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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1923 (April-Septembert)

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Nr. 33/34
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Fischel, Oskar: Pietro Perugino: zur vierhundertsten Wiederkehr seines Todestages im Frühjahr 1523
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https://doi.org/10.11588/diglit.39788#0122

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Pietro Perugino. Zur vierhundertlten Wiederkehr feines Todestages

gleitenden Meifter mit einiger Überrafchung einem jungen, feurig wirkenden
gegenüberftehen, den Maler des hl. Sebaltian von Cerqueto, und hat fich
fchließlich begnügt, die Akten über ihn mit der Tatfache eines Jugend= und
Altersftils zu fdiließen — ein unvereinbares und unerklärliches Nebeneinander
der Teile ohne das geifiige Band von Herkunft, Zeit, Perfönlichkeit — felblt
damit blieb feine Biographie der Cranachs verwandt. Aber auch diefes Erden-
wallens erfter und zweiter Teil hatten einen unlöslichen Zufammenhang und
geftalteten lieh aus demfelben Kern.
Denn der »Perugino«, der mit feinem Namen und mit jedem feiner Werke
die Herrlichkeit der Heimat und ihrer Landfchaft verkündet, hat von ihr im
Augenblick feiner Geburt alles empfangen, was ihn bedeutend im Kreis der
damals die Wahrheit auf Erden fuchenden Mittelitaliener, und dann zwifchen
ihnen wieder fchwach und rückltändig erfcheinen ließ. Der geborene Umbrer
hat fein Leben mit der Folgerichtigkeit der Vorherbeftimmung entwickelt und
geltaltet, und wer überfieht, daß hier ein poetifcher Geilt feinen Weg nahm, »nach
dem Gefetz, wonach er angetreten«, verfäumt einen der nicht allzu häufigen
Geiltesgrüße aus früheren Zeiten zu uns herüber; denn über die Kunft= und
Künltlergefdhichte hinaus gibt dies Leben ein Stück Gefchichte der Menfchheit,
wenn man es mit durchmacht, wie der Umbrer fein »werde der du bilt« er-
lebt, und zum Umbrer wird!
Am Ende der Frührenaiflance entdeckten die großen Führer zum neuen
heroifchen Stil wieder die Macht der gotifdien Linie bei Giovanni Pifano
und Giotto in ihrer Klarheit und ihrem Schwung. Was für Florenz nach
den Tagen des ftrengen Ringens mit der Wirklichkeit und der heiteren Zer-
ftreuung in der Gegenwart neu fein konnte, war in Umbrien nie vergeflen.
Alle feelifche Sammlung fchien fich aus der gefchäftigen Welt Toskanas und
Veneziens in die milde Luft diefer Berge, in diefe Täler zurückgezogen zu
haben, wo ungezählte Reliquien und fchließlich die Gegenwart des »Serafino
in carne« von Affifi felblt die Andacht und Hingebung erhielten. Was hier
von draußen hineinklang, mußte fich der Harmonie fügen und ihr dienen.
In den Umbrern war das Bewußtfein der inneren und der jenfeitigen
Welt nie erltorben. Nur in Umbrien regt man fich nicht ohne großen Anlaß.
Wieviel hat in Toskana, den einen Mafaccio ausgenommen, die Perfpektive
zur Entgeiltigung, zur Zerltreuung und Ablenkung von den heiligen Ge-
ltalten beigetragen. Gerade durch das Studium der Verkürzungen erwarben
hier Melozzo und Signorelli ihren Figuren ein Heimatrecht über den Wolken.
Nirgend, auch beim Meilter der Perfpektive Mantegna nicht, gelang es, den
Flug fo überzeugend zu machen. Nicht das Studium am Greifbaren und nicht
die technifche Übung, fondern daß die Seele aufs Jenfeitige gerichtet blieb,
gab ihrem Forfchen Inhalt, Ziel und Erfolg.
 
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