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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1923 (April-Septembert)

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Nr. 43/44
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39788#0247

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Literatur

743

hören fo fchöne Blätter wie der »Chrifius
am Öiberg« in Paris (Schreiber 185), »Die
vier Heiligen« und »Verkündigung Mariä
und Geburt Chrifii« in München (Schrei®
ber 1771, 51/65) und der »Kruzifixus mit
Maria und Johannes«, ebenda (Schreiber
389). Daß folche Arbeiten noch dem
14: Jahrhundert angehören können, iß
durchaus überzeugend, befonders wenn
man Glafers weiteren Ausführungen folgt,
die von ihrem Stil zu dem des »Hl. Chri®
fiophorus« von 1423 noch Zwifchenfiufen
nachweifen. Ob aber durch vereinzelte
Blätter wie den »Chrißus in der Kelter«
des Germanifchen Mufeums (Schreiber
841) und den »Hl. Chrifiophorus« ebenda
(Schreiber 1355) wirklich eine Produktion
der Mitte des 14. Jahrhunderts repräfentiert
wird, iß fchwer zu beweifen und immerhin
zweifelhafi. Wie fich aus den Anfängen
dann um 1400 eine Überlieferung bildet,
wie um diefe Zeit deutlich unterfcheidbare
Gruppen auseinandertreten, iß ausgezeich®
net dargetan/ Hinweife auf die Möglich®
keit zur Feßfiellung landfchafilicher Eigen®
tiimlichkeiten und Anhaltspunkte für die
abfolute zeitliche Fefifetzung find mit Vor®
ficht ausgenutzt. So gewinnt man das
Vertrauen, daß, wo mit Entfchiedenheit
Zufammenhänge behauptet werden, gute
Gründe dazu vorliegen,- Nachprüfung be®
fiätigt die Richtigkeit der Refultate.
Eine neue Stufe der Entwicklung ßellt
Glafer wohl mit Recht in dem »Hl. Chri®
fiophorus« von 1423 und in verwandten
Blättern feß. Entfchiedene Raumgefialtung
und Körperhaftigkeit, häufige Anbringung
genrehafter Züge, erneutes Zurückgreifen
auf Naturbeobachtung, dramatifche Auf®
falTung des Gefchehens, fcheidet fie von
den älteren Arbeiten und läßt fie als Zeug®
nilfe einer neuen Zeit erfcheinen, die in
der Malerei zu den gleichen Errungen®
fchaften gelangte. In frühen Blockbüchern
läßt lieh Entfprechendes beobachten, in
weiteren Einzelholzlchnitten der Fortgang
diefer Entwicklung verfolgen. So reiht lieh
alles folgerichtig aneinander und wird der
Gang der Entwicklung bis um die Mitte
des 15. Jahrhunderts durchaus verfiändlidi
gemacht. Schwierigere Fragen tauchen aber
bei einigen weiteren Blättern auf, die in
diefe Reihe fchwer einzuordnen find.

Aus allem bisher Gefagten geht hervor,
daß Glafer dazu neigt, in der abfoluten
Datierung früher Holzfchnitte möglichfi
weit zurückzugehen. Er greifi damit auf
die ältere, in den letzten Jahrzehnten immer
mehr aufgegebene Anficht zurück. Nur
auf diefer Grundlage konnnte er es unter®
nehmen, für das Datum der bekannten
»Madonna mit den vier Heiligen im Rofen®
garten«, das 1418 lautet, einzutreten. Be®
kanntlich hat feit der Entdeckung diefes
Blattes und feine Einordnung in die Be®
fiände der Brüfleler Bibliothek ein anfangs
mit Heftigkeit, fpäter mit einiger Refigna®
tion geführter Kampf nidit geruht. Am
wirkungsvollen iß Henry Hymans in
einem fehr umfichtigen Auffatz des Bulletin
de l'Academie royale de Belgique (Classe
des Beaux®Arts 1903) für die Authen®
tizität des Datums eingetreten. Nun
läßt aber felbß die weitefigehende Zurück®
datierung aller frühen Holzfchnitte die
Madonna mit der Jahreszahl 1418, die bei
weit fortgefchrittenerem Stil doch fünf
Jahre vor dem hl. Chrifiophorus von 1423
in Manchefier entfianden fein müßte, immer
noch als eine aus der Reihe der übrigen
frühen Blätter vollfiändig herausfallende
Arbeit erfcheinen. Die Verteidigung des
Datums muß alfo noch weiter greifen und
für fie einen ganz anderen Kunfikreis an®
nehmen als für die übrigen meifi nach
Deutfchland weifenden. So verfährt denn
auch nach dem Vorgang einiger anderer
Forfcher Glafer, indem er das Blatt — mit
Recht — für niederländifch erklärt. Dagegen
bleibt aber immer noch einzuwenden, daß
felbß für die Niederlande die Datierung in
das Jahr 1418 reichlich früh erfcheint,- und
jedenfalls iß fchwer zu erklären, daß diefe
Arbeit früher entfianden fein foll als manche
von den Holzfdinitten, die Glafer als
niederländifch befiimmt und in das zweite
Viertel des 15. Jahrhunderts fetzt, wie der
»Hl. Plieronymus« in der Albertina (Schrei®
ber 1548) oder die »Gregorsmefle« im
Germanifchen Mufeum (Schreiber 1462).
Man wird gut daran tun, trotz Hymans'
erfchöpfender Arbeit und Glafers Über®
nähme feiner Refultate, immer noch ein
Fragezeichen bei der Jahreszahl 1418 bei®
zubehalten,- Möglichkeiten für eine andere
Deutung als die auf die Entfiehungszeit
 
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