86 DIE AUSSTELLUNG VON THÜRINGER PORZELLANEN IM GRASSIMUSEUM ZU LEIPZIG
ristischen Typus gestaltet, daneben auch reichlich In-
schriften, Sprüche und dergleichen anbringt. Seit dem
nüchternen Empire jedoch weicht die Gefühlsseligkeit
der Gegenständlichkeit und nun entstehen jene Erinne-
rungs- und Geschenktassen mit Porträts und Ansichten
wie sie die ganze damalige Zeit liebte, gleichfalls in
ganz ungewohnter Fülle. Ein Mittel aber das Por-
zellan durch Wohlfeilheit zu popularisieren, ist in dieser
Zeit die für Thüringen ganz besonders charakteristische
Malerei in einer Farbe, die denkbar einfachste, schnellste
und auch in Brennöfen am wenigsten riskante; sie
ist aber zugleich auch ein Hauptmittel zur Verrohung
gewesen: eine einzige Farbe, und diese möglichst
schreiend und roh hingestrichen, das war vielfach
die ultima ratio, mit der man die unteren Kreise für
das Porzellan zu gewinnen hoffte.
Durchaus überraschend dagegen ist die relative
künstlerische Selbständigkeit dieser Fabriken in ihrer
Blütezeit. Hier ist kein wohlfeiles Entnehmen von
dem, was außerhalb Thüringens gemacht wird. Zwar
der allgemeine Grundton
ward für sie, wie ja auch
für die großen Fabriken
des In- und selbst des
Auslandes durch die füh-
renden Institute der Zeit
angegeben: bis zum letzten
Drittel des 18. Jahrhun-
derts durch die Manufaktur
von Meißen, dann durch
die von Sevres und vor
allem von Wien. Aber
innerhalb dieser Grenzen,
die gleichsam allgemeine
Stilgrenzen der Zeit sind,
entwickelt sich auch in
diesem abgelegenen und
zerrissenen Lande vielfach
eine künstlerische Selb-
ständigkeit, eine Regsam-
keit der Phantasie, die
billig in Erstaunen setzt.
Die Thüringer Fabriken
haben, wenn das hier ge-
gebene Bild richtig ist,
weniger entlehnt und ge-
stohlen, als manche Fabrik
von weit klangvollerem
Namen. Das ist ein Zei-
chen der künstlerischen
Regsamkeit und Frucht-
barkeit dieser Zeit in un-
serem Vaterland, die bis-
her noch viel zu wenig
beachtet, auf keinem Ge-
biet jedoch so sehr znm
Durchbruch gelangt sind
und auch gelangen konn-
ten, wie gerade auf dem Ge-
biet des Porzellans. Denn
diese Kunst des Porzellans
PROF. M. LAUGER, KARLSRUHE, WANDBRUNNEN
IN FAYENCE MIT GLASMOSAIKEINLAGEN
war ein ganz neues, noch völlig unbesetztes und vor
allem in Deutschland begründetes Gebiet der Kunst,
in dem sich daher die Phantasie noch mit aller Frei-
heit und Unbefangenheit bewegen konnte, indes auf
den anderen Gebieten der Kunst Tradition, Vorurteile
und gute Vorbilder einer freieren Bewegung durch-
aus hindernd im Wege standen. Das Porzellan hat
die deutsche Kunst des 18. Jahrhunderts gerettet.
Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich,
daß dank dem reichen Material, das hier für mehrere
der Thüringer Fabriken vorliegt, ihren Erzeugnissen
gegenüber ebenso wie der Eindruck des Minder-
wertigen, so auch der des Gleichförmigen künftig für
uns schwinden wird. Mehrere Fabriken haben durch-
aus Charakter erhalten, zeitlichen, wie künstlerischen.
Ersterer hängt davon ab, wann die Fabrik begründet
worden ist und ihre höchste Blüte erreicht hat, letz-
terer wer ihr Begründer war. Hinsichtlich des ersteren
entdeckt man, daß es Fabriken gab mit ausgesprochenem
Rokoko-, resp. Louis' XVI.-Charakter, hinsichtlich des
letzteren macht man bald
die interessante Beobach-
tung, daß, je näher eine
Fabrik einem der Höfe
dieser vielen kleinen Staa-
ten stand, desto delikater
und feiner sich auch ihr
Geschmack entwickelt hat.
Das Porzellan ist im 18.
Jahrhundert ja nicht bloß
eine feinere Kunst ge-
wesen, es war auch viel-
fach eine ausgesprochene
Hofkunst. Die meisten
Porzellanfabriken waren
in den Händen regieren-
der Fürsten, nicht der ge-
ringste Teil ihrer Tätig-
keit galt der Befriedigung
ihrerWünscheund Launen,
und es ist daher auch
kein Zufall, daß in Thü-
ringen gerade in jenen
Fabriken das Porzellan
seinen feineren Charakter
verliert und sich demo-
kratisiert, die von Privat-
unternehmern gegründet
und geleitet wurden.
