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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0105

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KLEINE MITTEILUNGEN

sondern stets nur mit Rücksicht auf die Vorstellungen,
welche durch sie gebildet und befestigt werden. Dazu
bedürfe es der fortwährenden Beschäftigung der Kinder
mit der Natur, mit Sachen, Pflanzen, Tieren usw. und
nicht mit Abstraktionen derselben, wie Vorlagen, Orna-
menten. Um die Hand leichter zu befähigen, jede
aufgefaßte Form wiederzugeben, lassen die Hamburger
wirkliche Gegenstände oder an Gegenständen auf-
gefaßte Grundformen durch das Modellieren, die
Freiarm- und Malübungen nachbilden. Zur sicheren
Befestigung der Vorstellungen und zur Kontrolle,
wie weit dieselben haften geblieben sind, dient das
Gedächtniszeichnen. Mit den aufgestellten Grund-
sätzen kann man nur ein-
verstanden sein, nicht so
ganz aber mit allen Einzel-
ausführungen. Wenn z. B.
verlangt wird, daß die Be-
leuchtungserscheinungen vor
dem perspektivischen Sehen
beobachtet und mit Benützung
entsprechender körperlicher
Gegenstände dargestellt wer-
den sollen, so entspricht
dieser Gang sicher nicht der
Entwickelung der Auffas-
sungskraft unserer Schüler.
Diese zeigen viel früher Sinn
für die Form an sich, als

KUNSTGEWERBEMUSEUM

FLENSBURG, WOHN-
ZIMMER AUS DEM DORFE
WESTERBÜTTEL, KREIS
SUDER-DITHMARSCHEN
1792

KUNSTGEWERBEMUSEUM
FLENSBURG, PESEL AUS
DER WILSTERMARSCH

1781

für ihre malerische Erschei-
nung. Methodisch ist es
auch gar nicht zu rechtfer-
tigen, einen ausgestopften
Vogel z. B. vor einem ein-
fachen prismatischen Kästchen
zeichnen zu lassen in der Mei-
nung, daß der Schüler bei
jenem Gebilde alle Aufmerk-
samkeit auf die Beleuchtungs-
erscheinung wenden könne.
Bevor ein Kind Worte spre-
chen kann, darf man eine
gute Betonung von ihm nicht verlangen. Man ge-
winnt überhaupt den Eindruck, daß die meisten
Reformer, die malerische Seite der Darstellung zu
sehr hervorkehren, wobei die Erziehung zum genauen
Sehen und die klare Formauffassung notleiden muß.
Auch mit dem vom Ausland importierten Illustrieren von
Geschichten wird man hoffentlich nicht lange mehr
die kostbare Schulzeit vertändeln. — Im vorliegenden
Werkchen sind sodann die ornamentalen Kompositionen
zu schematisch und lassen den geforderten Zusam-
menhang mit der Natur vermissen. Abgesehen von
solchen kleinen Mängeln ist dasselbe recht beachtens-
wert. M.
 
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