DIE AUSSTELLUNG VON THÜRINGER PORZELLANEN IM GRASSIMUSEUM ZU LEIPZIG 85
durchzieht, seit den sech-
ziger Jahren die Fabri-
ken aneinander. Ihre
Betriebe sind damals
natürlich nur klein, aber
sie haben sich tapfer im
Konkurrenzkampf gegen-
einander und gegen die
großen in der Ferne ge-
halten und existieren
neben den zahlreichen
Neugründungen unserer
Zeit zum Teil noch
heute.
Die Gründe für die
eigenartige Erscheinung,
daß gerade hier im damals
noch recht unwirtlichen
Thüringer Walde eine so ausgedehnte Industrie mit
solcher Zähigkeit sich festsetzte, sind mehrere. Zu-
nächst lockte der Holzreichtum des unermeßlichen
Waldgebietes, gerade wie heute die
Steinkohlengegenden, diese wie jede
in erster Linie auf die Feuerskraft
angewiesene Industrie in seine Nähe.
Vor den Porzellanmanufakturen waren
daher schon die Glashütten in die
stillen Täler hier eingezogen. Es
kamen für den zur Bearbeitung der
Massen nötigen Mühlenbetrieb die
fließenden Bergwässer hinzu. Geo-
graphisch aber war Thüringen das
Herz Deutschlands, der Absatz darum
nach allen Seiten gleich weit zu er-
hoffen. Vor allem aber bot in poli-
tischer Beziehung die Kleinstaaterei, die
die topographische Zerrissenheit des
Landes so stark begünstigte und sich
ja hier bis auf den heutigen Tag er-
halten hat, wie nirgendwo sonst wieder in Deutsch-
land, die Möglichkeit zu immer neuen priveligierten
und 'monopolisierten Fabriken, indem ein jedes Land,
ein jeder Fürst hoffte, gerade durch seine Fabrik die
großen Einnahmen zu erhalten, die man damals ganz
allgemein und mit merkwürdiger Sicherheit von der-
artigen Unternehmungen erhoffte.
Daß unter diesen Umständen die einzelnen Be-
triebe klein einsetzten, ist kein Wunder. Dafür jedoch
zeigt die Ausstellung in überraschender Weise, daß
der künstlerische Ehrgeiz vielfach durchaus hoch ging.
Das Porzellan galt damals ganz allgemein als Kunst-
produkt. Als reines Luxusobjekt und Kuriosum, als
welches es zunächst aus China, dann auch aus Japan
nach Europa gelangt war, hafte es sich allmählich
mehr und mehr zum wirklichen Gebrauchsobjekte ent-
wickelt, dabei sich jedoch in keiner Weise gemein
gemacht, vielmehr durchaus den feineren Bedürf-
nissen des Lebens angepaßt, wie sie namentlich durch
das um diese Zeit aufkommende Tee- und Kaffee-
trinken sich darstellten. Dies Streben beherrschte alle
Fabriken des 18. Jahrhunderts, das war auch für das
TÖPFEREIEN VON PROFESSOR
M. LÄUOER, KARLSRUHE
Thüringer Porzellan zunächst das Selbstverständliche.
Nach Kräften strengten sich alle Fabriken, die hier
den Reigen begannen, an, ein wirklich künstlerisches
Niveau zu erreichen und auch zu halten. Doch ein
tragischer Zug geht durch dies ganze Streben: Einige
Fabriken erreichen eine gewisse künstlerische Höhe,
bleiben dann aber stehen und sinken wieder zu
erschrecklicher Tiefe herab, andere ringen verzweifelt
nach solchen Zielen, scheinen aber nicht über Experi-
mente hinauszukommen. Der Schluß ist überall ziem-
lich derselbe: aus dem Streben nach Qualitätsartikeln
wird unter dem Druck der schon im eigenen Lande
so vermehrten Konkurrenz ein Streben nach Massen-
erzeugung, damit nach Demokratisierung des einstigen
Luxusproduktes, und damit hat das Thüringer Por-
zellan sich das eigenartige Verdienst erworben, diesen
Stoff jenen Charakter verliehen zu haben, den es dann
für das ganze ig. Jahrhundert vorzugsweise bewahrt
und auch heute leider noch nicht wieder aufgegeben
hat, indem aus einer wirklichen Porzellankunst eine
bloße Porzellanindustrie geworden ist. Thüringen
selber geht auf diesem Wege ja immer
noch mit dem besten Beispiele voran.
