Allgemeineres
Die beiden Kiraben traten in den Garten. Fritz Hartung hatte sich
draußen in der Welt seinen ersten Menschen geh-olt und schloß sorgsanr
das Pförtchen zn.
Es war ein Sonnentag. Der Garten stand im letzten Herbstschmuck da,
und unter den Knabenfüßen raschelte das Laub.
Frau Gertrud kam eben die Stufen vom Hanse herunter und schritt,
als hätte sie schon lange auf ihren Iungen gewartet, mit einem freund--
lichen Willkommen auf dem Antlitz mitten durch die Flut der Mittagssonne
den Knaben entgegen.
„Aber Junge, wo bleibst du nur? . . . Ich habe mich schon geängstigt/
Frau Gertrud beugts sich über ihren Sohn und küßte ihm die Stirn. „Ist
denn die Schule heute später aus gewesen, Fritz?"
Chorinski stand etwas verlegen beiseite. Er fühlte sich anf einmal wie-
der ganz fern von Hartung und ihm war, als hätte die fremde Dame ihn
noch gar nicht bemerkt.
Da trat Fritz tzartung auf Chorinski zu und nahm ihn mit fast feier-
licher Gebärde bei der Hand: „Dieser Iunge, Mutter . . . Franz Chorinski
heißt er . . . ist mein Frennd."
Einen Augenblick stand Fran Gertrud da, als wüßte sie gar nicht,
was sie sagen sollte. Dann gab sie Chorinski die Hand, ganz lange gab
sie ihm die Hand und sah ihm forschend ins Gesicht und in die Augen
und fuhr ihm, wie sie das sonst bei ihrem Iungen tat, mit der weichen
Händ durch die Locken: „Ich sehe es dir an, mein Funge, daß dir der Fritz
sehr gut sein mag ..."
Dann ging Frau Gertrud. Ganz langsam ging sie nach hinten in den
Garten hinein und verschwand zwischen den gelben Bänmen, die in ihrem
Herbstschmuck dastanden, als hinge Gold an ihnen,
Die beiden Knaben Moch eilten, Fritz in völlig neuer Fröhlichkeit vor-
anstürmend, die Stiege zu dem Mansardenzimmer hinauf. Zum ersten-
mal klang aus dem offenen Fenster der Mansardenstube ein Knabenlachsn,
das eines zweiten Knaben Stimme znm Echo hatte, und dcr alte, bucklige
Eremit über dem Schreibtisch geigte ein Lied, in dem anch kein bißchen
Trauer mehr war . . .
So still und so ohne jedes aufregende Erlebnis war das Glück der
Areundschaft über den kleinen, buckligen Fritz gekommen. So ganz anders,
als er sich's einstmals srträumt. Ohne jede Spannung und Verwickelung,
wie er das in der Mutter Geschichten so geliebt. Ohne jedes Huhu. Schon
hatte er in stummer Resignation sich damit abgefunden, daß bucklige Iun-
gen keine Freunde haben können. Und nun hatte es nur eines freundlich
geöffneten Gartenpförtchens bedurft . . .
Rundschau
Soziales Gewiffen
eute blätterte ich znfällig einmal
in meinem ersten Buche herum,
im „Herzhaften Unterricht". Merk-
würdig, wie mich die alten Zeilen
anmuteten! Bald schüttelte ich den
Kopf, weil ich inzwischen andrer
Ansicht geworden bin, bald genügte
mir die Form nicht, dann wieder
war ich unwillig über einen allzu
knapp angedeuteten Gedanken. Es
kam mir vor, als versuchte ich
280 Kunstwart XXIV, 23
Die beiden Kiraben traten in den Garten. Fritz Hartung hatte sich
draußen in der Welt seinen ersten Menschen geh-olt und schloß sorgsanr
das Pförtchen zn.
Es war ein Sonnentag. Der Garten stand im letzten Herbstschmuck da,
und unter den Knabenfüßen raschelte das Laub.
Frau Gertrud kam eben die Stufen vom Hanse herunter und schritt,
als hätte sie schon lange auf ihren Iungen gewartet, mit einem freund--
lichen Willkommen auf dem Antlitz mitten durch die Flut der Mittagssonne
den Knaben entgegen.
„Aber Junge, wo bleibst du nur? . . . Ich habe mich schon geängstigt/
Frau Gertrud beugts sich über ihren Sohn und küßte ihm die Stirn. „Ist
denn die Schule heute später aus gewesen, Fritz?"
Chorinski stand etwas verlegen beiseite. Er fühlte sich anf einmal wie-
der ganz fern von Hartung und ihm war, als hätte die fremde Dame ihn
noch gar nicht bemerkt.
Da trat Fritz tzartung auf Chorinski zu und nahm ihn mit fast feier-
licher Gebärde bei der Hand: „Dieser Iunge, Mutter . . . Franz Chorinski
heißt er . . . ist mein Frennd."
Einen Augenblick stand Fran Gertrud da, als wüßte sie gar nicht,
was sie sagen sollte. Dann gab sie Chorinski die Hand, ganz lange gab
sie ihm die Hand und sah ihm forschend ins Gesicht und in die Augen
und fuhr ihm, wie sie das sonst bei ihrem Iungen tat, mit der weichen
Händ durch die Locken: „Ich sehe es dir an, mein Funge, daß dir der Fritz
sehr gut sein mag ..."
Dann ging Frau Gertrud. Ganz langsam ging sie nach hinten in den
Garten hinein und verschwand zwischen den gelben Bänmen, die in ihrem
Herbstschmuck dastanden, als hinge Gold an ihnen,
Die beiden Knaben Moch eilten, Fritz in völlig neuer Fröhlichkeit vor-
anstürmend, die Stiege zu dem Mansardenzimmer hinauf. Zum ersten-
mal klang aus dem offenen Fenster der Mansardenstube ein Knabenlachsn,
das eines zweiten Knaben Stimme znm Echo hatte, und dcr alte, bucklige
Eremit über dem Schreibtisch geigte ein Lied, in dem anch kein bißchen
Trauer mehr war . . .
So still und so ohne jedes aufregende Erlebnis war das Glück der
Areundschaft über den kleinen, buckligen Fritz gekommen. So ganz anders,
als er sich's einstmals srträumt. Ohne jede Spannung und Verwickelung,
wie er das in der Mutter Geschichten so geliebt. Ohne jedes Huhu. Schon
hatte er in stummer Resignation sich damit abgefunden, daß bucklige Iun-
gen keine Freunde haben können. Und nun hatte es nur eines freundlich
geöffneten Gartenpförtchens bedurft . . .
Rundschau
Soziales Gewiffen
eute blätterte ich znfällig einmal
in meinem ersten Buche herum,
im „Herzhaften Unterricht". Merk-
würdig, wie mich die alten Zeilen
anmuteten! Bald schüttelte ich den
Kopf, weil ich inzwischen andrer
Ansicht geworden bin, bald genügte
mir die Form nicht, dann wieder
war ich unwillig über einen allzu
knapp angedeuteten Gedanken. Es
kam mir vor, als versuchte ich
280 Kunstwart XXIV, 23