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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Nordische Freiluft-Museen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0123

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n6

NORDISCHE FREILUFT-MUSEEN

SKANSEN, STEIN MIT
EINGRAVIERTEM
ORNAMENT UND
RUNENINSCHRIFT

AUS

HÄQERSTALMID.

HÖHE 2,40 METER

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lich klar werden. Mit dem Moment, wo die erzäh-
lende, also die Darstellung der Handlung zum Bedürfnis
wurde, reichte die Kunstfertigkeit des häuslichen Webers
nicht mehr ganz aus. Malereien wurden außerdem
rascher hergestellt, waren zweifellos auch weit billiger.
Der Pinsel trat an die Stelle der textilen Arbeit. So-
lange der Maler nun den Charakter der letzteren einhielt,
bleibt diesen urwüchsigen, oft auch außerordentlich
humorvollen Schöpfungen der Reiz des volkstümlich
Derben gewahrt. Von dem Moment an jedoch, wo er
nicht mehr Flächendekorateur war, ihm vielmehr ein
böser Geist das Wort von »hoher Kunst« ins Ohr ge-
flüstert hatte, hört aller originelle Reiz auf. Die Abwei-
chung von ganz bestimmt vorgezeichneten Grenzen
führt zum Fiasko. Anders verhält es sich in der Ent-
wickelung des Ornamentes: An Stelle des germanischen,
altgewohnten, an der oberen Grenze der Entwicke-
lung angekommenen Ziermotivs tritt seit dem Be-
ginne des 17. Jahrhunderts der Einfluß der Renaissance,

die, zumal in Norwegen, das vorhandene, hochent-
wickelte handwerkliche Können in durchaus neue
Bahnen leitete und einen ganz ungewöhnlichen Auf-
schwung nach sich zog. Neben manch neuem Typus
bestehen indes ältere weifer bis an die Grenze der
Neuzeit. Darin unterscheidet sich gerade die Volks-
kunst von der »hohen« Kunst. Letztere zeigt in
ihren verschiedenen Phasen meist einen viel rascheren
Wechsel bei der Aufnahme neuer Elemente, als es
bei der anderen der Fall ist. Die Scholle gebiert
das hartnäckigere Element, weil hier nicht die freie
Wahl der Form entscheidend ist, wie in den höheren
Gesellschaftsschichten. Der Boden und alles, was
mit ihm an Lebensbedingungen zusammenhängt,
macht den Wechsel schwerer. Was aber unter solch
langsamem Fortschreiten sich vervollkommnet, be-
sitzt Eigenschaften, die dem Produkte der höheren
Kultur nicht immer eigen sind. So hat das Bauern-
haus, steht es nun in Skandinavien, in der Schweiz
oder sonstwo, keinen »Stil«. Er macht sich nur am
Detail bemerkbar. In der Anordnung, im Aufbau
aber herrscht die Erscheinung vor, welche durch das
Baumaterial und andere zwingende Gründe geboten er-
scheint. Die dekorative Form wird nicht in dem Maße
zur Fessel wie da, wo sie zuungunsten wichtigerer
Faktoren des Hausbaues in Frage kommt. Das ist
leider heute beim weitaus größten Teile der Bauten
bürgerlichen Charakters der Fall. Die ausschlag-
gebenden Erfordernisse der räumlichen Entwicklung
sind mehr und mehr in den Hintergrund getreten
einer durchaus falschen Anwendung von Monumental-
motiven gegenüber, die mit dem bürgerlichen Haus-
bau rein gar nichts zu schaffen haben und aus ihm
etwas machen, wozu er nicht im entferntesten be-
stimmt erscheint. Die nämliche Abirrung ist auch
auf dem Lande eingetreten, seitdem die unheilvollen
Prinzipien der Stilreiterei, wie sie an fast allen Bau-
schulen verkörpert, aus dem Bannkreis der Städte
hinausgetragen werden in ländliche Gebiete. Das
Bauernhaus hat seinen eigenen Entwickelungsgang,
der weit seitab liegt von den Entwickelungsbedingungen
der Erscheinungen in der geschlossenen städtischen
Straßenfront. Deshalb ist jede Aufpfropfung nicht hier-
her gehöriger Elemente vom Übel. Leider hat letzteres
schon in einer geradezu erschreckenden Art um sich
gegriffen. Die Volkskunst ist nirgends mit Surro-
gaten durchsetzt, wie das bei baulichen Gebilden
»höherer« Art vorzukommen pflegt. Seitdem aber
die Stilbeglückung sich auch da eingenistet hat, ist
jede gesunde Weiterentwickelung wertvoller Tradi-
tionen vernichtet und die Geistlosigkeit des schemati-
schen Schuldrills an deren Stelle gesetzt worden.

In den Stuben dieser skandinavischen Bauernblock-
häuser stehen sämtliche Möbelstücke angeordnet, wie
es Brauch und Sitte aufs strengste fordern, den
Wänden entlang. Die Mitte des Raumes bleibt frei,
daher denn die Wirkung eine künstlerisch weitaus
höhere ist als in jenen Wohnräumen der Kulturwelt,
die überall mit brauchbarem oder unnützem Zeug
 
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