Zu den ersten Fabri-
ken, die sich im Thü-
ringer Walde niederließen,
gehört die vor 1760
von dem ehemaligen
Theologen Macheleid ge-
gründete Fabrik zu Volk-
stedt bei Rudolstadt. Sie
hat, wie die Ausstellung
ristischen Typus gestaltet, daneben auch reichlich In-
schriften, Sprüche und dergleichen anbringt. Seit dem
nüchternen Empire jedoch weicht die Gefühlsseligkeit
der Gegenständlichkeit und nun entstehen jene Erinne-
rungs- und Geschenktassen mit Porträts und Ansichten
wie sie die ganze damalige Zeit liebte, gleichfalls in
ganz ungewohnter Fülle. Ein Mittel aber das Por-
zellan durch Wohlfeilheit zu popularisieren, ist in dieser
Zeit die für Thüringen ganz besonders charakteristische
Malerei in einer Farbe, die denkbar einfachste, schnellste
und auch in Brennöfen am wenigsten riskante; sie
ist aber zugleich auch ein Hauptmittel zur Verrohung
gewesen: eine einzige Farbe, und diese möglichst
schreiend und roh hingestrichen, das war vielfach
die ultima ratio, mit der man die unteren Kreise für
das Porzellan zu gewinnen hoffte.
Durchaus überraschend dagegen ist die relative
künstlerische Selbständigkeit dieser Fabriken in ihrer
Blütezeit. Hier ist kein wohlfeiles Entnehmen von
dem, was außerhalb Thüringens gemacht wird. Zwar
der allgemeine Grundton
ward für sie, wie ja auch
für die großen Fabriken
des In- und selbst des
Auslandes durch die füh-
renden Institute der Zeit
angegeben: bis zum letzten
Drittel des 18. Jahrhun-
derts durch die Manufaktur
von Meißen, dann durch
die von Sevres und vor
allem von Wien. Aber
innerhalb dieser Grenzen,
die gleichsam allgemeine
Stilgrenzen der Zeit sind,
entwickelt sich auch in
diesem abgelegenen und
zerrissenen Lande vielfach
eine künstlerische Selb-
ständigkeit, eine Regsam-
keit der Phantasie, die
billig in Erstaunen setzt.
Die Thüringer Fabriken
haben, wenn das hier ge-
gebene Bild richtig ist,
weniger entlehnt und ge-
stohlen, als manche Fabrik
von weit klangvollerem
Namen. Das ist ein Zei-
chen der künstlerischen
Regsamkeit und Frucht-
barkeit dieser Zeit in un-
serem Vaterland, die bis-
her noch viel zu wenig
beachtet, auf keinem Ge-
biet jedoch so sehr znm
Durchbruch gelangt sind
und auch gelangen konn-
ten, wie gerade auf dem Ge-
biet des Porzellans. Denn
diese Kunst des Porzellans
PROF. M. LAUGER, KARLSRUHE, WANDBRUNNEN
IN FAYENCE MIT GLASMOSAIKEINLAGEN
war ein ganz neues, noch völlig unbesetztes und vor
allem in Deutschland begründetes Gebiet der Kunst,
in dem sich daher die Phantasie noch mit aller Frei-
heit und Unbefangenheit bewegen konnte, indes auf
den anderen Gebieten der Kunst Tradition, Vorurteile
und gute Vorbilder einer freieren Bewegung durch-
aus hindernd im Wege standen. Das Porzellan hat
die deutsche Kunst des 18. Jahrhunderts gerettet.
Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich,
daß dank dem reichen Material, das hier für mehrere
der Thüringer Fabriken vorliegt, ihren Erzeugnissen
gegenüber ebenso wie der Eindruck des Minder-
wertigen, so auch der des Gleichförmigen künftig für
uns schwinden wird. Mehrere Fabriken haben durch-
aus Charakter erhalten, zeitlichen, wie künstlerischen.
Ersterer hängt davon ab, wann die Fabrik begründet
worden ist und ihre höchste Blüte erreicht hat, letz-
terer wer ihr Begründer war. Hinsichtlich des ersteren
entdeckt man, daß es Fabriken gab mit ausgesprochenem
Rokoko-, resp. Louis' XVI.-Charakter, hinsichtlich des
letzteren macht man bald
die interessante Beobach-
tung, daß, je näher eine
Fabrik einem der Höfe
dieser vielen kleinen Staa-
ten stand, desto delikater
und feiner sich auch ihr
Geschmack entwickelt hat.
Das Porzellan ist im 18.
Jahrhundert ja nicht bloß
eine feinere Kunst ge-
wesen, es war auch viel-
fach eine ausgesprochene
Hofkunst. Die meisten
Porzellanfabriken waren
in den Händen regieren-
der Fürsten, nicht der ge-
ringste Teil ihrer Tätig-
keit galt der Befriedigung
ihrerWünscheund Launen,
und es ist daher auch
kein Zufall, daß in Thü-
ringen gerade in jenen
Fabriken das Porzellan
seinen feineren Charakter
verliert und sich demo-
kratisiert, die von Privat-
unternehmern gegründet
und geleitet wurden.
Zu den ersten Fabri-
ken, die sich im Thü-
ringer Walde niederließen,
gehört die vor 1760
von dem ehemaligen
Theologen Macheleid ge-
gründete Fabrik zu Volk-
stedt bei Rudolstadt. Sie
hat, wie die Ausstellung