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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Pabst, Arthur: Beobachtungen über gewerbliche Erziehung und praktischen Unterricht in den Schulen der Vereinigten Staaten von Nordamerika: Nach einem Vortrage, gehalten im Kunstgewerbeverein zu Leipzig am 31. Januar 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0204

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IN DEN SCHULEN DER VEREINIGTEN STAATEN VON NORDAMERIKA

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büchern und sonstigem für den Unterricht nötigen
Material decken können.

Bemerkenswert dürfte noch sein, daß in allen
Instituten wie überhaupt in den amerikanischen Schulen
Einrichtungen zur Förderung der körperlichen Aus-
bildung der Zöglinge getroffen sind; für guten Turn-
unterricht wird stets Sorge getragen und vielfach
sind sogar vorzüglich eingerichtete Schwimmanstalten
und große Spielplätze in den Schulgebäuden, resp. in
unmittelbarer Nähe derselben vorhanden.

Außer den an die großen Erziehungsinstitute an-
geschlossenen Fachschulen für gewerbliche und kunst-
gewerbliche Zwecke sind in den Vereinigten Staaten
eine größere Anzahl von selbständigen Fachschulen
vorhanden, von denen einige von mir besuchte noch
kurz charakterisiert werden sollen.

In Philadelphia, der größten Fabrikstadt Amerikas,
wurde schon im Jahre 1876 eine Fachschule für
Textilindustrie begründet, die mit dem Pennsylvania-
Museum in Verbindung steht. Außer den von einigen
hundert Schülern besuchten Abteilungen der eigent-
lichen Textilschule sind Abteilungen für angewandte
Kunst und für moderne Sprachen eingerichtet. Zu
den Kosten der Unterhaltung der Schule, die jährlich
7000 Dollar betragen, leisten der Staat und die Stadt
Zuschüsse. Die Leistungen der Schule, deren Organi-
sation seinerzeit offenbar nach deutschen Mustern er-
folgt ist, sind so vorzüglich, daß sie von sachkundigen
Beurteilern den Leistungen der besten deutschen
Schulen dieser Art gleichgestellt werden.

Neuerdings entwickelt sich in einem anderen
Zentrum der Textilindustrie, in Providencc im Staate
Rhode Island, eine Textilschule, die an eine schon
länger bestehende Zeichenschule (»Rhode Island
School of Design«) angegliedert worden ist. Sie hat
ihre Lehrkräfte von der Schule in Philadelphia über-
nommen lind ist mit allen erforderlichen Einrichtungen
für Weberei, Spinnerei usw. gut ausgestattet, wenn
sie auch vorläufig nur in den umgebauten Räumen
einer ihrem eigentlichen Zwecke entzogenen Kirche
untergebracht ist. Die »School of Design« umfaßt
Abteilungen für Zeichnen, Malen, Modellieren, deko-
ratives, mechanisches und Architekturzeichnen, sowie
namentlich auch Werkstätten für Gold- und Silber-
arbeiter. Die Schule kommt also auch in dieser Be-
ziehung der im Orte vorhandenen Industrie entgegen,
da gerade die Verarbeitung der Edelmetalle in einigen
sehr großen Fabriken (z. B. Gorham Silversmiths Co.)
und in einer großen Anzahl kleinerer Betriebe viele
Leute beschäftigt. Zur Zeit sind in diesen Betrieben,
sowie auch in der Schule noch eine Anzahl von
deutschen Zeichnern und Modelleuren tätig, die in
Hanau, Pforzheim und anderen Orten ihre Ausbildung
erhalten haben. Mit der Zeit wird die Heranziehung
fremder Kräfte entbehrlich werden, da ja die Schule
hinreichenden Ersatz schaffen kann. Erwähnt sei
noch, daß die Schule mit einer sehr guten Sammlung
von Gipsabgüssen und von Erzeugnissen der chinesi-
schen und indischen Kunst, sowie mit einer kleinen
Gemäldegalerie ausgestattet ist, in der auch wechselnde
Ausstellungen moderner Bilder veranstaltet werden.

