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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Plehn, Anna L.: Vom gebogenen Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0055

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48

VOM GEBOGENEN HOLZ

WELTAUSSTELLUNO

ST. LOUIS 1904,

MUSIKRAUM VON

PROFESSOR H. BILLING,

KARLSRUHE,
MÖBEL UND HOLZWERK
AUSGEFÜHRT VON DER

HOFMÖBELFABRIK
L. J. PETER, MANNHEIM

kungen handeln. Das Natürlichste wird sein, das Ma-
terial so schlank herzurichten, wie es sich mit dem An-
spruch an Dauerhaftigkeit verträgt und es entspricht
dem Ideal des Fabrikbetriebes, lauter völlig gleiche
Stäbe für alle Arten von Geräten zu liefern. Höchstens
dürften sie einmal rund und dann wieder kantig sein,
auch ließe es sich wohl denken, daß man der Länge
nach feine Einkerbungen vornähme.

Man gibt also den Vorzug reicherer Abwechselung
auf und tauscht dafür den anderen größerer Leichtigkeit
ein. Und das sowohl im tatsächlichen Sinne als im
Eindruck für das Auge. Das paßt zu der allgemeinen
Tendenz alles modernen Bauens und Konstruierens.
Jedes Ding soll mit geringerem Volumen auskommen. Es
paßt ferner besonders für die modernen Wohnverhält-
nisse, die sich in die Enge zusammendrängen und
das um so mehr tun müssen, je häufiger das Ideal
des Einfamilienhauses erreicht wird mit der notwen-
digen Sparsamkeit des Grundrisses. In kleinen Zim-
mern braucht man zierliche Möbel, die nicht viel
Raum einnehmen und die sich leicht bewegen lassen.
Und diesen Ansprüchen kommt das gebogene Holz
ganz entschieden entgegen.

Es dient ferner dazu, den Kontur jedes daraus
gefertigten Dinges einfach und geschlossen zu ge-
stalten. Es fehlen die vielen freien Endungen, mit
denen die Tischlerei oft gerne gespielt hat. Ehe man
das Holz zerschneidet, wird man sich lieber ent-
schließen, Umwege zu machen, welche hier und da
Ecken ausfüllen. Bei dem Stuhl, den ich vorhin be-
schrieb, dienen die beiden seitlichen Schrägverbin-
dungen dazu, das Auge von dem rechten Winkel
zwischen Sitzfläche und Rücklehne abzulenken.

Noch entschiedener aber werden sich diese Art
von Möbeln von den komplizierteren Konstruktionen
unterscheiden durch die grundsätzliche Ablehnung
jeder Art von Bildhauerarbeit — am Möbel pflegt

man sie Schnitzerei zu nennen. Bei der schlanken
Stabform verbietet sich jeder Versuch derart von selbst.
Es ist nicht Masse noch Fläche da, an denen irgend-
welche Extravaganzen vorgenommen werden könnten.
Außerdem ist jede Schwächung des Materials durch
irgend tiefere Einschnitte unbedingt verboten. Man
hat es ja von vornherein nur so stark gewählt, daß
es allen Anforderungen des Biegens und der Be-
lastung im Gebrauch Widerstand zu leisten vermag.
So wird man sich zu dem Verzicht auf das so be-
liebte Ornament notgedrungen entschließen müssen.
Und auch das ist ein Dienst, den die neue Technik
dem guten Geschmack und somit dem künftigen Stil
unbewußt leistet. Sie wird dadurch helfen, uns von
der banal gewordenen Zierform zu befreien, welche
am Massenfabrikat die Vorzüge des Kunstmöbels
karikierte. Ein Schmuck soll eine Auszeichnung sein
und diese hat nur dann einen Sinn, wenn der ein-
zelne sie für sich allein hat. Darum ist jedes im
Fabrikbetrieb hergestellte Möbel um so geschmack-
voller, je mehr es auf die Art von Schönheit ver-
zichtet, welche als eine Besonderheit bemerkt werden
soll. Darum kann es sehr wohl jene andere Form
der Wohlgefälligkeit besitzen, welche in einem an-
gemessenen Verhältnis der Teile untereinander besteht
und in einer bescheidenen Musterung, die gelegent-
lich hier und da vorgenommen werden kann, soweit
sie durch die Maschine ausführbar ist. Aber gerade
dieser Schönheit steht nichts so sehr entgegen, wie
die sogenannten reich verzierten Geräte. Ihnen könnten
die schlanken, schlichten Arbeiten aus gebogenem
Holz die erfolgreiche Konkurrenz machen, welche
dem Neuen in der Regel leicht wird.

Es ließe sich wohl denken, daß auch diese Technik
ihre eigenen Schmuckmotive fände. Diese könnten
freilich nur in der freiwilligen Wiederholung von
Biegungen bestehen, während an den bisherigen Bei-
 
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