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PORZELLANSTIL
»FAUN UND NYMPHE«, GRUPPE VON
W. SCHMARJE, SCHMARGENDORF BEI BERLIN
einen Zuwachs zur eigentlichen Handarbeit bedeutet,
der mit dem künstlerischen Schaffen unmittelbar nichts
zu tun hat, es aber dennoch von vornherein in feste
Bahnen zwängt und stark beschleunigt. Dazu kommt
die gleichfalls schon früh angewandte Form oder
Model, die dank der durch sie gegebenen Möglich-
keit der Vervielfältigung einer einmaligen künstlerischen
Tat die künstlerische Arbeit der Keramik gleichfalls
stark beschleunigt und vereinfacht. In koloristischer
Hinsicht stellen sich dann die Schablone, die Druck-
platte, das Umdruckverfahren ein; sie sind freilich erst
moderne Prozeduren, erst seit dem 19. Jahrhundert in
allgemeinem Gebrauch, aber in desto reichlicherem.
Alles dies aber sind Hilfsmittel, die, richtig angewandt,
wirklich künstlerische darstellen, doch auch ebenso
leicht völlig mißbraucht werden können, da die
Möglichkeit durch eine einzige künstlerische Tat un-
gezählte künstlerische Wirkungen erzielen zu können
zu leicht diese eine Tat allzu reich und üppig
ausfallen läßt. Übertreibung, Überladung ist die
Folge, die dann meist in seltsamem Widerspruch zu
jener Schwächlichkeit des Ausdrucks steht, die nur zu
leicht mit mechanischen Vervielfältigungsverfahren
verbunden ist.
In Anbetracht aller dieser Umstände ist es ebenso
wunderbar, wie bald nach der Erfindung des europäi-
schen Porzellans das 18. Jahrhundert diesen neuen Stoff
kunsttechnisch zu beherrschen gelernt hat, wie nicht
weiter die gänzliche Stilverwirrung unserer Zeit auf
diesem Gebiet erstaunlich ist, die ja überhaupt
im ganzen Bereich der dekorativen Kunst durch die
technischen wie sozialen Veränderungen der Zeit fast
jegliches Stilgefühl verloren hat. Das Porzellan des
ig. Jahrhunderts gehört unzweifelhaft zu den uner-
freulichsten Leistungen der ganzen Kunst dieser
Epoche, ja wohl überhaupt aller Zeiten. Während
man technisch auf diesem Gebiete im Zeitalter
der Erfindungen durch alle möglichen Neuerungen
immer höher stieg, sank man künstlerisch trotz
aller guten Vorbilder immer tiefer herab. Als Mittel-
ding zwischen Kunsthandwerk und Kunstindustrie
geriet die Keramik nur zu sehr in die Gewalt der
letzteren, die immer, wo es zum Kampf zwischen
beiden kommt, über die erstere zu triumphieren
pflegt, und gab sich allen ihren Untugenden preis.
Von Haus aus eine Kunst, die in erster Linie auf
der Wirkung der Farbe beruht, mußte sie in dieser
Zeit, die wie kaum irgendeine andere den natürlichen
Sinn für die Farbe verlor, ohne Gnade und Barm-
herzigkeit eine Kunst ohne wirkliche Kraft und
Wirkung werden, eine nutzlose Anstrengung, die von
vornherein ihr durch die Schwäche der Zeit ins
Schwanken geratenes Ziel verfehlte. In der Tat,
keine andere Kunst fand wohl in den allgemeinen
künstlerischen Zuständen dieser Zeit einen so ungün-
stigen Entwickelungsboden, wie die Keramik. Sie
mußte, wo viel günstiger gestellte Kunstgebiete unter-
lagen, sinken, als wahre Kunst aufhören. Das Por-
zellan ward ausschließlich aus praktischen Gründen
weiter gepflegt und aus Gewohnheit als Kunst weiter
behandelt.
Alle diese Verhältnisse haben sich auch heute
unter dem allgemeinen Aufschwung der dekorativen
Kunst noch nicht geändert. Die Kunst ist auch auf
dem Gebiet der Keramik noch zu festgefahren, um
gleich beim ersten Anstoß von außen her wieder
flott zu werden. Man braucht hierbei noch gar nicht
an die in Deutschland so reich vertretene Porzellan-
industrie zu denken, die hier nur auf derselben Stufe
verweilt, wie alle Kunstindustrie überhaupt. Die all-
gemeine Kunstindustrie zu einer wirklich künstlerischen
Industrie zu erheben: das freilich ist eine Riesen-
arbeit, die man nicht von einem kurzem Jahrzehnt,
solange die Reorganisation der dekorativen Kunst etwa
schon dauert, verlangen kann. Auch die ernsthaften
Einzelversuche zur Rehabilitierung dieser Kunst von
Seiten wirklicher Künstler, haben meist zu wenig be-
friedigenden Resultaten geführt, ja vielfach zu Ver-
irrungen, die der Wiederbelebung der Porzellankunst
eher schaden, als nützen können. Die Keramik,
mit der stellenweise die ganze moderne dekorative
Bewegung begann, ist daher in der Hauptsache heute
noch weiter zurück, als die meisten anderen Gebiete
der dekorativen Kunst. Kein Wunder! Denn das
Porzellan, soll es wirklich künstlerisch belebt werden,
PORZELLANSTIL
»FAUN UND NYMPHE«, GRUPPE VON
W. SCHMARJE, SCHMARGENDORF BEI BERLIN
einen Zuwachs zur eigentlichen Handarbeit bedeutet,
der mit dem künstlerischen Schaffen unmittelbar nichts
zu tun hat, es aber dennoch von vornherein in feste
Bahnen zwängt und stark beschleunigt. Dazu kommt
die gleichfalls schon früh angewandte Form oder
Model, die dank der durch sie gegebenen Möglich-
keit der Vervielfältigung einer einmaligen künstlerischen
Tat die künstlerische Arbeit der Keramik gleichfalls
stark beschleunigt und vereinfacht. In koloristischer
Hinsicht stellen sich dann die Schablone, die Druck-
platte, das Umdruckverfahren ein; sie sind freilich erst
moderne Prozeduren, erst seit dem 19. Jahrhundert in
allgemeinem Gebrauch, aber in desto reichlicherem.