Noch heute wendet es sich vor allem
an den Geschmack der großen Mas-
sen, da es fast ausschließlich Ge-
brauchsartikel und wohlfeile Nipp-
sachen namentlich plastischer Natur
herstellt, um damit nicht bloß Deutsch-
land, sondern dank einem kräftigen
Exporthandel auch das Ausland zu
beglücken. Noch heute horcht es auf
die Stimmungen und Launen der Zeit,
und wie man hier in einem Jahr den
Exkanzler Bismarck zu Tausenden in
Porzellan umsetzt, so in einem anderen
den Exkapitän Dreyfus. Es ist ja nicht
seine Schuld, wenn es Menschen gibt,
die so etwas für Kunst halten,
demokratisierende Seite des Thüringer Por-
natürlich, da
nichts mehr
Diese
zellans ist
sie mit Kunst
zu tun hat, vielmehr schon
ganz ins Gebiet der Kultur-
geschichte gehört, auf dieser
Ausstellung möglichst bei-
seite gelassen und nur durch
einige charakteristische Pro-
ben vertreten. Dennoch
merkt man hier selbst bei
den besseren Porzellanen
das bewußte Streben, sich
den allgemeineren Nei-
gungen der Zeit anzupassen.
Im Louis' XVI.-Stil wird
namentlich der Sentimen-
talität dieser Zeit kräftigst
gehuldigt, wenn man
Ruinenlandschaften gerade-
zu zu einem für das Thü-
ringer Porzellan charakte-
durchzieht, seit den sech-
ziger Jahren die Fabri-
ken aneinander. Ihre
Betriebe sind damals
natürlich nur klein, aber
sie haben sich tapfer im
Konkurrenzkampf gegen-
einander und gegen die
großen in der Ferne ge-
halten und existieren
neben den zahlreichen
Neugründungen unserer
Zeit zum Teil noch
heute.
Die Gründe für die
eigenartige Erscheinung,
daß gerade hier im damals
noch recht unwirtlichen
Thüringer Walde eine so ausgedehnte Industrie mit
solcher Zähigkeit sich festsetzte, sind mehrere. Zu-
nächst lockte der Holzreichtum des unermeßlichen
Waldgebietes, gerade wie heute die
Steinkohlengegenden, diese wie jede
in erster Linie auf die Feuerskraft
angewiesene Industrie in seine Nähe.
Vor den Porzellanmanufakturen waren
daher schon die Glashütten in die
stillen Täler hier eingezogen. Es
kamen für den zur Bearbeitung der
Massen nötigen Mühlenbetrieb die
fließenden Bergwässer hinzu. Geo-
graphisch aber war Thüringen das
Herz Deutschlands, der Absatz darum
nach allen Seiten gleich weit zu er-
hoffen. Vor allem aber bot in poli-
tischer Beziehung die Kleinstaaterei, die
die topographische Zerrissenheit des
Landes so stark begünstigte und sich
ja hier bis auf den heutigen Tag er-
halten hat, wie nirgendwo sonst wieder in Deutsch-
land, die Möglichkeit zu immer neuen priveligierten
und 'monopolisierten Fabriken, indem ein jedes Land,
ein jeder Fürst hoffte, gerade durch seine Fabrik die
großen Einnahmen zu erhalten, die man damals ganz
allgemein und mit merkwürdiger Sicherheit von der-
artigen Unternehmungen erhoffte.
