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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Bauernhaus und Arbeiterheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0069

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62

BAUERNHAUS UND ARBEITERHEIM

WELT-
AUSSTELLUNG
ST. LOUIS 1904,
PLUMET UND
SELMERSHEIM,
EINE ECKE IM

FRANZÖSI-
SCHEN HAUSE

falschen Begriff über »Kunst« in die Anfangsgründe.
Ich erinnere mich nur allzu deutlich der Äußerung
eines Dozenten, bei dem ich Kunstgeschichte hörte.
Er ging mit uns Studenten durch die Räume eines
Museums. Der eine und andere blieb bei prähistorischen
Töpfereien stehen, denen man damals die Wichtigkeit
noch nicht beimaß wie heute. Gerade mich inter-
essierten die Formen sowohl als die naive Dekorations-
weise ungemein und ich wandte mich mit einer dies-
bezüglichen Bemerkung an meinen Maestro. »Ach
was, lassen Sie doch diese alten Scherben. Die haben
ja mit der Kunstgeschichte nichts zu tun«, erwiderte
er, »das gehört den Kulturhistorikern, nicht uns.
Sehen Sie sich griechische Vasen an, da haben Sie
was davon.« Daß die einfachste Sprache der Kunst
unter Umständen weit anregender wirken kann als
das letzte, höchste, an dem kein Mensch mehr etwas
weiterbilden kann, war dem Gelehrten sicherlich
nicht klar. Nun — die Zeit liegt ja nicht gar so
entsetzlich weit hinter uns, wo die griechische Tempel-
fassade als Norm für alle architektonischen Gedanken-
äußerungen galt und alles nicht in diesen Regionen
geborene als minderwertig erachtet, ohne Bedauern
dem Verfall überlassen wurde. Was hat die Schwärmerei
für den Hellenismus nicht für schwere Sünden auf
sich geladen! Diese Unglückszeit der nicht zu ver-
meidenden Giebeldreiecke in jeder Fasson, der Säulen

und Pilasterstellungen nach strengsten Beispielen, diese
Zeit der Vernichtung eigener gesunder Tradition!

Behandelt man nun mit Recht als »Kunstgeschichte«
das, was an ganz hervorragenden Monumenten übrig
geblieben ist, allein? Keineswegs, denn die Kunst
hängt ab von der Arbeit eines ganzen Volkes, nicht
aber von einzelnen ganz hervorragenden Kräften, die,
ein Resultat des Allgemein-Könnens, quasi einen Ex-
trakt dessen geben, wofür sich sonst tausend Hände
regen müssen. Es wäre völlig verkehrt, wenn man
die Kultur eines Volkes nach der Wohnungseinrichtung
der Wohlhabenden oder Reichen beurteilen, die Zu-
stände aber völlig außer Acht lassen wollte, die das
Leben des Mittelstandes umgeben und ihm einen ganz
bestimmten Stempel aufdrücken. Man pocht auf das
Wort »Kultur« so sehr, oft in durchaus falscher Auf-
fassung der Begriffe, man bemißt sie nach Erscheinungen,
die mit dazu gehören, allein aber nicht ausschlag-
gebend sind. Man ist z. B. in Deutschland stolz auf
die Bildungsmöglichkeiten, die der Jugend geboten
werden, auf das gründliche Wissen, mit dem viele
Kreise durchtränkt sind, wenn auch dabei nicht gerade
immer die tonangebenden in Betracht gezogen zu
werden brauchen. Gut! Das ist unzweifelhaft ein
wesentlicher Faktor im kulturellen Leben eines Volkes.
Geht man aber auf ein anderes Gebiet, das der
Wohnungsfrage, und sieht hier zu, inwieweit die
 
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