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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Bernhard, Otto: Die zweite Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0038

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DIE ZWEITE AUSSTELLUNG DER DARMSTÄDTER KÜNSTLERKOLONIE

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brannten, und von glasierten Backsteinen in Außen-
und namentlich in Innenräumen — man beachte die
Kaminverkleidungen; auf die Verwertung freiliegender
Eisenschienen und anderes mehr. Was nun das Innere
anlangt, zunächst der von Olbrich ausgestatteten Räume,
so verleugnen sich die oben gegebenen Charakteristika
seiner Kunst auch da nicht. Überall elegant, über-
sprudelnd von Ideen, bestechend, selten gediegen, sach-
lich und klar. Wie entzückend sind z. B. Tisch, Stühle
und Schrank des leicht an Louis XV. anklingenden,
weiß und blau lackierten Speisezimmers, und wie
gezwungen in demselben Zimmer die beiden Zier-
glasschränkchen! Wie famos ist das wahrhaft vornehme
Billardzimmer im Eckhaus, mit seiner Harmonie in
Braun, Grün und Rosa, und wie äußerlich theatralisch
die Kapelle im Hofpredigerhaus. Vor allem leiden
aber die Räume darunter, daß es unmöglich ist, in
ihnen etwas zu verändern. Als absolute Kunstwerke,
nicht als relative, konzipiert, würde durch bloßes Ver-
stellen eines Möbels, durch Hinzufügen eines Bildes,
einer Statue, der einheitliche künstlerische Eindruck
zerstört. Eine gewisse Unfertigkeit im Sinne von
Ausbau- und Erweiterungsfähigkeit ist aber eine Grund-
bedingung aller angewandten Kunst, und ein Zimmer,
an dem sich nichts ändern läßt, ist praktisch unbrauch-
bar und künstlerisch falsch.

In die Innenausstattung des blauen Hauses und
der nicht von Olbrich möblierten Räume des Eck-
hauses haben sich Haustein und Cissarz geteilt. Ihre
Möbel hinterlassen einen weit günstigeren Eindruck.
Hier weht einem nach dem Olbrichschen Parfüm der
erfrischende Hauch gesunder Naturluft an. Haustein
scheint in die Fußtapfen
Hubers treten zu wollen.
Sachlichkeit, Gediegenheit
und Bescheidenheit sind die
großen Vorzüge seiner Möbel
und zugleich die größten
Vorzüge, die man ange-
wandter Kunst überhaupt
nachrühmen kann. Im ganzen
hat er sieben Räume ausge-
stellt; in der Dreihäuser-
gruppe: ein Speisezimmer
in hellem Eschenholz, ein
Schlafzimmer in Rot und
einem dunklen Graugrün, ein
Wohn- und ein Empfangs-
zimmer; im Ernst-Ludwigs-
haus: ein Herren-, ein Damen-
zimmer und ein Schlafzimmer
in Nußbaum. Die drei letzt-
erwähnten und das Speise-
zimmer im blauen Hause sind
davon wohl das beste. Man
braucht nur einmal das Nuß-
baumschlafzimmer mit seinen
schweren, wuchtigen, alle
Wirkungsmöglichkeiten aus
dem Holz herausholenden
Formen mit dem eleganten,

zierlichen und doch nie zimperlichen Damenzimmer
in hell Ahorn mit Intarsien, Schnitzerei und Elfenbein-
verzierung zu vergleichen, um zu begreifen, wie
meisterhaft dieser junge Künstler sein Material be-
herrscht. Auch ihm läuft ja noch manches Unlogische
hier und da unter, aber wer hielte bei so gutem
Kern nicht kleine Schwächen der Jugend zugute?
Ein besonderes Gebiet von Hausteins Begabung ist
außerdem die Stickerei, wo er, unterstützt von einer
reichen und kräftigen Farbenempfindung, ganz neu-
artige Wirkungen zu erzielen weiß. Man beachte ins-
besondere die Vorhänge der Zimmer im Eckhause.
Auch die Räume von Cissarz berühren sympathisch
durch Schlichtheit und Sachlichkeit. Enhält das Herren-
zimmer im blauen Hause noch einiges Mangelhafte,
so läßt sich gegen das leicht an Behrens gemahnende
Schlafzimmer in demselben Hause eigentlich nur das
eine einwenden, daß es doch etwas zu steinern-schwer
wirkt. Es kommt das daher, daß die Möbel mit
übertriebener Absichtlichkeit die Entstehung aus zu-
sammengenagelten oder zusammengeleimten Brettern
erkennen lassen. Das Bestreben, die Technik nicht
zu verschleiern, ist ja gewiß sehr anerkennenswert,
allein das Materialgemäße ist doch nicht die erste und
einzige Rücksicht. Das Wesentliche ist und bleibt
auch beim Möbel doch die Gestaltung der Form als
Raumwert. An einem Brett gleitet das Auge nach
rechts, links, oben und unten ab; es findet keine
Linien, die es zurück nach der Tiefe leiten. Infolge-
dessen sieht der Gegenstand von vorn flach, von
neben, wo man die Tiefe natürlich bemerken muß,
klotzig aus. Es ist dies eine Tatsache, die sich

PROFESSOR J. OLBRICH, DAS BLAUE HAUS,
ZWEITE AUSSTELLUNG DER DARMSTÄDTER KÜNSTLERKOLONIE
 
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