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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: "Die Umformerin der Zukunft": zur internationalen Hygieneausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0015
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Iahrg.24 Erstes Iuliheft lSl l HestlS

»Die tlmformerin der Zukunft"

Zur internationalen Hygieneausstellung

Dresden ist jetzt eine Ausstellnng eröffnet, welche die erste ihrer
^MArt ist und doch schon eine der größten und gehaltvollsten, die
^^Deutschland je gesehen hat: die internationale Hygieneausstel-
lung. Durchschritte sie einer flüchtig, der ein halbes Iahrhundert
irgendwo in Innerafrika gewesen wäre, sehr möglich, er verstünde
zunächst nicht einmal ihren Zweck. Diese Menge von Gegenständen
aus allen Künsten, allen Wissenschaften, allen Industrien und Ge--
werben erschiene ihm vielleicht wie eine rlesenhafte Buntheit, wie ein
ungeheuerliches Durcheinander von Stückwerk, von Teilen, die von
ihren Plätzen, aus ihren Zusammenhängen gerissen sind. Und da-
bei würde es ihm nicht viel anders ergehen, als den Gelehrten, die
ihrer Zeit der Hygiene die Anerkennung als „Wissenschaft« verweiger--
ten, well sie doch eigentlich je nach ihren Teilen zur Botanik, Zoologie,
Physiologie, Medizin, Geologie, Volkswirtschaft, Statistik, Historie,
Technik und wozu sonst noch gehöre. Wer an keinen Wandel der
Zeiten im letzten Iahrhundert glauben mag, der vergleiche auch die
Stellung der Hygiene im ösfentlichen Gedankenleben wie sie war und
wie sie ist.

Wie sie vor kurzem war, wollen wir lieber sagen. Die Kulturvölker
des Altertums pflegten sie ja: die Agypter, als ihre Schüler die Iuden,
die Vorderasiaten sonst, die Griechen, die Römer. Dann sank ihr
Stern allmählich in die Nebel des Mittelalters hinein. Ietzt ist, seit
Pettenkofer, die Hygiene als Wissenschaft anerkannt. Im Zeitalter
des Spezialistentums und unter der Nachwirkung des sehr berechtig--
ten Gedankens, daß eine Wissenschaft nicht „die Magd" irgendwelcher
praktischen Anforderungen sein solle, bedeutete das etwas, und es war
notwendig, weil es der neuen Bewegung bei vielen, deren tzilfe ge--
braucht ward, einen Respekt sicherte. Notwendig aber auch noch in
anderm Sinne und aus einem andern viel größeren, viel tieferen
Grunde. Was die Menschheit von Natürlichem und Gesundem ver--
loren hat, das kann sie sich ja nur wieder erwerben, nachdem sie sich
seine Wichtigkeit klargemacht hat, und also, da das ungewohnt Ge--
wordene niemals unmittelbar einleuchtet, nach dem Forschen und
Denken darüber, das heißt: durch Wissenschaft. Auch hier zeigte das
Nachdenken erst, woran es fehlte. Nnd in diesem Falle sorgt der Ernst
der Wirklichkeit dafür, daß wir beim Erlustieren an interessanten
Beobachtungen und Gedanken nicht steckenbleiben werden.

Die Menschheit mehrt sich, es sind allein YOO OOO, schreiben wir's
aus: es sind allein rund neunmal hunderttausend Deutsche mehr, als
im Vorjahre, die nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, nach Glücksge--
fühl verlangen. Das ist eine Tatsache, wir wollen nicht der andern
alle gedenken, die das Problem der Volksgesundheit heute in den
Vordergrund der Gedanken zwingen. Wie die Menschheit wächst,

j. Iuliheft Mi ^ s"
 
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