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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Pazaurek, Gustav E.: Die Dresdener Ausstellung: durch die rosige und durch die schwarze Brille gesehen
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0276

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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keinem Werkstattunterrricht einfügen lassen, die —
ähnlich wie die Witterungsverhältnisse — so fabel-
haft viele, kaum berechenbare Voraussetzungen und
Bedingungen, Launen und Kaprizen haben, daß auch
die größte Wachsamkeit des Kunstmerkers nur nach-
humpeln kann. Die undefinierbare Souveränität der
Imponderabilien, die es sich auch gestattet, einzelne
Forderungen oder Regeln der Konstruktion oder
Dekoration wie veraltete Hofdekrete zeitweilig außer
Wirksamkeit zu setzen, ist heute noch nicht genug
mächtig. Die vielen, verschiedenartigen Bekenntnisse
haben bei der leider viel zu heftigen Rivalität unter
den besten Individualitäten noch zu keiner Kristalli-
sation derjenigen Momente geführt, die man in der
Zukunft allgemein etwas stärker zu unterstreichen
beabsichtigt.

Eine derartige Frage, über die offenbar noch gar
keine Einigung erzielt worden ist, betrifft die Farben-
gebung. Theoretisch ist man, häufig unter Hinweis
auf die bodenständigen und ungekünstelten Erzeug-
nisse der Volkskunst, für die Farbenfreude, die uns
aus den gebrochenen Tönen der Rokokoimitation
wieder befreien soll; aber praktisch läßt man nichts
davon merken, und gerade die Dresdener Ausstellung
zeigt uns zahllose Beispiele für die Stimmung nordi-
scher Regentage. Es sei allerdings zugegeben, daß
manches Interieur für reichlichere Lichtverhältnisse
berechnet ist, als sie die Ausstellung mitunter bietet.

Trotzdem müßte der düstere Ernst nicht über gar so
vielen Interieurs lagern. Ein farbenfrisches Sofa-
kissen ist mitunter die einzige belebende Oase in
der trübseligen Grau-Braun-Wüste, und gerne kehrt
man in die Abteilung der »Techniken« zurück, wo
Rosa und Blaugrün, Violett und Gelb so lebensfroh,
fast unverschämt auf Boden und Wand nebeneinander
sitzen. — —

Ich will die Wirkung der beiden Hauptpostulate,
die ich erhoben habe, nämlich »nicht so geometrisch-
puritanisch« und »etwas farbenfreudiger« nicht durch
Detailkritik abschwächen. Überdies ist es ja bekannt, daß
jeder viel leichter einen Zentner Lob, denn ein Milligramm
Tadel verträgt; und manche guten Freunde, die sich
vielleicht durch meine Ausführungen getroffen fühlen,
verwandeln sich nur allzu rasch in grimmige unver-
söhnliche Gegner. — Wir wollen daher auch die
schwarze Brille wieder ablegen, nunmehr unvorein-
genommenen Blickes noch einmal das Riesenunter-
nehmen betrachten, und dann zum Resümee gelangen:
die dritte deutsche Kunstgewerbeausstellung zu Dres-
den ist, so viel man etwa auch im einzelnen gegen
daselbst zutage tretende Verhältnisse oder Strömungen
einzuwenden hätte, ein so großzügiges, in dieser Art
beispielloses Unternehmen, daß wir uns hierzu nur
herzlich beglückwünschen und zugleich den Ver-
anstaltern wärmstens dankbar sein können.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

VON DER DARMSTÄDTER KÜNSTLER-KOLONIE.

Für die nächste Zukunft stehen bedeutsame Verände-
rungen in der Darmstädter Künstler-Kolonie bevor, die
dem Gedanken der großherzoglichen Gründung hoffentlich
förderlich sein werden. Wie bekannt ist, haben zwei der
Mitglieder, der Bildhauer Professor Habich und der für
Flächenkunst nach Darmstadt geholte Maler J. V. Cissarz
einen Ruf nach Stuttgart erhalten und angenommen; sie
werden am 1. Oktober aus der Kolonie scheiden. Auch
der Bildhauer und Graphiker Dr. Daniel Greiner wird mit
diesem Zeitpunkt nicht mehr der Kolonie angehören.

Die neuen Verhältnisse, die durch diese Verschie-
bungen eintreten, sollen benutzt werden, um einen Ge-
danken zur Ausführung zu bringen, der dem Wirken der
Kolonie eine grundsätzlich andere Richtung gibt, den
Einzelnen auf eine festere Grundlage für sein Schaffen
stellt und dem Ganzen sicherer begrenzte Wege bezeichnet.
Es werden »Großherzogliche Lehrateliers für angewandte
Kunst« eingerichtet werden, zunächst eine Privatanstalt des
Großherzogs, die eine sehr beschränkte Anzahl von Schülern
oder Schülerinnen, nachdem sie ihre Befähigung in einer
Probelehrzeit erwiesen haben, auf dem Wege des Atelier-
unterrichtes zu selbständigem Arbeiten fördern soll.

Als Lehrkräfte sind bisher drei Künstler gewonnen
worden, die im Herbst oder zu Anfang des Jahres 1907
nach Darmstadt übersiedeln werden. Für Raumkunst,
Innenarchitektur und Möbelbau ist der Architekt Albin
Müller, Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Magdeburg,
gewonnen. Er ist in den letzten Jahren mit einer großen
Zahl guter Sachen auf den verschiedensten Gebieten her-
vorgetreten; bei der diesjährigen Dresdener Ausstellung

ist er in reichem Maße vertreten. Man wird sich mit
Genugtuung seiner sachlichen, schlichten, immer beherrschten
Art erinnern.

Für die Flächenkunst, mit Einschluß der Buchkunst und
der Gewebekunst, ist der Maler Friedrich Wilhelm Kleukens,
Lehrer an der Akademie für Buchgewerbe und graphische
Künste in Leipzig, berufen worden. Er war einer der Be-
gründer der ehemaligen Steglitzer Werkstatt und hat in
seiner bisherigen Wirksamkeit ausübend und lehrend die
besten Erfolge gehabt.

Für die Kleinplastik und die Edelmetallkunst endlich
wurde der Münchener Ernst Riegel gewonnen, dessen
Goldschmiedearbeiten rühmlichst bekannt sind.

Für das Fach der Architekturplastik soll demnächst
noch ein Bildhauer berufen werden.

Diese vier Gebiete werden als Hauptfächer den Ge-
genstand des Unterrichts in den Lehrateliers der vier
Hauptlehrer bilden. Für die Edelmetallkunst ist die Ein-
richtung einer eigenen Werkstatt ins Auge gefaßt. Auch
der Leiter der Großherzoglichen Keramischen Manufaktur,
die seit einiger Zeit im Betrieb ist, J. J. Scharvogel, wird,
wenn sich das Bedürfnis dazu herausstellt, als Hilfslehrer
für sein Gebiet tätig sein. Für das Zeichnen nach dem
Akt und der Natur ist eine besondere Lehrkraft in Aussicht
genommen; den Unterricht im Modellieren nach dem Akt
wird der noch zu gewinnende Bildhauer leiten. Neben
diesem ausübenden Unterricht ist auch an einen betrachten-
den in geringem Umfang in Gestalt von Vorträgen aus
künstlerischen Gebieten, auch aus dem der Gartenkunst,
gedacht worden.

Es wurde schon gesagt, daß nur eine geringe Zahl
von wirklich begabten Schülern in die Ateliers aufgenommen

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