184 BEOBACHTUNGEN ÜBER GEWERBLICHE ERZIEHUNG UND PRAKTISCHEN UNTERRICHT
an Naturschätzen aller Art erlaubte den dadurch be-
dingten Abfluß des Geldes. Außerdem war das
Menschenmaterial viel zu kostbar, als daß man es für
industrielle Arbeit verbrauchen konnte, deren Produkte
sich von auswärts beschaffen ließen, es gab andere
und fürs erste wichtigere Kulturaufgaben zu lösen.
Man befand sich in dem Zustande des Pionierlebens,
wo jeder sich für befähigt halten konnte, Meister in
jeder Art von Gewerbe und industrieller Hantierung zu
sein, ein »Jack of all trades«, wie der bezeichnende Aus-
druck lautet. Von der großen Masse der Bevölkerung
wurde damals der geschulte Techniker noch über die
Schulter angesehen.
Das änderte sich rm
jedoch bald. Je mehr
sich die Industrie
entwickelte, um so
mehr machte sich
auch das Bedürfnis
fühlbar, technisch
gebildete Kräfte zu
verwenden.
Der Amerikaner
ist von Haus aus
flink, energisch und
weiß sich zu helfen.
Mit einem geringen
Maße von Kennt-
nissen kommt er
weiter, wie irgend
ein anderer. Dieser
Geist der raschen
Selbsthilfe, der Ener-
gie und der Kühn-
heit in allen Unter-
nehmungen war die
wertvollste Eigen-
schaft im Pionier-
leben des Landes in
jener Zeit, als es galt,
die Wälder urbar zu
machen, die Ströme
zu überbrücken, die
Felsen zu sprengen
und die Städte zu
begründen. Diese
Kulturarbeiten sind
nun in der Haupt-
sache geleistet und ein anderes Stadium ist ein-
getreten, in dem es auf andere Eigenschaften an-
kommt. Gründliche Ausbildung im einzelnen, ge-
duldiges Studium und ein Maß von gesicherten
Kenntnissen neben tüchtigem praktischen Können
müssen hinzukommen, um den Techniker von heute
für seine Aufgaben tüchtig zu machen. Die Schule
und die Erziehung muß einsetzen und den Techniker
bilden. Somit entstanden technische Schulen, als die
erste und heute bei weitem bedeutendste das »Mas-
sachusetts Institute of Technology« in Boston. Diese
führende Schule hat auch in bezug auf den praktischen
Unterricht in technischen Fächern den ersten Anstoß
INTARSIEN^IM VERGNÜGUNGSDAMPFER »METEOR«
ENTWURF: J. D. HEYMANN, MÖBELFABRIK, HAMBURG,
AUSFÜHRUNG: H. MAYBACH, BILDHAUER, KARLSRUHE I. B.
(NAT. GR. 1,20 METER LANG)
gegeben, und zwar etwa zehn Jahre nach ihrer Begrün-
dung. Auf der Weltausstellung von Philadelphia (1876)
erregte die russische Abteilung namentlich durch die
praktischen Arbeiten der Kaiserlichen Technischen Hoch-
schule in St. Petersburg solche Aufmerksamkeit in
den Kreisen der Fachmänner, daß man sich entschloß,
an der genannten technischen Hochschule in Boston
einen Kursus in praktischen Werkstattarbeiten einzu-
führen. Man legte diesen Arbeiten in Holz (an Hobel-
und Drehbänken), im Schmieden und Gießen von
Eisen und im Maschinenbau den russischen Lehrgang
zugrunde, der noch heute in Originalmodellen in den
Werkstätten aufbe-
wahrt wird. Damit
wurde eine Richtung
in das amerikanische
Unterrichtswesen
eingeführt, die bald
zu großer Bedeutung
gelangte und schon
nach wenig Jahren
zur Begründung
einer besonderen
Form von Schulen
führte, die den Na-
men »Manual Trai-
ningHighSchools«1)
erhielten. Die erste
derartige Schule
wurde im Jahre 1879
auf Anregung des
Universitätsprofes-
sors Woodward in
St. Louis begründet
und steht heute noch
in großer Blüte. Ich
besuchtedieseSchule
gelegentlich meines
Aufenthaltes in der
genannten Stadt und
hatte die Freude,
sie unter der Füh-
rung des heute
noch sehr rüstigen
Professors Wood-
ward in ihrer in-
neren Einrichtung
kennen zu lernen.
Äußerlich bietet sie wenig Interessantes, denn sie
befindet sich zurzeit noch in ihrem alten Ge-
bäude in der Washington-Avenue, wird jedoch
bald in ein neues und bedeutend besseres Gebäude
übersiedeln. Die innere Organisation einer solchen
Manual Training High School ist für den deutschen
Schulmann nicht so ohne weiteres verständlich, da
man leicht in Versuchung kommt, sie als eine Art
1) Die amerikanische High School umfaßt meist drei oder
vier Jahrgänge, und zwar vom 13. oder 14. Lebensjahre an.
