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Norddeutfche Bildteppidie der Renaiffance
fiühle bald hier, bald dort, tätig im Dienfie
der Fürfien oder der reichen Handelsherren.
Nur vereinzelt laden lieh Unternehmungen
von längerer Dauer und umfangreicherer
Produktion fefiffellen,- die Regel war jeden-
falls, daß die Meiffer nur vorübergehend
an einem Orte weilten. Diefes Wandern
der Wirkerateliers vom Niederrhein bis
nach Oltpreußen und Schlehen macht eine
feite Lokalifierung des Materials natürlich
häufig fihwierig. Das Eigentümliche und
für unfere allgemeine deutfihe Kunflge-
fchichte Bemerkenswerte diefes ganzen
Zweigs beruht darin, daß die eingewan»
derten Wirker in der Hauptfache Ent-
würfe oder Kartons eingefelfener deutfiher
Maler und Zeichner in ihre altüberlieferte
Textilfprache zu über fetzen hatten. Das
frühefle Beifpiel einer derartigen Umfetzung
eines deutlchen Kartons durch Brüfleler
Teppichweber ift der von dem Kaifer»
Friedrich-Mufeum erworbene, nach Dr.
Feurftein um 1540 im Aufträge des Gra-
fen Günther XL. von Schwarzburg ge-
fertigte Teppich mit dem Sturz Sauls nach
Entwürfen Hans Baidungs, zugleich eines
der frühefien Beifpiele der malerilchen, durch
Verzahnung <»hachures«> erzeugten male»
rifchen flämifihen Wirktechnik, die fich fcharf
abhebt von der teilweife bis tief ins 16.
Jahrhundert blühenden rein dekorativen
umrißmäßigen Behandlung der fpätgotifchen
deutfehen Rücklaken. Dem in Leipzig
angefiedelten Bombeck lieferten der Für-
fienmaler Krell und andere Schüler Lukas"
Cranachs die Vorlagen,- in diefe Richtung
gehört auch der berühmte, mit zahlreichen
Porträtgeflalten des fächfifihen und pom-
merfchen Fürfienhaufes gezierte Croyteppich
der Univerfität in Greifswald. Die aus-
drucksvolle Zeichnung und derbe, ja harte
Farbenzufammenfiellung ilt das Kennzeichen
der auf deutfehem Boden entfiandenen Bild-
teppiche und grenzt fie gegen die ffets male-
rilchen und tonigen Schöpfungen der flä—
mifchen Mutterkunlt ab. Als ein Beleg
dafür möge der vor wenigen Jahren im
Berliner Kunffhandel aufgetauchte hoch-
rechteckige Wandbehang mit der Opferung
Ifaaks angeführt werden <Abb. 1) — zu-
letzt u. W. in dem Wiener Teppichhaus
von Frankl — der zwar in den Blumen-
vafen und Tugenden der Borte, wie in
den Kräutern, Stauden und Bäumen der
Landfchaff, die unmittelbare Herkunft aus
der Tradition der Brüfleler Spätrenaiflance-
wirkerei nicht verleugnet, aber in der derb»
umriflenen Zeichnung und der abgefetzten
grellen Färbung die Entflehung auf nieder-
deutfehem Boden unzweifelhaft macht. Er
gehört in die Gruppe der in den fechziger
Jahren am Mecklenburgilchen Hofe ent»
fiandenen Arbeiten, die wahrfiheinlich aus
der von dem Niederländer von Ophorn
errichteten Werkftatt hervorgegangen find,-
am verwandtefien ilt er dem Teppich mit
Jakob und Rahel im Schweriner Mufeum,
der um 1580 datierbar ilt. Aus demfelben
Atelier flammt offenbar der kleine Behang
mit der Geburt des Kindes im Belitz des
Herrn Dr. Weiler in Charlottenburg, der
das zeichnerifche Element noch fiärker ent-
wickelt zeigt <Abb. 2). Herr Dr. Weiler
befitzt auch aus der nun Ichon ganz ver»
deutfehten Wirkerwerkflatt, die in Wismar
um 1600 arbeitete, eine kleine Decke,
David als Sieger heimkehrend, von den
mufizierenden Frauen empfangen. In ein
anderes wichtiges Zentrum der norddeut»
fchen Bildwirkerkunfl der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, nach Schießen, führt
wahrfcheinlich das prächtige Rücklaken, das
vor zwei Jahren von der Firma Heilbronner
in Berlin <Mohrenflraße> angeblich aus
fchlefifchem Adelsbefitz erworben wurde:
Abb. 2. Geburt des Kindes. Meddenburgifcher
Wirkteppich um 1580. Dr. Weiler, Charlottenburg
Norddeutfche Bildteppidie der Renaiffance
fiühle bald hier, bald dort, tätig im Dienfie
der Fürfien oder der reichen Handelsherren.
