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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Nordische Freiluft-Museen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0112

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NORDISCHE FREILUFT-MUSEEN

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SKANSEN, SLOGBODEN

den Kreis der Dinge, die man der Nachwelt als
immerfort sprechendes Zeugnis bestimmter Entwicke-
lungsepochen überliefert. Diesen Zweck verfolgten
die im Laufe der letzten vierzig Jahre zahlreich ent-
standenen Museen allerdings, aber, wie schon dargefan,
nicht immer in zweckentsprechender Weise. Was nicht
Patina hatte, war von dieser Fürsorge ausgeschlossen.
In Skandinavien hat man sich nicht gescheut, die
richtige Konsequenz zu ziehen. Dort allerdings drohte
unter den Wirkungen völlig veränderter Anschauungen
die Vernichtung einer eigenartigen, lange Zeit hin-
durch kaum berührten Kultur, deren sichtliche Zeugen
über eine Reihe wohlerhaltener Zwischenstufen zurück-
reichen bis ins Alter sagenhaft gewordener Ereignisse.
Salin sagt in seinem Buche über die altgermanische
Tierornamentik »Große, kostbare und seltene Gegen-
stände eignen sich weniger für eine Untersuchung,
die darauf ausgeht, dem nationalen Stilgefühl auf
die Spur zu kommen und zwar einesteils weil ihrer
zu wenige sind und deshalb der Zufall leicht mit-
spielt, andernteils weil es nicht immer sicher ist,
daß solche Kostbarkeiten von einheimischen Künst-
lern gefertigt sind. Dahingegen bieten die täglichen
Gebrauchsgegenstände ein gutes Material für das
Studium nationaler Eigenart, die vielleicht nirgends
so charakteristisch zutage tritt, wie in der Ornamentik.«
... »Da gilt es vor allem, sich an solche Pro-
dukte des Kunstgewerbes zu halten, die zum täg-
lichen Gebrauche gehören und infolgedessen massen-
haft vorhanden sind.« Gleiches gilt vom Hause.
Das Charakteristische der Bauweise eines Volkes, eines
Landstriches wird sich in den hochentwickelten Ge-
bilden weit weniger zu erkennen geben als in jenen,
die meist ohne Beiziehung berühmter Kräfte, vielmehr
aus Zweckmäßigkeitsgründen entstanden. Ihnen liegt
ein natürlicher Entwickelungsprozeß zugrunde; die
Frage des schmückenden Beiwerks tritt erst in zweiter
Linie auf, bleibt aber ohne Belang auf die ganze An-
lage. Wo es eine Rolle spielt, da ordnet es sich

der Gesamtanlage und Erscheinung unter.
Handelte es sich also darum, bezeichnende
bauliche Beispiele früherer Zeiten vor
Zerstörung zu bewahren, so kam das
einzelne Zierelement daran weit weniger
in Betracht als die Festhaltung des Kultur-
ausdruckes der im Ganzen liegt. Mensch-
heitsentwickelung und bauliche Leistung
stehen immer auf gleicher Höhe.

Das zu begreifen, bedurfte es einer
Kraft, die über den ins Ungemessene
gewachsenen Umwandlungen der Zeit
nicht alles übrige zu sehen vergaß und
bestrebt war, neben dem Bilde, was die
Neuzeit bietet, jenes festzuhalten, auf dem
sie fußt.

Diese Kraft war für Schweden Arthur
Hazelius. Bevor auf Details der in Frage
kommenden Museen eingegangen wird, sei
in Kürze berührt, was dieser Feuergeist im
Laufe kurzer Zeit alles geschaffen, was er
alles gerettet hat im Interesse späterer Genera-
tionen. Ihnen erst wird der volle Wert dessen begreiflich
sein, was von alten Kulturprodukten nicht allein zu-
sammengetragen, sondern in Zusammenhang gebracht
wurde. Wollte man gleicherweise heute in Deutsch-
land, in Österreich, in der Schweiz zu sammeln be-
ginnen, so dürften sich bereits namhafte Lücken er-
geben. Überall ist eine Menge von Dingen ver-
schwunden, die, weil sie nicht mehr zu den wesent-
lich veränderten Forderungen der Neuzeit im Ein-
klänge standen, als wertlos beiseite geworfen wurden.
Was würden künftige Zeiten aber um Dinge geben,
die vielleicht nur aus Beschreibungen rekonstruierbar
sind — was eine wieder erstehende Kultur um die
sprechenden Zeugen einer vergangenen!

Hazelius ist 1833 in Stockholm geboren, 1891
daselbst gestorben. Er studierte philosophische Fächer
und wurde durch die Beschäftigung mit der eigenen
Literatur näher mit manchem bekannt, als es
anderen beschieden ist, die zwar ihr heimatliches
Idiom sprechen und schreiben, ohne sich jedoch
weitergehende Gedanken über die Sprache als Aus-
drucksmittel der Kultur zu machen. Die Entwicke-
lungszeit, die aus dem Jüngling den Mann macht, fiel
bei Hazelius zusammen mit dem Eintritt stark fühlbarer
Zeichen eines kulturellen Umschwunges, wie er etwa
um die Mitte des ig. Jahrhunderts einsetzte. Hazelius
sah das Zurückgehen von unzähligen Dingen, die in-
folge der lange Zeit geringen Berührung der skandi-
navischen Länder mit der übrigen, auch wie aus dem
Schlaf erwachenden Welt sich unverändert erhalten
hatten. Er begriff, was dabei alles auf dem Spiele
stand.

Was bisher im Hause, durch den »Hausfleiß«
entstanden war, kam in neuer Form und weit billiger,
als Fabrikware, bis in die entlegenen Hochtäler des
Nordens. Damit hörte die häusliche Industrie auf,
der Webstuhl stand still, das Schnitzmesser ruhte, die
Eigentümlichkeiten, wodurch sich einzelne Landesteile
von anderen im Bau der Häuser, im Schmucke des
 
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