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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Miessner, Wilhelm: Moderne Plaketten und Medaillen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0051

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MODERNE PLAKETTEN UND MEDAILLEN

Seilschaft für lenkbare Luftschiffahrt, das Künstler-
waisenhaus, die Gesellschaft für Architektur, alle werden
sie in eigenartigen Prägungen oder Güssen gefeiert.
Die Doppelseitigkeit der Medaille gibt dabei, wie wir
sahen, genug Gelegenheit zu einer ganz freien künst-
lerischen Schöpfung, die zuletzt wie jede Kunst fast
nur noch durch ihr Material begrenzt wird. Ganz
mit Recht vergleicht Lichtwark diese Kleinreliefs in
ihrer intimen Wirkung mit dem Kupferstich.

Und Deutschland! Es wäre vielleicht noch ver-
früht, eine Geschichte der modernen deutschen Plakette
zu schreiben. Dennoch sind ernste Männer an der
Arbeit. In der Tat sollten sich auch nur solche mit
der Herstellung befassen,
denn es gehört ein ganz
reifer Geschmack und
eine reiche eigenartige
künstlerische Weltanschau-
ung dazu, die es wert ist,
in Silber geprägt oder in
Bronze gegossen zu wer-
den. Die Richard Wagner-
medaille von Bosselt-
Darmstadt ist den franzö-
sischen Gedächtnisprä-
gungen auch in der An-
ordnung der Schrift an die
Seite zu stellen. »Menzel«
und »Thoma« von Kp-
tra/rz/£-Frankfurt am Main
sind reich an Schönheiten.
An Hildebrandts vielge-
rühmter Bismarckmedaille
kann mir die Wahl des
kleinen Formates nicht
gefallen. Eigenartig ist der
archaisierte Eichbaum mit
Wurzel auf dem Revers
dieser kleinen Münzenform
mit schalenförmig erhöh-
tem Rande. Der nord-
deutsche Dickschädel auf
dem Avers hätte auch
noch einergrößeren Fläche
Schwierigkeiten bereiten
können, denn es lag doch
wohl in der Absicht des
Künstlers, die Idee selbst
die Medaillenform durch-
brechen zulassen. In Karls-
ruhe arbeitet Meyer, ein
weiblicher Akt, den ich
von ihm sah, macht sich
die neue Kunst zunutze,
ein Jäger war noch recht

LAMPE, MODELLIERT VON BILDHAUER
ALBERT REIMANN, BERLIN

konventionell. In Wien hat Scharf/ sachte vom Alten
zum Neuen die Überleitung gesucht. Seine Porträt-
bilder sind eingehend ziseliert, seine Schrift aber ge-
schmacklos. Sein Schüler Pawlick stellte verschiedene
Neujahrsplaketten her. Auch hier noch die Un-
möglichkeit einer freien Fläche, als müßte jedes Fleck-
chen ja ausgenützt werden. Kautsch's Heineplakette
fand einen Dichter der Reliefkunst. Die Form ist
die eines hohen oben abgerundeten Rechteckes. Auf
dem Revers entschwebt eine Frauengestalt in einem
zarten Wolkengewand zum Himmel. Unten rechts
in der Ecke eine Stadt und in dem freien Raum sind
die Worte: »Aus meinen großen Leiden schuf ich

die kleinen Lieder« hinein-
geschrieben, ich möchte
sagen hineingedichtet,
wenn ich damit die sinn-
volle Sprache der Buch-
stabenornamentik bezeich-
nen darf.

Eine reiche Kultur kenn-
zeichnet sich dadurch, daß
sie von der Sofalehne bis
zur Hausschelle, vom
Dachgiebel bis zur Tape-
tenborte nichts Geschmack-
loses um sich duldet, daß
es das Gefühl verletzt,
eine in Farben schreiende
Postkarte zu beschreiben
oder zu empfangen, und
daß jeder überall wie etwas
Natürliches das Stil- und
Zeitwidrige ausmerzt. So
reden noch heute alle
wirklich großen Zeiten
zu uns. Wie weit sind
wir selbst aber davon
entfernt. Wenn eine spä-
tere, vielleicht herrlichere
Generation unsere Brief-
marken sieht, unsere her-
kömmlichen Erinnerungs-
und Preismedaillen, un-
sere Mietkasernen und
alles was an Möbel und
Scharteken dahinein ge-
tragen wird, möchte sie
dann uns bemitleiden, daß
wir zwischen allen diesen
Dingen leben und arbeiten
müssen. Zu helfen, daß
diese Zeit nicht allzufern
liegt, ist die uns vorerst
gestellte Aufgabe.
 
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