Kunstgewerbeblatt. N. F. XVI. H. 10.

Philadelphia ist nicht nur der Sitz einer bedeuten-
den Textilindustrie, sondern auch ein Hauptort für
den Maschinen- und Lokomotivenbau. Es befindet
sich dort namentlich die große Baldwinsche Werk-
stätte, die mit über 15000 Arbeitern und einer Jahres-
produktion von mehr als 2000 Lokomotiven das
größte Etablissement seiner Art in der ganzen Welt
sein dürfte. Wahrscheinlich ist es nicht nur Zufall,
daß dieser Riesenfabrik gegenüber eine Schule errichtet
wurde, die der Ausbildung von Maschinenbauern,
Elektrotechnikern und Zeichnern dient: das »Spring
Garden Institute«. Diese Schule wird in einer größeren
Anzahl von Tages- und Abendklassen von etwa 800
Schülern besucht. Die Tagesklassen werden haupt-
sächlich in den Werkstätten für Holz und Metallbe-
arbeitung, sowie in den Abteilungen für Elektrotechnik
unterrichtet. Modellieren, Freihandzeichnen, mechani-
sches und Architekturzeichnen, sowie Malen in ÖI-
und Wasserfarben sind ebenfalls Unterrichtsgegenstände,
in denen indes vorwiegend nur Abendschüler unter-
richtet werden.

Eine besonders interessante Gewerbeschule ist die
Williamsons School for Mechanical Trades. Diese
Schule wurde von dem Kaufmann Williamson auf
einem Landgute in der Nähe von Philadelphia be-
gründet zu dem Zwecke, »armen und würdigen
Knaben eine gute Erziehung zu geben, sie zu sitt-
lichen, wirtschaftlichen und werktätigen Menschen
auszubilden und ihnen die mechanischen Gewerbe zu
lehren«. Mit einem Aufwände von 2 Millionen Dollar
ließ Williamson die Schule in der Nähe einer Eisen-
bahnlinie in einer schönen, ländlichen Umgebung
errichten. Ein Hauptgebäude enthält die Verwaltungs-
räume, die Räume für den theoretischen Unterricht,
die Zeichensäle, den Speisesaal und anderes. In einer
Anzahl von Nebengebäuden sind die Werkstätten für
Schreinerei, Holz- und Metalldrehen, Schmieden und
Maschinenbau, sowie für Bauhandwerker untergebracht.
Alle Werkstattarbeiten werden tunlichst den prakti-
schen Verhältnissen angepaßt, die Schüler müssen z. B.
auch die für die Erweiterung der Anstalt notwendigen
Gebäude selbst aufführen. Als ich die Schule be-
suchte, war gerade eine Klasse damit beschäftigt, ein
neues Wohnhaus zu errichten. Die Schüler wohnen
nämlich in einzelnen Gebäuden, sogenannten Familien-
häusern. Je 25 Schüler bilden eine Familie und haben
in ihrem Wohnhause freundliche und gut eingerichtete
Räume zur Verfügung; die Mahlzeiten nehmen sie in
dem großen Hauptgebäude ein. Da die Schule von
etwa 200 Schülern besucht wird, so ist eine ganze
Anzahl von Häusern notwendig, die zerstreut auf
einer Anhöhe unter grünen Bäumen liegen. Die Ver-
pflegung mit Einschluß der Wäsche und Kleidung,
Wohnung und Unterricht sind vollständig frei, und
jeder Schüler kostet der Anstalt etwa 500 Dollar im
Jahr. Die Ausbildung ist auf drei Jahre berechnet. Der
Eintritt kann nicht vor dem 16. und nicht nach dem
18. Lebensjahre erfolgen; der Aufzunehmde muß sich
gut geführt haben und gewisse Bedingungen betreffs
seiner Vorbildung erfüllen. Die Bewerber aus Phila-
delphia, Pennsylvanien und anderen vom Stifter be-

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