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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Zimmermann, Ernst: Porzellanstil
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0232

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PORZELLANSTIL

225

W. SCHMARJE, DEKORATIVE FIGUR FÜR DIE AUS-
STELLUNG DER DEUTSCHEN BÄDER IN ST. LOUIS

der Seite hin sich entwickeln wird und soll, auf
der ihre größte Stärke liegt. Farbe aber, in ihrer
reichsten Entfaltung, ist überhaupt wohl das stärkste
aller dekorativen Elemente, ist wohl überhaupt immer
dem formalen stark überlegen. In der Keramik ist
bei der Lebhaftigkeit ihrer Farben dies Verhältnis
derart, daß man ohne Übertreibung sagen kann:
mangelhafte Farbengebung verdirbt eher eine gute
Formengebung als umgekehrt.

Die Farbigkeit ist in der entwickelteren Keramik
überhaupt dasjenige Element, um dessentwillen sie
zur Kunst wird. Es hat Zeiten, ja ganze Länder
gegeben — man denke nur an China und Japan!
— die auf die formale Gestaltung ihrer Keramik
fast gar keinen Wert gelegt, ja, ohne sich vor
Öde und Langeweile zu fürchten, mit der Auf-
stellung und Fixierung ganz weniger Orundtypen
sich begnügt haben. Ganze Zweige, wie die Majolika
oder Fayence, mußten schon aus rein technisch-
stofflichen Gründen sich mit der einfachsten formalen
Gestaltung begnügen und waren darum von vorn-
herein auf koloristische Reize angewiesen. Im Por-
zellan hat es einen Stil, den man einen plastischen

nennen könnte, ja der sich der Plastik als Kunst-
element in nennenswertem Maße bedient hätte,
überhaupt erst in Europa gegeben. Mit ihm be-
ginnt hier sogar die Entwickelung, doch nur durch
jenen Zufall, daß der Erfinder des europäischen Por-
zellans, Böttger, vor der Erfindung dieses Stoffes das
rote Steinzeug erfunden hatte, dessen in diesem
Stoffe durchaus erforderter plastischer Stil dann ge-
dankenlos auf das andere, obwohl gänzlich anders
geartete Material übertragen ward. Dieser Stil war
somit ein unfreiwilliger und auch in keiner Weise
mustergültiger, wie jeder sagen wird, der vor die
Inkunabeln des Meißener Porzellans mit einigem
keramischen Gefühl tritt. Er erlischt auch sofort nach
Böttgers Tode und wendet sich unterm Einfluß des
ostasiatischen Porzellans seinem Gegenteile zu. Doch
bald dringt das in der europäischen Kunst über-
haupt so starke plastische Element in das europäische
Porzellan von neuem ein, durch Kandier, den großen
Modelleur der Meißener Manufaktur; doch es vermählt
sich jetzt innig mit dem nun auch im europäischen
Porzellan schon so kräftigen koloristischen Elemente,
gehört aber von nun an dem europäischen Porzellan
scheinbar unverlierbar an. Man hat diesem plasti-
schen Element dann im 19. Jahrhundert so ziemlich
alle Stilarten aufgezwängt, ja, als der Farbensinn in
dieser Zeit so merkwürdig allgemein erlosch, es so-
gar vielfach als die künstlerische Hauptsache ange-
sehen und häufig genug mißbraucht, ja es ist erst
die moderne dekorative Bewegung gewesen, die auf
dem Gebiet der Keramik so viel wieder von der
Ostasiens gelernt hat, daß dieser Irrglauben aufge-
deckt und schon um ein beträchtliches wieder korri-
giert wurde.

Doch soll mit allem diesem in keiner Weise gesagt
werden, daß die Verbindung des Porzellans mit
Plastik etwas durchaus Verwerfliches sei. Dagegen
würden schon die wundervollen Schöpfungen der
Rokokozeit genügend Zeugnis ablegen, deren Stil
nicht mit Unrecht als der europäisch klassische gilt.
Nur das Verhältnis zwischen beiden Elementen,
zwischen Malerei und Plastik, das in unserer Zeit
sich so sehr verschoben hat, soll festgestellt werden:
Das farbige Element muß In diesem Stoffe Haupt-
sache bleiben, der Porzellankiinstler in erster Linie
ein Maler sein, der seiner koloristischen Mittel völlig
sicher ist.

An sich als ein sogenannter plastischer, das heißt
formale Gestaltungen leicht annehmender und bewah-
render Stoff reizt das Porzellan, wie jeder plastische
Ton, von vornherein sehr zu plastischer Behandlung: er
ist aufdrehbar, knetbar, modellierbar, abformbar. Seine
maschinelle Handbarkeit, die im Aufdrehen und Ab-
formen zur Geltung kommt, erscheint als eine Ver-
suchung mehr, hier Reichtum und Fülle walten zu
lassen. Doch da treten Hemmungen ein, die aus
der Natur und Technik des Stoffes hervorgehen und
sich eben deshalb um so gebieterischer bemerkbar machen.
Zunächst ist die Porzellanmasse kein so guter plasti-
scher Ton, wie der des Bildhauers: sie gehört überhaupt
in dieser Beizehung zu den ungünstigsten keramischen
 
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