sowie ein Eß- und Schlafzimmer und eine ziemlich öde
Basilika geben bei weitem keine Idee von dem jetzigen
Standpunkt des englischen Kunstgewerbes, Man be-
kornrnt im Kunstpalast von Wembley fast den Eindruck,
daß überhaupt noch kein modernes Kunstgewerbe in
England besteht. In der Architektur sind nur die feinen
und vornehmen Entwürfe zu englischen Landhäusern
erwähnenswert. Von der beachtenswerten Hölie, auf
der die Porzellan- und Keramik-Industrie in England
steht, bekommt man nur im Industriepalast einen rich-
tigen Begriff.
Auch die Meinungen des neutralen Anslandes sind
sich darüber einig, daß die Wembley-Ausstellung
den geistigen Errungenschaften zu wenig gerecht wird
und mehr die technischen Erfindungen und alles was
sich auf das materielle Dasein des Menschen bezieht.
betont. Darum ist auch der Kunstpalast eine der
schwachen Abteilungen der Ausstellung.
-*
Whistler, Karikatur eines Schriftstellers. Federskizze. 1885
Auktion bei Amsler und Ruthardt, Berlin
Kunst und Kunstgßtoet’be auf det? letpEtget’ Hßt?bstmesse 1924
Die K u n s t und vor allem das Kunstgewerbe, die
auf den Leipziger Mustermessen von jeher einen hervorragenden
Platz einnehmen, waren zur diesjährigen Herbstmesse (31.
August bis 6. September) wiederum in einer Wcise vertreten, daß
man behaupten kann, daß die Leipziger Messen immer mehr auch
zu einem Mittclpunkt des i n t e r n a t i o n a 1 e n K u n s t m a r k -
t e s geworden sind. Sie haben sich zugleich zu einem Maßstab
fiir das moderne Schaffen auf allen Gebieten der Kunst entwickelt,
so daß sie fiir die Entwicklung von Kunst und Kunstgewerbe von
allergrößter Bedeutung sind. Nicht bloß vom geschäftlich-wirt-
schaftlichen Standpunkt aus, sondern von der höheren Warte des
Kulturfortschritts ist die Leipziger Messe als wichtiger Faktor ftir
das internationale Kunstleben zu bewerten. Der Wiederaufstieg
unseres Volkes beginnt auf dem Gebiete der Kunst. Nachdem wir
wieder an der klassischen Kunst der Antike richtig sehen gelernt
haben, hat eine neue Art Renaissance eingesetzt, oline in der reinen
Antike stecken geblieben zu sein. Vorwärtsentwicklung angesichts
der erhabenen Nachbilder Eigenes aus eigner Kraft und eignem
Willen schaffend: das ist das Zeichen der modernen Kunst. Und
die Leipziger Messe mit ihren zum Teil äußcrst umfangreichen,
aber qualitativ stets auf der Höhe stehenden Kunstausstellungen
bewies von neuem, daß sie unter diesem Zeichen stcht und gewillt
ist, unter ihm sich weiter gedeihlich zu entwickeln.
Der Kunstberichterstatter fühlt sich auf dcr Messe in eine
Lage versetzt, in dcr er mit der Faust variierend ausrufen möchte:
Wo fass’ ich dich, unendliche K u n s t ! In allen Meßhäusern
und Meßhallen sieht man Kunst und Kunstgewerbe, in einigen in
zentralisierter Gestalt, wie z. B. im Grassimuseum, in der Uni-
versität; das Porzellan hat seine vornehmste Vertretung im Por-
zellanpalais, das Kunstglas in verschiedenen Meßpalästen und
Mcßhallen, insbesondere auch im Tschechoslowakischen Meßhaus,
wo das „böhmische Kunstglas“ noch immer die hervorragendste
Rolle spielt. Die Plastrk in ihrer verschiedenen Gestalt, in Stein,
Holz, Bronze präsentiert sich, wie das Porzellan nnd Kunstglas,
zum Teil in ganz umfangreichen Ausstellungen, von denen manche
eine Kunstschau ftir sich bildet.