Man darf also den Begriff »High School« nicht dem Wort-
laute nach fassen, da er mit dem, was wir unter »Hoch-
schule« verstehen, nichts gemein hat.
an Naturschätzen aller Art erlaubte den dadurch be-
dingten Abfluß des Geldes. Außerdem war das
Menschenmaterial viel zu kostbar, als daß man es für
industrielle Arbeit verbrauchen konnte, deren Produkte
sich von auswärts beschaffen ließen, es gab andere
und fürs erste wichtigere Kulturaufgaben zu lösen.
Man befand sich in dem Zustande des Pionierlebens,
wo jeder sich für befähigt halten konnte, Meister in
jeder Art von Gewerbe und industrieller Hantierung zu
sein, ein »Jack of all trades«, wie der bezeichnende Aus-
druck lautet. Von der großen Masse der Bevölkerung
wurde damals der geschulte Techniker noch über die
Schulter angesehen.
Das änderte sich rm
jedoch bald. Je mehr
sich die Industrie
entwickelte, um so
mehr machte sich
auch das Bedürfnis
fühlbar, technisch
gebildete Kräfte zu
verwenden.
Der Amerikaner
ist von Haus aus
flink, energisch und
weiß sich zu helfen.
Mit einem geringen
Maße von Kennt-
nissen kommt er
weiter, wie irgend
ein anderer. Dieser
Geist der raschen
Selbsthilfe, der Ener-
gie und der Kühn-
heit in allen Unter-
nehmungen war die
wertvollste Eigen-
schaft im Pionier-
leben des Landes in
jener Zeit, als es galt,
die Wälder urbar zu
machen, die Ströme
zu überbrücken, die
Felsen zu sprengen
und die Städte zu
begründen. Diese
Kulturarbeiten sind
nun in der Haupt-
sache geleistet und ein anderes Stadium ist ein-
getreten, in dem es auf andere Eigenschaften an-
kommt. Gründliche Ausbildung im einzelnen, ge-
duldiges Studium und ein Maß von gesicherten
Kenntnissen neben tüchtigem praktischen Können
müssen hinzukommen, um den Techniker von heute
für seine Aufgaben tüchtig zu machen. Die Schule
und die Erziehung muß einsetzen und den Techniker
bilden. Somit entstanden technische Schulen, als die
erste und heute bei weitem bedeutendste das »Mas-
sachusetts Institute of Technology« in Boston. Diese
führende Schule hat auch in bezug auf den praktischen
Unterricht in technischen Fächern den ersten Anstoß
INTARSIEN^IM VERGNÜGUNGSDAMPFER »METEOR«
ENTWURF: J. D. HEYMANN, MÖBELFABRIK, HAMBURG,
AUSFÜHRUNG: H. MAYBACH, BILDHAUER, KARLSRUHE I. B.
(NAT. GR. 1,20 METER LANG)
gegeben, und zwar etwa zehn Jahre nach ihrer Begrün-
dung. Auf der Weltausstellung von Philadelphia (1876)
erregte die russische Abteilung namentlich durch die
praktischen Arbeiten der Kaiserlichen Technischen Hoch-
schule in St. Petersburg solche Aufmerksamkeit in
den Kreisen der Fachmänner, daß man sich entschloß,
an der genannten technischen Hochschule in Boston
einen Kursus in praktischen Werkstattarbeiten einzu-
führen. Man legte diesen Arbeiten in Holz (an Hobel-
und Drehbänken), im Schmieden und Gießen von
Eisen und im Maschinenbau den russischen Lehrgang
zugrunde, der noch heute in Originalmodellen in den
Werkstätten aufbe-
wahrt wird. Damit
wurde eine Richtung
in das amerikanische
Unterrichtswesen
eingeführt, die bald
zu großer Bedeutung
gelangte und schon
nach wenig Jahren
zur Begründung
einer besonderen
Form von Schulen
führte, die den Na-
men »Manual Trai-
ningHighSchools«1)
erhielten. Die erste
derartige Schule
wurde im Jahre 1879
auf Anregung des
Universitätsprofes-
sors Woodward in
St. Louis begründet
und steht heute noch
in großer Blüte. Ich
besuchtedieseSchule
gelegentlich meines
Aufenthaltes in der
genannten Stadt und
hatte die Freude,
sie unter der Füh-
rung des heute
noch sehr rüstigen
Professors Wood-
ward in ihrer in-
neren Einrichtung
kennen zu lernen.
Äußerlich bietet sie wenig Interessantes, denn sie
befindet sich zurzeit noch in ihrem alten Ge-
bäude in der Washington-Avenue, wird jedoch
bald in ein neues und bedeutend besseres Gebäude
übersiedeln. Die innere Organisation einer solchen
Manual Training High School ist für den deutschen
Schulmann nicht so ohne weiteres verständlich, da
man leicht in Versuchung kommt, sie als eine Art
1) Die amerikanische High School umfaßt meist drei oder
vier Jahrgänge, und zwar vom 13. oder 14. Lebensjahre an.
Man darf also den Begriff »High School« nicht dem Wort-
laute nach fassen, da er mit dem, was wir unter »Hoch-
schule« verstehen, nichts gemein hat.