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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 20 (2. Juliheft 1911)
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Nordhausen, Richard: Die Verstaatlichung des Inserats
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0098
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Reingewinn könnte zur tzälfte dem Verleger, zur anderen Hälfte dem
Reiche zufließen. Iedem Verleger selbstverständlich das Seine, so daß
er an der Auflagenhöhe und dem Rufe seines Blattes lebhaft wie bis--
her interessiert wäre.

Gewinnt der Vorschlag einmal feste Gestalt, sei es in dieser ,oder
anderer Form, so hat er unbedingt mit sehr erbittertem Widerstande
zu rechnen. Man weiß, wie es dem anläßlich der Finanzreform ein--
gebrachten Inseratsteuer-Entwurf der Regierung erging: obgleich da-
mals Not am Mann war und jeder Stand Opfer bringen sollte, hat sich
die Tagespresse in ihrer erdrückenden Mehrheit mit Wut gegen die
geforderte Abgabe erklärt. Die Inseratensteuer wurde auch alsbald
sallen gelassen. Sie war zweifellos nur eine Tonne für die Walfische,
nur aus schlauer Berechnung in die See geworfen worden. Die Spuren
könnten schrecken. Ohne zwingenden Grund wird auch in Zukunft
keine Regierung das heiße Eisen anpacken. Wer's dennoch einmal
wagt, wird finden, daß der Weg gangbar ist. And er wird sich nicht
nur um die Finanzen des Reiches, sondern, dies vor allem, um die
Presse selbst verdient machen. Sie muß, so oder so, aus unwürdiger
Zwitterstellung erlöst werden. Das Inserat muß seine unheimliche
Macht verlieren, damit die Zeitung an sich zu voller Macht empor-
steigen kann. Abrigens wird die Tyrannis der Annonce um so eher
zusammenbrechen, je dreistere Ausschreitungen sie sich erlaubt. Der
Tag ist wahrscheinlich nicht fern. Verstaatlichungsaktionen haben, die
Nationalökonomie lehrt es, von jeher etwas überraschend Nützliches
gehabt. Richard Nordhausen

Lose Blätter

Aus Nomanen vom modernen Leben

sEs ist der immer gleichmäßig wiederkehrende Vorwurf gegen die
sogenannte „moderne" Literatur, sie stehe dem Leben zu fern, der abge-
schlossenen engen Welt des einzelnen, des verzärtelten Individuums zu
nahe. Das einstige Losnngswort „I'erl pour I'art" ist zum lauten Tadel
geworden. Nun mag wohl zntreffen, daß wir eine etwas große Anzahl
von Künstlerromanen, Artistendramen, „Formlhrik" haben — nur ein
Teil davon ist notwendige Abungsarbeit der Werdenden —, aber es steht
ja beim Publikum, derlei abznlehnen, wenn ihm die verquälte Seelen-
und NervenintimitLt, die hochgemute, verstüchtige Pathetik nicht gefällt.
Doch man frage einen BnchhLndler von einiger Kenntnis der öffentlichen
Meinung — neben der stets begehrten Anterhaltungsware ist es zum
gar nicht geringen Teil die schmeichlerisch-süße Artistenkunst, die „ge-
fragt" wird. Es ist eben doch sehr hübsch, sich die Sinne streicheln und
das Nervenshstem revolutionieren zu lassen. Nebenbei hat man auch
Gelegenheit, sich für ganz ungemein hochgebildet zu halten, wenn man
mit den erlauchten Geistern eines Rilke, Hofmannsthal, George, Schröder
umzugehen weiß. Es versteht sich von selbst, daß wer einmal die
Gewürzkost der Cafehausneuromantik mit Behagen zu sich nahm, sich
nur schwer zu gehaltvollerer aber reizloserer Nahrung bequemen mag.
Nur — die Gastwirte sollte man dieserhalb nicht beschuldigen. And von

S8 Kunstwart XXIV, 20
 
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