Keramik, Porzellan und Glas machtcn von jeher auf den Leip-
ziger Messen das Hauptmusterkontingent aus. Alte Tradition in
Verbindung mit antiken Vorbildern und modernem guten Ge-
schmack liegt all den Mustern zugrunde, wozu deutsche Ein-
fiihlung und exportliche Anpassung das ihrige tun, um der Inter-
nationalität der Messe entgegenzukommen. Von einigen extra-
vaganten Touren hat sich die Kunst zuriickgefunden auf den
Weg, den In- und Ausland mitzugehen vermögen. Wenn hier und
da in der Porzellan- oder Glaskunst der Expressionismus noch er-
scheint, so geschicht dies in Formen, die weder künstlerisch noch
geschmacklich zu beanstanden sind. Auf anderen üebieten des
Kunstgewerbes, wie beim Holz in seiner mannigfachen künstle-
rischen Bearbeitung, scheinen expressionistische Muster, insbe-
sondcre futuristischen Einschlags, ebenso bcliebt wie angebracht.
Beim Porzellan zeigt sich die ungeahnte Entwicklungsmöglichkeit
der plastischen Kunst. Gerade im Figürlichen finden plastische
Motive eine schärfere Herausarbeitung des Materials bei naturge-
treuer Wiedergabe, vor allem bei den Tierplastiken. In der Ke-
ramik wird die farbige Fläclie durch regelmäßig wiederkehrende
gleichgeformte frcic Stellen belcbt. Beim Kunstglas sah man neue
Formen, allerdings weniger neue Muster in Schliffen und üra-
vuren, obwohl auch hierin cinige Neuheiten zn bemerken waren.
Man bevorzugt hier jetzt das Einfachere in Tiefschliffen, das immer
vornehm und geschmackvoll wirkt. Das Protzig-Auffällige trat
diesmal etwas in dcn Hintergrund, — es konnten ja dafür auch
nicht die hohen Preise angelegt werden. Trotzdcm waren wieder
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Basilika geben bei weitem keine Idee von dem jetzigen
Standpunkt des englischen Kunstgewerbes, Man be-
kornrnt im Kunstpalast von Wembley fast den Eindruck,
daß überhaupt noch kein modernes Kunstgewerbe in
England besteht. In der Architektur sind nur die feinen
und vornehmen Entwürfe zu englischen Landhäusern
erwähnenswert. Von der beachtenswerten Hölie, auf
der die Porzellan- und Keramik-Industrie in England
steht, bekommt man nur im Industriepalast einen rich-
tigen Begriff.
Auch die Meinungen des neutralen Anslandes sind
sich darüber einig, daß die Wembley-Ausstellung
den geistigen Errungenschaften zu wenig gerecht wird
und mehr die technischen Erfindungen und alles was
sich auf das materielle Dasein des Menschen bezieht.
betont. Darum ist auch der Kunstpalast eine der
schwachen Abteilungen der Ausstellung.
-*
Whistler, Karikatur eines Schriftstellers. Federskizze. 1885
Auktion bei Amsler und Ruthardt, Berlin
Kunst und Kunstgßtoet’be auf det? letpEtget’ Hßt?bstmesse 1924
Die K u n s t und vor allem das Kunstgewerbe, die
auf den Leipziger Mustermessen von jeher einen hervorragenden
Platz einnehmen, waren zur diesjährigen Herbstmesse (31.