Alles dies aber sind Hilfsmittel, die, richtig angewandt,
wirklich künstlerische darstellen, doch auch ebenso
leicht völlig mißbraucht werden können, da die
Möglichkeit durch eine einzige künstlerische Tat un-
gezählte künstlerische Wirkungen erzielen zu können
zu leicht diese eine Tat allzu reich und üppig
ausfallen läßt. Übertreibung, Überladung ist die
Folge, die dann meist in seltsamem Widerspruch zu
jener Schwächlichkeit des Ausdrucks steht, die nur zu
leicht mit mechanischen Vervielfältigungsverfahren
verbunden ist.
In Anbetracht aller dieser Umstände ist es ebenso
wunderbar, wie bald nach der Erfindung des europäi-
schen Porzellans das 18. Jahrhundert diesen neuen Stoff
kunsttechnisch zu beherrschen gelernt hat, wie nicht
weiter die gänzliche Stilverwirrung unserer Zeit auf
diesem Gebiet erstaunlich ist, die ja überhaupt
im ganzen Bereich der dekorativen Kunst durch die
technischen wie sozialen Veränderungen der Zeit fast
jegliches Stilgefühl verloren hat. Das Porzellan des
ig. Jahrhunderts gehört unzweifelhaft zu den uner-
freulichsten Leistungen der ganzen Kunst dieser
Epoche, ja wohl überhaupt aller Zeiten. Während
man technisch auf diesem Gebiete im Zeitalter
der Erfindungen durch alle möglichen Neuerungen
immer höher stieg, sank man künstlerisch trotz
aller guten Vorbilder immer tiefer herab. Als Mittel-
ding zwischen Kunsthandwerk und Kunstindustrie
geriet die Keramik nur zu sehr in die Gewalt der
letzteren, die immer, wo es zum Kampf zwischen
beiden kommt, über die erstere zu triumphieren
pflegt, und gab sich allen ihren Untugenden preis.
Von Haus aus eine Kunst, die in erster Linie auf
der Wirkung der Farbe beruht, mußte sie in dieser
Zeit, die wie kaum irgendeine andere den natürlichen
Sinn für die Farbe verlor, ohne Gnade und Barm-
herzigkeit eine Kunst ohne wirkliche Kraft und
Wirkung werden, eine nutzlose Anstrengung, die von
vornherein ihr durch die Schwäche der Zeit ins
Schwanken geratenes Ziel verfehlte. In der Tat,
keine andere Kunst fand wohl in den allgemeinen
künstlerischen Zuständen dieser Zeit einen so ungün-
stigen Entwickelungsboden, wie die Keramik. Sie
mußte, wo viel günstiger gestellte Kunstgebiete unter-
lagen, sinken, als wahre Kunst aufhören. Das Por-
zellan ward ausschließlich aus praktischen Gründen
weiter gepflegt und aus Gewohnheit als Kunst weiter
behandelt.
Alle diese Verhältnisse haben sich auch heute
unter dem allgemeinen Aufschwung der dekorativen
Kunst noch nicht geändert. Die Kunst ist auch auf
dem Gebiet der Keramik noch zu festgefahren, um
gleich beim ersten Anstoß von außen her wieder
flott zu werden. Man braucht hierbei noch gar nicht
an die in Deutschland so reich vertretene Porzellan-
industrie zu denken, die hier nur auf derselben Stufe
verweilt, wie alle Kunstindustrie überhaupt. Die all-
gemeine Kunstindustrie zu einer wirklich künstlerischen
Industrie zu erheben: das freilich ist eine Riesen-
arbeit, die man nicht von einem kurzem Jahrzehnt,
solange die Reorganisation der dekorativen Kunst etwa
schon dauert, verlangen kann. Auch die ernsthaften
Einzelversuche zur Rehabilitierung dieser Kunst von
Seiten wirklicher Künstler, haben meist zu wenig be-
friedigenden Resultaten geführt, ja vielfach zu Ver-
irrungen, die der Wiederbelebung der Porzellankunst
eher schaden, als nützen können. Die Keramik,
mit der stellenweise die ganze moderne dekorative
Bewegung begann, ist daher in der Hauptsache heute
noch weiter zurück, als die meisten anderen Gebiete
der dekorativen Kunst. Kein Wunder! Denn das
Porzellan, soll es wirklich künstlerisch belebt werden,