Nur vereinzelt laden lieh Unternehmungen
von längerer Dauer und umfangreicherer
Produktion fefiffellen,- die Regel war jeden-
falls, daß die Meiffer nur vorübergehend
an einem Orte weilten. Diefes Wandern
der Wirkerateliers vom Niederrhein bis
nach Oltpreußen und Schlehen macht eine
feite Lokalifierung des Materials natürlich
häufig fihwierig. Das Eigentümliche und
für unfere allgemeine deutfihe Kunflge-
fchichte Bemerkenswerte diefes ganzen
Zweigs beruht darin, daß die eingewan»
derten Wirker in der Hauptfache Ent-
würfe oder Kartons eingefelfener deutfiher
Maler und Zeichner in ihre altüberlieferte
Textilfprache zu über fetzen hatten. Das
frühefle Beifpiel einer derartigen Umfetzung
eines deutlchen Kartons durch Brüfleler
Teppichweber ift der von dem Kaifer»
Friedrich-Mufeum erworbene, nach Dr.
Feurftein um 1540 im Aufträge des Gra-
fen Günther XL. von Schwarzburg ge-
fertigte Teppich mit dem Sturz Sauls nach
Entwürfen Hans Baidungs, zugleich eines
der frühefien Beifpiele der malerilchen, durch
Verzahnung <»hachures«> erzeugten male»
rifchen flämifihen Wirktechnik, die fich fcharf
abhebt von der teilweife bis tief ins 16.
Jahrhundert blühenden rein dekorativen
umrißmäßigen Behandlung der fpätgotifchen
deutfehen Rücklaken. Dem in Leipzig
angefiedelten Bombeck lieferten der Für-
fienmaler Krell und andere Schüler Lukas"
Cranachs die Vorlagen,- in diefe Richtung
gehört auch der berühmte, mit zahlreichen
Porträtgeflalten des fächfifihen und pom-
merfchen Fürfienhaufes gezierte Croyteppich
der Univerfität in Greifswald. Die aus-
drucksvolle Zeichnung und derbe, ja harte
Farbenzufammenfiellung ilt das Kennzeichen
der auf deutfehem Boden entfiandenen Bild-
teppiche und grenzt fie gegen die ffets male-
rilchen und tonigen Schöpfungen der flä—
mifchen Mutterkunlt ab. Als ein Beleg
dafür möge der vor wenigen Jahren im
Berliner Kunffhandel aufgetauchte hoch-
rechteckige Wandbehang mit der Opferung
Ifaaks angeführt werden <Abb. 1) — zu-
letzt u. W. in dem Wiener Teppichhaus
von Frankl — der zwar in den Blumen-
vafen und Tugenden der Borte, wie in
den Kräutern, Stauden und Bäumen der
Landfchaff, die unmittelbare Herkunft aus
der Tradition der Brüfleler Spätrenaiflance-
wirkerei nicht verleugnet, aber in der derb»
umriflenen Zeichnung und der abgefetzten
grellen Färbung die Entflehung auf nieder-
deutfehem Boden unzweifelhaft macht. Er
gehört in die Gruppe der in den fechziger
Jahren am Mecklenburgilchen Hofe ent»
fiandenen Arbeiten, die wahrfiheinlich aus
der von dem Niederländer von Ophorn
errichteten Werkftatt hervorgegangen find,-
am verwandtefien ilt er dem Teppich mit
Jakob und Rahel im Schweriner Mufeum,
der um 1580 datierbar ilt. Aus demfelben
Atelier flammt offenbar der kleine Behang
mit der Geburt des Kindes im Belitz des
Herrn Dr. Weiler in Charlottenburg, der
das zeichnerifche Element noch fiärker ent-
wickelt zeigt <Abb. 2). Herr Dr. Weiler
befitzt auch aus der nun Ichon ganz ver»
deutfehten Wirkerwerkflatt, die in Wismar
um 1600 arbeitete, eine kleine Decke,
David als Sieger heimkehrend, von den
mufizierenden Frauen empfangen. In ein
anderes wichtiges Zentrum der norddeut»
fchen Bildwirkerkunfl der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, nach Schießen, führt
wahrfcheinlich das prächtige Rücklaken, das
vor zwei Jahren von der Firma Heilbronner
in Berlin <Mohrenflraße> angeblich aus
fchlefifchem Adelsbefitz erworben wurde:
Abb. 2. Geburt des Kindes. Meddenburgifcher
Wirkteppich um 1580. Dr. Weiler, Charlottenburg