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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1923 (April-Septembert)

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Nr. 49/50
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39788#0341

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Ein unbekanntes Studienbiatt aus der Pifanello»Werkitatt

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Kollektion mit Bell als ein
unantaßbares Eigentum für
Michelangelo in Anfprudi
nehmen. Es ift der bedeut»
famfte Entwurf, den wir
für die Vorfahren Chrifti
in der Sixtina befitzen und
eine der köftlichften Zeich»
nungen des Meifters, die fidi
überhaupt erhalten hat,
E. Steinmann
*
Ein unbekanntes
Studienblatt aus der
Pifanellowerkftatt
Unter den unbekannten
italienifchen Zeichnungen
des Louvre befindet fleh ein
Blatt <Inv. Nr. 00518), das
man an einer ganz anderen
Stelle erwartet, nämlich im
Codex Vailardi. Das dop»
pelfeitig gefüllte Blatt zeigt
auf der einen Seite als Fe»
derzeichnung den Entwurf
zu einem in fpitzem Bogen
gelchloflenen Altarbild: die
hl. Familie im Freien, fit»
zend, mit einem ftehenden,
bärtigen Heiligen, der in
beiden Händen ein Schrift»
band hält. Auffällig, daß
auch der hl. Jofeph eine große
Schriftrolle befchreibend dar»
geftellt iß, mehr einer Prophetengeftalt ver»
gleichbar, denn dem frommen Nährvater.
Nicht ganz verftändlich ift die Bewegung
der rechten ausgeftreckten Hand der Ma»
donna. Auf der Rückfeite ift, gleichfalls als
Federzeichnung, oben ein Ritter zu Pferd,
mit dem Schwert zum Streich ausholend,
vor ihm als Rückenfigur ein Gewappneter
zu Fuß, gleichfalls mit gezücktem Schwert
als Gegner wiedergegeben, unten ein fchräg
nach vorn fpringendes Pferd.
Es ift auf dem erbten Blick klar, daß
diefes Blatt in den engften Kreis Pifanellos
gehört. Die Gruppe der beiden Krieger
begegnet uns in dem Blatt 225 des Codex
Vailardi wieder1), ift aber dort viel dürf»
tiger von einem fchwachen Schüler gezeich»
net. Bei der Heiligen Familie erinnert die
Madonna lebhaft an die fitzende Maria,

PI. 1 des Codex Vailardi, die Bodenbe»
handlung befonders an die von PI. 2, die
Tellernimben finden fidt befonders auf PI. 3
wieder.
Für Pifanello felbft find die Studien zu
fchwach. Der Altarentwurf wirkt wie
eine Kompilation aus verfthiedenen Wer»
ken. Aber gerade diefe Zeichnung inter»
effiert uns wegen ihres ftark nordilchen
Einfchlags. Ob hier an einen deutfthen
Schüler wie etwa jenen Miniator der Efte,
Giorgio Tedesco <Zorzo de Alemagna) ge»
dacht werden darf, ift fraglich. Später als
etwa 1435 dürften aber die Blätter nicht
entftanden fein. A. L. Mayer

1) cf. Jean Guiffrey, Les dessins du Pifa»
nello et de son ecole conserves au Musee
du Louvre. Paris 1911.
 
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