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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Nacht, Leo: Die Weltausstellung in St. Louis 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0013

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DIE WELTAUSSTELLUNG IN ST. LOUIS 1904

gebäude dieses Staates, und er ist ihm geworden.
Mächtige Holzstämme streben zum Dachfirst und
wirken neben ihrer statischen Notwendigkeit als Träger
des Holzreichtums jenes Landes. Und neben diesem
das Calofornia State Building, das in seiner Wieder-
gabe der alten St. Barbara so deutlich das Pietätvolle
im Amerikaner widerspiegelt, der nur aus Mangel an
Tradition hinübergreift zu den kontinentalen Stilen
oder in erwachendem Nationalstolz sich von ihnen
loslöst. Jener seelische Magnet, der bei den alten
Kulturvölkern nach rückwärts in die Vergangenheit
zeigt, ist auch bei ihm vorhanden und er folgt ihm
da, wo ihm die Vorsehung eine Stätte aus alter Zeit
gelassen hat. Von den fremdstaatlichen Gebäuden
liegt das deutsche Haus den Hauptausstellungsgebäu-
den am nächsten, auf dem German Hill in der
Nähe der Festhalle. In seinem satten Grau hebt es
sich wie eine lebende Seele von den unter ihm
liegenden Gebäuden ab. Für das Auge rückt der
grüne, wohlgepflegte Rasen bis an den Sockel heran
und das dürstende Auge saugt begierig die tiefen Töne
dieses smaragdgrünen Teppichs in sich auf, nachdem
es vorher mit dem
blendenden Asphalt,
mit dem flimmern-
den Staube, mit der
heißen, trockenen
Eintönigkeit malträ-
tiert wurde. Wie auch
die Frage seiner sti-
listischen Charakte-
ristik hätte entschie-
den werden können,
hier an dieser Stelle,
unter diesen Sche-
men wirkt dieser
Bau in seiner voll-
kommenen Kultur,
trotz seiner partiel-
len Wiedergabe, wie
eine Erlösung. Ja,
in manchen Perspek-
tiven, besonders in
denen, in welchen
das angegliederte
Gebäude des Wein-
restaurants mit dem
Hauptgebäude zu-
sammenwirkt, ist der
massig entwickelte
Turm ein notwen-
diges Gleichgewicht
für die Tiefenent-
wickelung der gan-
zen Anlage.

Eine Welt für
sich ist der japa-
nische Garten, be-

WELTAUSSTELLUNO
ST. LOUIS 1904

grenzt von der rohen Gegenständlichkeit seiner Um-
gebung liegt er da, wie eine keusche duftige Blüte,
bedeckt er wie ein zarter Flaum das robuste Stück
Land unter sich. Sanftschwellende Hügel, schmale
Steige, eine murmelnde Quelle, verschwiegener See,
Holzbrücken, hinüberführend und die Wege verbin-
dend, lauschig versteckte Häuschen, trippelnde Geishas
mit sanftem Lächeln, so bietet dies Stückchen Erde wie
ein entzückendes Eiland den durstenden Sinnen sich
dar. Ein Kulturtrank in einem köstlich duftenden
Gefäße, auf dessen Grunde scheu lächelnd uns die
Volksseele eines fremden, alten, mächtigen Kulturvolkes
entgegenwinkt. Jedes Stückchen, jeder Fußbreit dieses
kleinen Eilandes atmet die ganze Kultur des japanischen
Volkes; wohin wir sehen, abgerundete, abgestimmte
Bilder, die Natur in einen Rahmen getan von köst-
licher Einfachheit und inniger Tiefe. Hier die leicht-
gewölbte hellgrüne Rasenfläche als Hintergrund der
dunkelgrünen, knorrigen, in weichen Flächen stili-
sierten Konifere, dort die zarten Stämme der Birke
mit den zitternden Blättern, um die feste Konsistenz
des Bodens mit einer feinen Zeichnung gegen den

Himmel abzuleiten,
dann wieder eine stei-
nerne Laterne oder
eine wunderbar ge-
triebene Bronze in
satten Tönen, um den
sanften Linien der
umgebenden Natur
einen dekorativen, ar-
chitektonischen Halt

entgegenzusetzen,
kurz überall der un-
fehlbare Geschmack
des mit Schönheit ge-
sättigten, mit reifen
Formen erfüllten,
von einer alten ge-
klärtenTradition um-
gebenen Künstlers.
Gegen diese Herr-
lichkeit der Heimat
auf fremdem Boden
ist nichts Gleichwer-
tiges zu setzen.Frank-
reich, England, Hol-
land, Schweden ver-
sinken wie in einer
unfruchtbaren Öde.
Nur Österreich, das
uns einst im Kunst-
gewerbe mit frischem
Tritt voranging, läßt
in seiner Außen-
architektur den
neuen Klang ahnen,
aber nicht erfassen.

GEBÄUDE D.STAATES
WASHINGTON
 
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