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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Gerland, Otto: Die Werke der Kleinkunst in der Kirche zum heiligen Kreuze zu Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0035

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28 DIE WERKE DER KLEINKUNST IN DER KIRCHE ZUM HEILIGEN KREUZE ZU HILDESHEIM

Heidentums, letzterer auf einem zusammengekauerten
Juden, zum Zeichen, daß auch das Judentum über-
wunden ist. Neben Maria steht Johannes der Täufer
mit dem Agnus Dei, neben dem Evangelisten Johannes
ein nicht zu deutender Bischof mit Heiligenschein
und einem Buche in der Linken.

Die Rückseite des Evangeliars ist glatt gehalten
und durchbrochen. In die stehengelassenen Stellen sind
Figuren eingeritzt, die herausgebrochenen Stellen sind
mit romanischem Rankenwerk ausgefüllt, hinter das
ein roter Stoff gelegt ist. Die Figuren sind die
Mutter Gottes, sitzend und das Christuskind mit bei-
den Händen auf dem Schöße haltend, während das
Kind die rechte Hand segnend nach rechts ausstreckt.
Zur Rechten der Mutter Gottes steht eine weibliche
Heilige mit Krone und Palme, die ihre linke Hand
nach dem Christkinde zu mit vollständig ausgebreiteten
Fingern erhebt, als Zeichen, daß sie mit dem Kinde
spricht. Seitwärts von dieser Heiligen steht Petrus,
bärtig und im langen Gewände, in der Linken einen
langen schlanken Schlüssel emporhaltend. Zur Linken
der Mutter Gottes steht ein jugendlicher Mann ohne
Heiligenschein, in kurzem tunikaartigen Rock, die
Rechte gleichfalls ausgebreitet nach dem Christkinde
zu ausstreckend, in der Linken ein bloßes Schwert
emporhaltend.

Als Zeit der Herstellung des Kunstwerks wird,
und nicht mit Unrecht, das Ende des 12. oder der
Anfang des 13. Jahrhunderts angesehen. Zu dieser
Annahme stimmen sowohl die Formen der Buch-
staben auf dem Boden, als auch der Charakter der
ganzen Arbeit, wenn man auch die schon oben her-
vorgehobene Tatsache in Betracht zieht, daß im Kunst-
gewerbe ältere Formen auch noch in späterer Zeit
Anwendung gefunden haben und zwar namentlich
im Gewerbe der Goldschmiede, von denen man wohl
annimmt, daß sie die vorhandenen Stempel, Stanzen,
Gießformen u. s. w. ausnützen wollten. Die Szene
auf der Rückseite des Reliquiars wird verschiedentlich

als die Vermählung Katharinas mit dem Christkinde
angesehen; diese Deutung muß aber verworfen wer-
den, weil die betreffende Legende in einer späteren
Zeit als derjenigen, in welcher das Reliquiar seine
Entstehung verdankt, entstanden ist und weil, wenn
diese Darstellung beabsichtigt worden wäre, das Christ-
kind der vor ihm stehenden Heiligen einen Ring
reichen würde, was nicht der Fall ist. Die genauere
Untersuchung über die Deutung der dargestellten
Heiligen dürfte hier zu weit führen -und soll deshalb
unterlassen werden, vermutlich sind es außer Petrus
die hl. Barbara und der hl. Kantius.

d) Mit dem letzten Werke der Edelschmiedekunst,
einer in Silber gefaßten Meernuß (Abb. Seite 27) über-
springen wir die Zeit der Gotik bis zu deren letzten
Ausläufern. Wir haben eine auf silbernem Fuße
ruhende, in Silber gefaßte und mit einer silbernen
Bekrönung versehene polierte Meernuß vor uns, die
nach der angebrachten Inschrift der Kanonikus Sif-
fried Anthony im Jahre 1500 anfertigen ließ und der
Kirche schenkte. Das Reliquiar hat ^eine Höhe von
neunundzwanzig Zentimetern.-' Der sechsseitige, mit
einem durchbrochenen unteren Rande und mit Rippen
versehene, im übrigen glatte Fuß zeigt auf der Vorder-
seite das Wappen des Stifters, eine Tartsche mit schräg
links gestellter Lilie. Auf dem Fuße erhebt sich ein
gleichfalls sechsseitiger Schaft in der Mitte mit einem
gotischen Knauf versehen, auf dessen vorspringenden
abgestumpften Ecken kleine Rosen angebracht sind.
Zwei verzierte Bänder umschlingen den Körper der
Nuß bis zu der oberen mit Blattornamenten verzierten
Einfassung. Auf dem abnehmbaren Deckel ist zwi-
schen zwei verschlungenen Rundstäbchen ein Fels-
block dargestellt, auf dem ein in Silber gegossener
Heiliger steht, der in der linken Hand ein Buch hält.
Da ein Buch zu den Attributen des hl. Antonius von
Padua gehört, so werden wir im Hinblick auf den
Vornamen des Stifters annehmen dürfen, daß wir eine
Wiedergabe dieses Heiligen vor uns sehen.

RELIQUIARIUM DER HEILIGEN KATHARINA (BARBARA), RÜCKSEITE
HILDESHEIM, KREUZKIRCHE
 
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