- erlt Carl Julti hat die Identität felK
gelteilt. Seit der Zeit ilt meines Willens von keinem weiteren Briefe des
Clovio die Rede gewefen. Ich bin nun in der gliiddichen Lage, ein neues,
wichtiges Dokument mitteilen zu dürfen, das einer meiner Zuhörer, der Kroate
Herr Herko Fabkovic, im Archiv der Stadtbibliothek von Spalato jünglt ent-
deckt hat. Mit feiner Erlaubnis und auf feine ausdrückliche Bitte hin ver-
öffentliche ich hier aus jenem Briefe das, was fich auf Greco bezieht, und
ich möchte dabei nicht verfäumen, Herrn Fabkovic für fein freundliches Ent-
gegenkommen auch an diefer Stelle befonders zu danken. Das Archiv in
Spalato befitzt, wie ich höre, mehrere Briefe von der Hand des Clovio, die
zum Teil einen tagebuchartigen Charakter tragen. Was für uns in Betracht
kommt, ilt altkroatifch gefchrieben, leider undatiert und ohne Angabe der Ab-
fenderltelle. Überfetzt lauten diefe wertvollen Sätze: »Geltern befuchte ich
Greco, um mit ihm einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Es war
der frhönfie Tag und die fchönlte Frühlingsfonne, die jedermann erfreuen
konnte. Die ganze Stadt fah feierlich aus. Ich war erltaunt, als ich in das
Atelier des Greco trat. Die Vorhänge waren vor den Fenltern fo dicht
zufammengezogen, daß man die Gegenftände kaum erkennen konnte. Auf
einem Stuhle faß Greco — er arbeitete nicht, er fchlief auch nicht. Mit mir
wollte er nicht hinausgehen, denn das Tageslicht Hörte fein inneres
Licht.« —
Wie Itimmungsreich und geheimnisvoll zugleich ilt doch diefe kurze Schil-
derung! Fein charakterifiert Clovio das Wefen des jungen Greco: fo Itellt
1) Vgl. H. Kehrer: »Die Kunft des Greco«, 3. Auflage, S. 19.
2> Vgl.: »Atti e Memorie di Storia Patria per le Provincie Modenesi e Parmensi.«
Modena 1865, Bd. III, S. 270.