August bis 6. September) wiederum in einer Wcise vertreten, daß
man behaupten kann, daß die Leipziger Messen immer mehr auch
zu einem Mittclpunkt des i n t e r n a t i o n a 1 e n K u n s t m a r k -
t e s geworden sind. Sie haben sich zugleich zu einem Maßstab
fiir das moderne Schaffen auf allen Gebieten der Kunst entwickelt,
so daß sie fiir die Entwicklung von Kunst und Kunstgewerbe von
allergrößter Bedeutung sind. Nicht bloß vom geschäftlich-wirt-
schaftlichen Standpunkt aus, sondern von der höheren Warte des
Kulturfortschritts ist die Leipziger Messe als wichtiger Faktor ftir
das internationale Kunstleben zu bewerten. Der Wiederaufstieg
unseres Volkes beginnt auf dem Gebiete der Kunst. Nachdem wir
wieder an der klassischen Kunst der Antike richtig sehen gelernt
haben, hat eine neue Art Renaissance eingesetzt, oline in der reinen
Antike stecken geblieben zu sein. Vorwärtsentwicklung angesichts
der erhabenen Nachbilder Eigenes aus eigner Kraft und eignem
Willen schaffend: das ist das Zeichen der modernen Kunst. Und
die Leipziger Messe mit ihren zum Teil äußcrst umfangreichen,
aber qualitativ stets auf der Höhe stehenden Kunstausstellungen
bewies von neuem, daß sie unter diesem Zeichen stcht und gewillt
ist, unter ihm sich weiter gedeihlich zu entwickeln.
Der Kunstberichterstatter fühlt sich auf dcr Messe in eine
Lage versetzt, in dcr er mit der Faust variierend ausrufen möchte:
Wo fass’ ich dich, unendliche K u n s t ! In allen Meßhäusern
und Meßhallen sieht man Kunst und Kunstgewerbe, in einigen in
zentralisierter Gestalt, wie z. B. im Grassimuseum, in der Uni-
versität; das Porzellan hat seine vornehmste Vertretung im Por-
zellanpalais, das Kunstglas in verschiedenen Meßpalästen und
Mcßhallen, insbesondere auch im Tschechoslowakischen Meßhaus,
wo das „böhmische Kunstglas“ noch immer die hervorragendste
Rolle spielt. Die Plastrk in ihrer verschiedenen Gestalt, in Stein,
Holz, Bronze präsentiert sich, wie das Porzellan nnd Kunstglas,
zum Teil in ganz umfangreichen Ausstellungen, von denen manche
eine Kunstschau ftir sich bildet.
Keramik, Porzellan und Glas machtcn von jeher auf den Leip-
ziger Messen das Hauptmusterkontingent aus. Alte Tradition in
Verbindung mit antiken Vorbildern und modernem guten Ge-
schmack liegt all den Mustern zugrunde, wozu deutsche Ein-
fiihlung und exportliche Anpassung das ihrige tun, um der Inter-
nationalität der Messe entgegenzukommen. Von einigen extra-
vaganten Touren hat sich die Kunst zuriickgefunden auf den
Weg, den In- und Ausland mitzugehen vermögen. Wenn hier und
da in der Porzellan- oder Glaskunst der Expressionismus noch er-
scheint, so geschicht dies in Formen, die weder künstlerisch noch
geschmacklich zu beanstanden sind. Auf anderen üebieten des
Kunstgewerbes, wie beim Holz in seiner mannigfachen künstle-
rischen Bearbeitung, scheinen expressionistische Muster, insbe-
sondcre futuristischen Einschlags, ebenso bcliebt wie angebracht.
Beim Porzellan zeigt sich die ungeahnte Entwicklungsmöglichkeit
der plastischen Kunst. Gerade im Figürlichen finden plastische
Motive eine schärfere Herausarbeitung des Materials bei naturge-
treuer Wiedergabe, vor allem bei den Tierplastiken. In der Ke-
ramik wird die farbige Fläclie durch regelmäßig wiederkehrende
gleichgeformte frcic Stellen belcbt. Beim Kunstglas sah man neue
Formen, allerdings weniger neue Muster in Schliffen und üra-
vuren, obwohl auch hierin cinige Neuheiten zn bemerken waren.
Man bevorzugt hier jetzt das Einfachere in Tiefschliffen, das immer
vornehm und geschmackvoll wirkt. Das Protzig-Auffällige trat
diesmal etwas in dcn Hintergrund, — es konnten ja dafür auch
nicht die hohen Preise angelegt werden. Trotzdcm waren wieder
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