738 Was hat uns die Novembergruppe heute noch zu Tagen?
genoflen nicht mit Unrecht behaupten konnten, es habe überhaupt kaum je eine
fchlechtere gegeben, es würde gar nichts mehr dort gelernt. Es hat dann fpäter
in München der eigentümlichen Figur eines Piloty bedurft, der auf dem Umwege
über die Niederlande wieder malerifch technifche Kenntnilfe den Schülern ver-
mittelte, und im Grunde war es Courbet und die Schule von Barbizon, die 1869
in München auf der Ausftellung hervorragend vertreten waren, die der Malerei
wieder frifches Leben zuführten.
Es ift unbeftreitbar, daß lieh künftlerifche Entwicklungen nicht bewußt ge-
Halten oder abbiegen lalfen. Sie find der notwendige Ausdruck einer Zeit, nicht
anders als Wirtfchaft, Politik, Stellung zur Religion oder Philofophie. Aber
eben, weil es fich hier um greifbare hiftorifche Prozeße handelt, find wir in
der Lage, diefe auch fachlich-hiftorifch zu betrachten, und wenn nun vor einigen
Jahren gemeinfam mit der fozialen Umwälzung die radikale Kunft auf eine
weithin fichtbare Stelle gehoben worden ift, fo hat fie heute, wie es fcheinen
mag, das Wort längft gefprochen, das fie zu fprechen hatte, ebenfo wie eine
Reihe radikaler Ideen in Staat und Wirtfchaft ihre Kraft eingebüßt haben.
Wie es uns nun im wirtfchaftlich=politifchen Leben feltfam und faft komifch an-
mutet, von einigen Unentwegten noch heute diefe oder jene Schlagworte aus-
gefprochen zu hören, als hätte nichts in der Zeit fich verändert, als gebe es
unerfchütterliche Wahrheiten, fo erfcheinen in der Kunft jene nicht minder
komifch, die ihre eigenen Nabel befehend, noch immer für fich und ihren engen
Kreis jene Experimente fortfetzen, was fage ich, kopieren, die vor einigen
Jahren das Intereffe weiter Kreife erwecken konnten, da hier Anfätze zu Neuem,
Kräftigem vorhanden zu fein fdhienen.
Von Frankreich her — und es war nicht das fchlechtefte, was von dort
kam — fcholl uns die Botfchaft von der äfthetifchen Schönheit der Mafchine.
Eine junge Generation, angeekelt von dem Schwindel der Gefühlsdufelei,
(teilte fich auf den Boden der Realität, wünfehte fich einzugliedern in den
Organismus des praktifchen Lebens und Tagte nicht nur ab der naturaliftifchen
Wiedergabe der umgehenden Welt der Erfcheinungen, fondern auch jeder
Ideen= und Ausdruckskunft. Man wies auf die Schönheit der modernen
Ingenieursprodukte hin, fie nicht minder äfthetifch, nicht minder großartig, als
die Produkte des Geiftes, die im Louvre oder im Palazzo Pitti zu fehen find.
Hier drückte fich ein fehr gefunder Sinn aus, und wenn eine Reihe Künftler
felbft zur Technik übergingen, Mafchinen für das tägliche Leben konftruierten,
fich im Kunfthandwerk betätigten, wenn die Plaftiker zur Architektur drängten,
fo gefchah etwas, was nicht genug zu begrüßen ift, befonders vom Stande
punkt einer Wirtfchaft aus, die an einem Übermaß von hochkultivierten
geiftigen Individuen leidet, die zu ernähren fie nicht mehr in der Lage ift.
Ein anderes aber ift es, wenn der Künftler fich damit begnügt, Mafchinen
genoflen nicht mit Unrecht behaupten konnten, es habe überhaupt kaum je eine
fchlechtere gegeben, es würde gar nichts mehr dort gelernt. Es hat dann fpäter
in München der eigentümlichen Figur eines Piloty bedurft, der auf dem Umwege
über die Niederlande wieder malerifch technifche Kenntnilfe den Schülern ver-
mittelte, und im Grunde war es Courbet und die Schule von Barbizon, die 1869
in München auf der Ausftellung hervorragend vertreten waren, die der Malerei
wieder frifches Leben zuführten.
Es ift unbeftreitbar, daß lieh künftlerifche Entwicklungen nicht bewußt ge-
Halten oder abbiegen lalfen. Sie find der notwendige Ausdruck einer Zeit, nicht
anders als Wirtfchaft, Politik, Stellung zur Religion oder Philofophie. Aber
eben, weil es fich hier um greifbare hiftorifche Prozeße handelt, find wir in
der Lage, diefe auch fachlich-hiftorifch zu betrachten, und wenn nun vor einigen
Jahren gemeinfam mit der fozialen Umwälzung die radikale Kunft auf eine
weithin fichtbare Stelle gehoben worden ift, fo hat fie heute, wie es fcheinen
mag, das Wort längft gefprochen, das fie zu fprechen hatte, ebenfo wie eine
Reihe radikaler Ideen in Staat und Wirtfchaft ihre Kraft eingebüßt haben.
Wie es uns nun im wirtfchaftlich=politifchen Leben feltfam und faft komifch an-
mutet, von einigen Unentwegten noch heute diefe oder jene Schlagworte aus-
gefprochen zu hören, als hätte nichts in der Zeit fich verändert, als gebe es
unerfchütterliche Wahrheiten, fo erfcheinen in der Kunft jene nicht minder
komifch, die ihre eigenen Nabel befehend, noch immer für fich und ihren engen
Kreis jene Experimente fortfetzen, was fage ich, kopieren, die vor einigen
Jahren das Intereffe weiter Kreife erwecken konnten, da hier Anfätze zu Neuem,
Kräftigem vorhanden zu fein fdhienen.
Von Frankreich her — und es war nicht das fchlechtefte, was von dort
kam — fcholl uns die Botfchaft von der äfthetifchen Schönheit der Mafchine.
Eine junge Generation, angeekelt von dem Schwindel der Gefühlsdufelei,
(teilte fich auf den Boden der Realität, wünfehte fich einzugliedern in den
Organismus des praktifchen Lebens und Tagte nicht nur ab der naturaliftifchen
Wiedergabe der umgehenden Welt der Erfcheinungen, fondern auch jeder
Ideen= und Ausdruckskunft. Man wies auf die Schönheit der modernen
Ingenieursprodukte hin, fie nicht minder äfthetifch, nicht minder großartig, als
die Produkte des Geiftes, die im Louvre oder im Palazzo Pitti zu fehen find.
Hier drückte fich ein fehr gefunder Sinn aus, und wenn eine Reihe Künftler
felbft zur Technik übergingen, Mafchinen für das tägliche Leben konftruierten,
fich im Kunfthandwerk betätigten, wenn die Plaftiker zur Architektur drängten,
fo gefchah etwas, was nicht genug zu begrüßen ift, befonders vom Stande
punkt einer Wirtfchaft aus, die an einem Übermaß von hochkultivierten
geiftigen Individuen leidet, die zu ernähren fie nicht mehr in der Lage ift.
Ein anderes aber ift es, wenn der Künftler fich damit begnügt, Mafchinen