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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Bauernhaus und Arbeiterheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0078

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BAUERNHAUS UND ARBEITERHEIM

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WELTAUSSTELLUNG ST. LOUIS 1904, WAND IM AUSSTELLUNGSRAUM DES BADISCHEN KUNSTGEWERBES

Erscheinung zu erzeugen? Das Bauernhaus hat
nirgends die Form eines ungegliederten Kastens, das
Arbeiterhaus dagegen fast überall und nur die Natur,
die Bäume, Schlinggewächse vor solch öden Maurer-
kunststücken erscheinen läßt und das geschmacklose
Menschenwerk überspinnt, greift korrigierend manch-
mal ein. Die Haustüre, der Gartenzaun, das Dach-
fenster, der Schornstein, alles alles läßt sich unter
Verausgabung der gleichen Mittel und ohne irgend-
welche ornamentalen Beigaben unnützer Art gleich-
zeitig zweckdienlich und ästhetisch gestalten. Freilich,
so lange das durchaus verwerfliche System der Sub-
missionen bei Vergebung solcher Arbeiten eingehalten
wird und jedes menschlich erzieherische Moment
gegenüber dem möglichst billigen Angebot in den
Hintergrund zu treten hat, so lange wird das Arbeiter-
haus sich nicht zu dem entwickeln, was es sein kann,
sein muß. Das Haus, in dem der Mensch wohnt,
wirkt mindestens ebenso stark auf ihn wie die Schule,
von der man in erster Linie die Heranziehung brauch-
barer Arbeiterelemente erwartet. Vermag sich bei
dieser die Anschauung allmählich, wenn auch langsam
Bahn zu brechen, daß mit dem Eintrichtern allein

der Zweck des Unterrichtes nicht erreicht wird, daß
vielmehr die Bildung der Anschauung ein gewichtiges
Wort mitzureden hat, so ist es nur logisch, dem
nämlichen Prinzip auch jenen gegenüber zum Durch-
bruche zu verhelfen, die nicht bloß brauchbare Arbeits-
kräfte sondern auch Menschen sind. Ihnen soll die
Sonne nicht bloß zur Tätigkeit leuchten, sie soll auch
ihre Wohnräume durchfluten und den Sinn für Dinge
großziehen, die außerhalb des immer gleichen Kreis-
laufes der alltäglichen Beschäftigung liegen. Die
Wohnungsenqueten, die in verschiedenen Städten seit
einer Reihe von Jahren angestellt worden sind, haben
zum Teil haarsträubende Resultate zutage gefördert,
nicht bloß in jenen ärmlichen Bauten, denen man
schon von außen ansieht, was für Zustände sie im
Innern bergen, sondern auch bei Gebäuden, die sich
mit einer vielversprechenden Ummantelung versehen
zeigen. Unter diesen Verhältnissen leidet der Arbeiter
in erster Linie. Freilich spricht dabei ein Umstand
wesentlich mit: die Massenansammlung von Minder-
bemittelten in den Großstädten, bei denen Groß-
betriebe auf relativ engem Räume zusammengedrängt
stehen. Die völlig dem Belieben gewissenloser Spe-

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