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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Pabst, Arthur: Beobachtungen über gewerbliche Erziehung und praktischen Unterricht in den Schulen der Vereinigten Staaten von Nordamerika: Nach einem Vortrage, gehalten im Kunstgewerbeverein zu Leipzig am 31. Januar 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0190

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IN DEN SCHULEN DER VEREINIGTEN STAATEN VON NORDAMERIKA

183

SPITZENARBEIT VON MARQUERITE BRUSTLEIN,
LEIPZIG

Vergleiche über Einrichtungen für gewerbliche Er-
ziehung« (München, 1901) weiter ausgeführt hat.
Frankreich hat namentlich durch seine Schulorgani-
sation vom Jahre 1883 schon in der Volksschule eine
Menge von Einrichtungen geschaffen, die für die ge-
werbliche Erziehung sehr bedeutungsvoll sind. Die
gewerblichen Bildungsanstalten Englands sind neuer-
dings auch bei uns bekannter geworden, seitdem eine
vom preußischen Handelsminister ausgesandte Kom-
mission dem Abgeordnetenhause darüber berichtet
hat (»Das gewerbliche Unterrichtswesen in Groß-
Britannien. Auf Grund einer Studienreise dargestellt
von F. Dönhoff, Geh. Rat.« Berlin 1903).

Jedenfalls ist auch die durch einen neuerlichen
Erlaß des preußischen Handelsministers empfohlene
Einrichtung von Lehrwerkstätten auf die englischen
Vorbilder zurückzuführen, von denen die South-
Kensington-Schule besondere Berühmtheit genießt.
Von Berlepsch-Valendas machte in seinem Vortrage
in Braunschweig (Kunstgewerbeblatt 1904, Heft 10)
darauf aufmerksam, daß der Vater des modernen
kunstgewerblichen Erziehungssystems, das den Schwer-
punkt der Unterrichtstätigkeit in die Lehrwerkstätte
verlegt, der große deutsche Architekt Gottfried Semper
war. Seinen Vorschlägen, die er im Jahre 1853 in
einer Denkschrift niederlegte, verdankt England zum
guten Teil den hohen Stand seines heutigen Kunst-
gewerbes. Andererseits hat zu dieser gesunden Ent-
wicklung gewiß auch der praktische Sinn und das
Verständnis für die Bedürfnisse des Lebens beigetra-
gen, welche Eigenschaften dem Angelsachsen in be-
sonders hohem Maße eigen sind. Es ist zweifellos
richtig, daß sich die nationalen und kulturellen Eigen-
tümlickeiten eines Volkes nirgends so charakteristisch
widerspiegeln, wie in seinem Erziehungswesen; das
gilt insbesondere auch von dem Angelsachsen, dessen
nationale Eigenart besonders scharf ausgeprägt ist.
Auch bei Beurteilung der Verhältnisse in Amerika

werden wir deshalb gut tun, uns zuvor einige kul-
turelle und nationale Eigentümlichkeiten des Volkes
in Erinnerung zu bringen.

Charakteristisch für den Amerikaner ist zunächst
eine hohe Wertschätzung der Technik, deren gewaltige
Entwickelung in den Riesenunternehmungen seines
Landes, in den Brücken- und Eisenbahnbauten, in
dem Bau der riesenhaften Geschäftshäuser, in der
Anlage von Fabriken und in der Ausnutzung von
Naturkräften für technische Zwecke sowie in der
weitgehenden Arbeitsteilung unter Verwendung von
Maschinen ihren Ausdruck gefunden hat. Diese Ver-
hältnisse bringen es nun mit sich, daß das Interesse
für technische Fragen in alle Kreise der Bevölkerung
hineingeht und daß das ganze Volk gewissermaßen
von einem technischen Geiste durchtränkt ist. Die
Technik bietet jungen aufstrebenden Talenten die
glänzendsten Aussichten, der Techniker wird am höch-
sten geschätzt und von einem Überfluß an technischen
Kräften, wie er bei uns schon vorhanden ist, kann
nicht die Rede sein. Unter diesen Umständen ist es
natürlich, daß der technische Geist auch auf das Er-
ziehungs- und Bildungswesen einen großen Einfluß
hat, oft hat man bei den Schuleinrichtungen geradezu
den Eindruck, als ob es sich nur darum handele, ein
Heer von Technikern heranzubilden. Die ganze Nation
nimmt den lebhaftesten Anteil an der technischen Er-
ziehung; das Bildungsideal für den Menschen ist
nicht das historisch-klassische, sondern das modern-
technische.

Die Zeit ist noch nicht lange vorüber, wo es in
den Vereinigten Staaten keine Industrie im heutigen
Sinne des Wortes gab. Die Industrieprodukte wurden
importiert, und der ungeheure Reichtum des Landes

SPITZENARBEIT VON MAROUERITE BRUSTLEIN,
LEIPZIG
 
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