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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Bauernhaus und Arbeiterheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0074

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BAUERNHAUS UND ARBEITERHEIM

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WELTAUSSTELLUNO ST. LOUIS 1904, RAUM VON PROFESSOR M. LAUGER, KARLSRUHE I. B.

schaffen, ohne Aufwand außergewöhnlicher Mittel zu
Resultaten führen kann, deren Wirkung nicht aus-
bleibt. Die Häuser sind ein glänzender Beweis für
die Entwickelung der englischen Baukunst. Seit mehr
denn vierzig Jahren hat sie sich in immer größerem
Maßstabe abgewendet von einer ganzen Reihe konven-
tionell gewordener Anschauungen, die leider in Deutsch-
land noch immer die Oberhand haben, dank der starren
Organisation so vieler Schulen, bei denen die Kenntnis
antiker Säulenordnungen und ähnlicher Dinge weit
höher eingeschätzt wird als die Frage: »Wie baut
man ein Haus, das in erster Linie zum Bewohnen
da ist«!

Die englischen Architekten wissen in Stilfragen
ebenso genauen Bescheid wie die irgendwelcher
anderen Länder, aber sie suchen den Ausdruck der
von ihnen geschaffenen Werke nicht in erster Linie
unter dem Gesichtspunkte der Stilarchitektur zu ent-
wickeln. Das stellt sie hoch, und vermochte unge-
zählten Schöpfungen den Stempel einer nationalen
Eigenart zu geben, die sich an deutschen Bauten nur
in höchst vereinzelten Fällen zu erkennen gibt. Sie
sind unbefangen, während uns das akademische Wesen
wie ein Bleigewicht an den Füßen hängt. Sie haben
es verstanden, aus älteren Vorbildern, unter voller
Wahrung der heutigen Forderungen, das heraus zu

schälen, was gut und vernünftig ist. Der Streit darum,
was modern sei, dreht sich nicht um die Anwendung
von ein paar Ornamenten, die anders aussehen als
gotische oder Renaissancevorbilder. Sie suchen viel-
mehr dem Ganzen jenen Ausdruck zu geben, der
unserer Zeit entspricht, stehen aber keinen Augenblick
an »altvaterisch« zu erscheinen, wo ihnen das Alte
zweckdienlich, der Wohnlichkeit förderlich erscheint.
Nicht die Anwendung der auswendig gelernten Formel
beherrscht sie, sondern die freie Wahl dessen, was
für jeden Fall passend erscheint, gleichviel ob das
nun im Geiste älterer Vorbilder liegt oder neu er-
funden, neu in der Anwendung ist. Ihre Bauge-
staltung beruht nicht auf Anleihen, sondern auf der
Befriedigung von Forderungen. Sie wissen, was für
ihr Klima, was für ihre Landschaft, was vor allen
Dingen für Haushaltungsführung von jedem Zuschnitte
paßt und entwickeln ihr Bauprogramm unter diesen
Gesichtspunkten, die ihren innersten Kern im Aufbau,
in der Gestaltung des Lebens selbst haben, nicht aber
in irgend einer auftauchenden und wechselnden Ge-
schmacksrichtung oder Mode.

Fast überall sind die genannten englischen Ar-
beiterwohnungsanlagen in Gruppenbauten von zwei,
drei, vier, fünf ja sechs aneinanderstoßenden Häusern
zusammengezogen, aber man hütete sich wohl, das
 
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