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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Rücklin, Rudolf: Die moderne Schmuckkunst im Lichte der Weltausstellung in St. Louis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0160

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DIE MODERNE SCHMUCKKUNST IM LICHTE DER WELTAUSSTELLUNG IN ST. LOUIS 153

sie eigentlich jetzt erst anfängt, die Eindrücke von
dieser Weltausstellung in die Tat umzusetzen. Es ist
mir verschiedentlich von einheimischen Fachleuten
versichert worden, daß erst in den letzten zwei
Jahren Amerika versuche, sich aus der absoluten Stil-
Iosigkeit herauszuarbeiten, und daß man gegenwärtig
vollkommen in der Nachahmung europäischer, be-
sonders Pariser Muster befangen sei; es ist das eine
Erscheinung, die bisher in Amerika nicht zu beob-
achten war. In Bezug hierauf konnten von Fach-
männern in Amerika die
interessantesten Beob-
achtungen gemacht
werden. Es ist mir vor-
gekommen, daß ich in
einem Schmuckladen
von New York eine
Brosche sah, die ich
sofort als Erzeugnis
einer Pforzheimer Fa-
brik erkannte. Ich
kaufte dieselbe, die in
der Auslage bezeichnet
war als letzte Pariser
Neuheit. Bei näherer
Besichtigung konnte
man sehen,daß sie nicht
über Paris aus Pforz-
heim kam, sondern eine

Gablonzer Nach-
ahmung war, die jetzt
in New York als Pariser
Neuheit ausgestellt
wurde. Derartige Be-
obachtungen konnten
nicht nur in diesem
einen Falle gemacht
werden, sondern es
waren in St. Louis nicht
unbedeutende Ausstel-
lungen, bei denen ein
starker Prozentsatz ganz
bestimmt aus Pforzheim
kam, obgleich irgend
eine ausländische Firma
als Ausstellerin fun-
gierte.

Die Vertretung Ame-
rikas auf der Weltaus-
stellung in St. Louis war also eine geringe. Immerhin
genügte sie vollkommen, um dem Fachmann ein Bild
zu geben, was und wie in Amerika fabriziert wird.
Der berühmteste Juwelier in Amerika ist Tiffany in
New York, Tiffany, der seinerzeit in Chicago und in
Paris die bedeutendsten Auszeichnungen eingeheimst
hat. Er hat in St. Louis im Kunstgebäude außer
Wettbewerb ausgestellt, und zwar eine Sammlung von
Schmuckstücken, die im Auftrage eines Liebhabers
ausgeführt waren. Diese Schmuckstücke sind etwas
so Eigentümliches, daß ich nichts darüber zu sagen
weiß, als daß es Kompositionen aus Blumen und

SCHMUCK IN SILBER GETRIEBEN
PROFESSOR AD. SCHMID, PFORZHEIM

Pflanzen waren, vollkommen emailliert in möglichst
treuer Naturnachahmung, in etwas harter und spitzer
Ausführung. Irgend etwas von zeichnerischer Kompo-
sition oder von Farbenstimmung war ich nicht im
stände zu entdecken.

Die Firma Gorham & Co. in Providence R. J., die
hauptsächlich Silberwaren fabriziert und in dieser
Spezialität eine erste Stellung einnimmt, hatte auch
eine größere Menge Schmuck ausgestellt, von dem
anzunehmen ist, daß er für die Zwecke der Ausstel-
lung eigens angefertigt
war und daß der Dollar
dabei nicht gespart
wurde. Trotzdem sind
diese Schmuckstücke
lediglich Nachahmun-
gen Pariser Muster, die
mit ihrer harten Bunt-
heit jeden deutschen
Kunsthandwerker, der
auf diesem Gebiete zu
Hause ist, enttäuschen
müssen.

Außerdem war
hauptsächlich Brillant-
schmuck in amerikani-
scher Ware ausgestellt,
dann Spezialitäten, z. B.
ein neues Double, das
besser halten soll als
unser deutsches Double
und vor allem Arbeiten
in imitierten Diamanten.
Amerika ist das Land
der Diamantenkompag-
nien, das heißt der Fir-
men, die sich eine Spe-
zialität daraus machen,
Diamanten in Glas zu
imitieren und Schmuck
daraus zu machen. Sie
haben das Gemeinsame,
daß jede behauptet,
man könne ihre Erzeug-
nisse von echten Dia-
manten nicht unter-
scheiden, daß sie ihren
Glanz, ihr Feuer auf
unbeschränkte Zeit be-
was aber der Wahrheit

halten und anderes mehr

wenig entspricht. Es stimmt auch nicht, was man
so oft von der Neigung der Amerikaner hört, daß sie
nur auf den reellen Wert des Schmuckes sehen; viel-
mehr sieht man auf den äußeren Anschein des
Schmuckes. Wenn es jemand zur Anschaffung echter
Steine nicht langt, greift er in Amerika viel unbe-
denklicher als bei uns zur Nachahmung.

England hat von seinen interessanten Künstlerschmuck-
arbeiten, die im Gegensatz zu den übrigen Ländern im
wesentlichen auf derVerwendung des aufgebuckelten und
getriebenen Bleches basieren, leider nichts ausgestellt
 
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