Daß unter diesen Umständen die einzelnen Be-
triebe klein einsetzten, ist kein Wunder. Dafür jedoch
zeigt die Ausstellung in überraschender Weise, daß
der künstlerische Ehrgeiz vielfach durchaus hoch ging.
Das Porzellan galt damals ganz allgemein als Kunst-
produkt. Als reines Luxusobjekt und Kuriosum, als
welches es zunächst aus China, dann auch aus Japan
nach Europa gelangt war, hafte es sich allmählich
mehr und mehr zum wirklichen Gebrauchsobjekte ent-
wickelt, dabei sich jedoch in keiner Weise gemein
gemacht, vielmehr durchaus den feineren Bedürf-
nissen des Lebens angepaßt, wie sie namentlich durch
das um diese Zeit aufkommende Tee- und Kaffee-
trinken sich darstellten. Dies Streben beherrschte alle
Fabriken des 18. Jahrhunderts, das war auch für das
TÖPFEREIEN VON PROFESSOR
M. LÄUOER, KARLSRUHE
Thüringer Porzellan zunächst das Selbstverständliche.
Nach Kräften strengten sich alle Fabriken, die hier
den Reigen begannen, an, ein wirklich künstlerisches
Niveau zu erreichen und auch zu halten. Doch ein
tragischer Zug geht durch dies ganze Streben: Einige
Fabriken erreichen eine gewisse künstlerische Höhe,
bleiben dann aber stehen und sinken wieder zu
erschrecklicher Tiefe herab, andere ringen verzweifelt
nach solchen Zielen, scheinen aber nicht über Experi-
mente hinauszukommen. Der Schluß ist überall ziem-
lich derselbe: aus dem Streben nach Qualitätsartikeln
wird unter dem Druck der schon im eigenen Lande
so vermehrten Konkurrenz ein Streben nach Massen-
erzeugung, damit nach Demokratisierung des einstigen
Luxusproduktes, und damit hat das Thüringer Por-
zellan sich das eigenartige Verdienst erworben, diesen
Stoff jenen Charakter verliehen zu haben, den es dann
für das ganze ig. Jahrhundert vorzugsweise bewahrt
und auch heute leider noch nicht wieder aufgegeben
hat, indem aus einer wirklichen Porzellankunst eine
bloße Porzellanindustrie geworden ist. Thüringen
selber geht auf diesem Wege ja immer
noch mit dem besten Beispiele voran.
Noch heute wendet es sich vor allem
an den Geschmack der großen Mas-
sen, da es fast ausschließlich Ge-
brauchsartikel und wohlfeile Nipp-
sachen namentlich plastischer Natur
herstellt, um damit nicht bloß Deutsch-
land, sondern dank einem kräftigen
Exporthandel auch das Ausland zu
beglücken. Noch heute horcht es auf
die Stimmungen und Launen der Zeit,
und wie man hier in einem Jahr den
Exkanzler Bismarck zu Tausenden in
Porzellan umsetzt, so in einem anderen
den Exkapitän Dreyfus. Es ist ja nicht
seine Schuld, wenn es Menschen gibt,
die so etwas für Kunst halten,
demokratisierende Seite des Thüringer Por-
natürlich, da
nichts mehr
Diese
zellans ist
sie mit Kunst
zu tun hat, vielmehr schon
ganz ins Gebiet der Kultur-
geschichte gehört, auf dieser
Ausstellung möglichst bei-
seite gelassen und nur durch
einige charakteristische Pro-
ben vertreten. Dennoch
merkt man hier selbst bei
den besseren Porzellanen
das bewußte Streben, sich
den allgemeineren Nei-
gungen der Zeit anzupassen.
Im Louis' XVI.-Stil wird
namentlich der Sentimen-
talität dieser Zeit kräftigst
gehuldigt, wenn man
Ruinenlandschaften gerade-
zu zu einem für das Thü-
ringer Porzellan charakte-