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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Plehn, Anna L.: Vom gebogenen Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0053

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46

VOM GEBOGENEN HOLZ

WELTAUSSTEL-
LUNO ST. LOUIS

1904,
GRUNDRISS DES

WELIAUSSTtUUNC, ST-LOWS'1904•

• RAUM PROf. Ol LLING-KARLSRUHE.-QADEN?



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MUSIKRAUMS

VON PROFESSOR

H. BILLINO,

KARLSRUHE

alte Streitfrage aufleben, ob es die Technik sei, welche
den Stil macht, oder ob man es dem Stilgefühl zu-
schreiben solle, daß gerade die bestimmte Technik
gewählt wird. Es handelt sich darum, ob man zu-
erst die Entdeckung machte, daß das Holz so nach-
giebig ist und dann aus dem so gewonnenen Material
den schmiegsam zierlichen Kontur der Möbel ab-
leitete, oder ob der Wunsch nach elegant fließenden
Linien zu den Versuchen des Biegens führte. Aber
mir scheint auf eine Entscheidung dieser Frage wenig
anzukommen. Es genügt, zu beobachten, welche
Formen das Gerät annimmt mit diesem Material, von
dem bestimmten Geschmacke geleitet.

Das gebogene Holz braucht nicht gleich häufig
zerschnitten zu werden, wie es jüngst in der Tischlerei
Gebrauch war. Es kann z. B. ein Stab als Stuhlfuß
vom Boden aufsteigen, hierauf in der Höhe des Sitz-
breites mit einer Krümmung von etwa fünfundvierzig
Grad zur hinteren Lehnenhöhe aufsteigen, um dann
mit abermaliger Wendung zur anderen Seite hinüber-
zugehen und nun rechts dieselben Bewegungen aus-
zuführen, wie vorher links. Ein zweites Stück Holz
mag die Hinterfüße bilden nebst einer Horizontal-
verbindung, die als oberer Lehnenrand dient. Fügt
man die Sitzplatte hinzu, so hat man aus drei Teilen
die wesentlichen Glieder eines Stuhles.

Mit dem Brett verhält es sich ebenso wie mit
dem Stab. Nur mit der Einschränkung, daß es sich

hier natürlich nicht immer um eine tatsächliche Ein-
heit handeln kann, sondern nur um eine solche für
das Auge. Denn mit der Breite des normalen Brettes
käme man nicht weit. Die gotische Tischlerei leitete
aus dem natürlichen schmalen Maß ihre kleinen
Rahmen und Füllungen ab. Durch solides Leimen
kann das Brett aber auf jede beliebige Breite gebracht
werden, so daß man mit Hilfe des Biegens einen
Stuhl vom Fußboden bis zur Lehnenhöhe mit einer
einheitlichen, im Halbkreis geschwungenen Wand um-
fassen kann. Diese Sitze erinnern etwas an die Form
von Strandkörben oder auch an jene Sessel aus Korb-
geflecht, die man im Altertum hatte und die man
nach den Vorbildern antiker Marmorreliefs neuerdings
gelegentlich nachgebildet hat. Solche gebogene Wand
könnte die Tischlerei mit ihren üblichen Mitteln nicht
gleich glatt und schlank herstellen.

Besonders die Verzapfungsstellen werden die
Tischlerei verraten, die mit vielen Einzelgliedern han-
tiert. An den Verbindungsstellen läßt das Möbel
seinen inneren Organismus sehen, wie an den Ge-
lenken beim Menschen der Knochen durch die Haut
hindurchscheint. Das Rokoko, dessen Nachwirkungen
in dem Geschmack unserer Tage noch vielfach zu
bemerken sind, empfand es als unangenehme Not-
wendigkeit, daß ein Gerät aus mehr als einem ein-
zigen Stück besteht. Darum suchte dieser Stil jeden
Gelenkspalt unter Schnitzerei und Metallpanzer zu
 
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