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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Porzellanstil
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0238

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PORZELLANSTIL

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und Zeichnung der Ornamente.
Zunächst ist es klar: die weiche,
unbestimmte plastische Formen-
gebung des Porzellans verlangt
um der vollen Harmonie willen
auch eine gleiche Ornamentik,
das heißt auch diese darf weder
streng, noch regelmäßig, noch
schematisch sein. Auch hier sind
gerade Linien, rechte Winkel, Sym-
metrien und dergleichen durch-
aus verpönte Dinge, die nur die
Grundharmonie schädigen. Das
Porzellan muß auch in der Or-
namentik seinen freien, unbe-
stimmten, ungebundenenCharakter
bewahren, ja, es kann sogar der
festen Linien ganz entbehren, kann
ganz Farbe werden, wenn es sich
der einfarbigen oder geflossenen
Glasuren bedient, oder auch ganz
farblos, weiß bleiben, wenn nur
irgend etwas, z. B. Haarrisse
(Craqueluren), sein monotones
Weiß vor der sonst unvermeid-
lichen Langweiligkeit bewahren.
Auch in diesen Fällen nähert
sich das Porzellan wieder der
Formengebung der Natur. Ist es
doch der Naturprozeß, der Brand,
der diese eigenartigen Belebungen
der Oberfläche herstellt und an-
ordnet; ja, eignen sich nicht aus
gleichem Grunde wiederum die
Blumen, die Früchte so sehr zum
farbigen Schmuck des Porzellans,
daß sie wohl als sein Hauptdeko-
rationsmotiv angesprochen wer-
den können? Ein ge-
mäßigter Naturalis-
mus hat dem Porzel-
lan noch niemals ge-
schadet.

Dieselbe Feinfüh-
ligkeit verlangt das
Porzellan, da die Far-
bigkeit seines Dekors
so ungewöhnlich kräf-
tig in die Augen
springt, in der Ein-
fügung der Ornamen-
tik in die formale
Gestaltung des Por-
zellans. Die Orna-
mentikmuß mit dieser
inniger, harmonischer
verschmelzen, als es
bei den meisten an-
deren Stoffen erfor-
derlich ist. Sie darf
nichts für sich sein,

STANDUHR, NÄHTISCH UND

KREDENZ, ENTWURF VON OTTO

KLÖDEN, DRESDEN, AUSFÜHRUNG

VON FRIEDRICH PARTHEN,

BODENBACH

muß sich zunächst formal unter-
ordnen, um koloristisch domi-
nieren zu dürfen. Dieses Sich-
unterordnen geschieht entweder,
indem sie die Form gleichmäßig
bedeckt und damit ganz in ein
farbiges, weißmaschiges Kleid
hüllt, oder indem sie sich nur an
die markanten Hauptteile hält, sie
hierbei betont und heraushebt.
Sie verschärft dadurch den Form-
oder Zweckgedanken des betref-
fenden Porzellans. Will sie dann
aber noch mehr leisten, will sie
noch feinfühliger werden, dann
halte sie sich auch an die Rich-
tungstendenz des betreffenden
Stückes: sie falle, hänge herab,
wo das Gefäß nach unten —
etwa durch Verjüngung — strebt,
sie steige mit dem aufwärtsstre-
benden. Auf jeden Fall erwirbt
sie sich dadurch das Verdienst,
die Einheit des Gefäßes in wohl-
tuender Weise zu vermehren.

Nach diesem wird das Por-
zellan mehr noch als irgend ein
anderer Stoff auch darauf zu achten
haben, daß der dekorative Cha-
rakter seiner Ornamentik mög-
lichst gewahrt werde. Sie muß
möglichst flächenhaft bleiben, das
heißt wenig Modellierung, Schat-
tierung oder Betonung der dritten
Dimension zeigen, damit die an
diesem Stoff so klar hervortretende
Dekoration nicht durch scheinbar
plastisches Hervor- oder Zurück-
treten sich vom Kör-
per, den sieschmücken
soll, löse und zu etwas
ganz Selbständigem
werde. Ein solches
Streben hat auch zu-
gleich die für das
nach kräftiger Farben-
wirkung strebende
Porzellan äußerstwill-
kommene Folge, daß
durch Weglassen von
Schattierungen und
Schraffierungen die
beabsichtigten Far-
bentöne rein und un-
gebrochen und darum
in ganzer Kraft zur
Geltung kommt. Es
findet dann nirgends
eine Trübung der rei-
nen, lebhaften Farben
statt, und so wird

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