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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 23 (1. Septemberheft 1911)
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Bleuler-Waser, Hedwig: Jungmädchenart, [2]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0334
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fast immer von Gegenständen und Ereignissen, Frauen von Personen.* *
Noch in den tiefsten Niedernngen des weiblichen Wesens wnchert das
persönliche Interesse weiter als Klatsch und Intrige. Manch eine
dieser Nnheilstifterinnen wäre wohl auf andre Bahnen zu lenken gewesen,
wenn sich jemand die Mühe gegeben hätte, ihr in der Iugend zu
zeigen, wie derselbe Genuß des Wirkens auf die Menschen erreicht
werden kann, wenn man statt Zank Frieden, statt Arger Freude sät.

Nachdem ich Beispiele wie die folgenden beobachtet habe: daß ein
gut bezahltes Bureaufräulein eine schlecht bezahlte Kindergärtnerinnen--
stelle als Erhöhung begrüßt, eine wohlbestallte Chemikerin mit Wonne
das Laboratorium mit den zu inspizierenden Fabriksälen vertauscht,
wie eine Iuristin ihr Wissen nicht früh genug in den Dienst des
Kinderschutzes stellen kann, eine Botanikerin statt Pflanzensamen
Frauenstimmrecht zu säen beginnt —, seitdem ich dies und manches
andere gesehen, bin ich davon überzeugt, daß das weibliche Geschlecht
sich immer mehr und mit größerem Erfolg den Berufen zuwenden
wird, die es mit den Menschen zu tun haben. Also der Erz.iehung
und der Pflege, den sozialen Aufgaben im weitesten Sinn. Von den
Wissenschaften werden die Frau am ehesten anziehen die Medizin,
die Soziologie, die Sprachen, die Kulturgeschichte und Biographie,
wo sie Eigenes, die männlichen Produkte notwendig Ergänzendes,
leisten kann. — Als das männliche Geschlecht anfing, sich und seine
Fähigkeiten zu differenzieren, wurde die Menschenerde aus Iagdgrund,
Weide und Acker zu Werkstätte, Handelsplatz, Laboratorium. Wenn
das weibliche Geschlecht einmal seine Bestimmung erkannt hat und
eine jeds ihre Aufgabe individuell erfaßt, dann erst kann es dazu
kommen, daß die Erde jedem Menschen zur Seelenheimat wird.

Hedwig Bleuler-Waser

Lose Blätter

AusHeinrichJlgensLeinsNornan„DiebeidenHarLungs"

sWir geben im folgenden Proben aus eiuem Roman von Heinrich
Ilgenstein (Verlag Concordia, Berlin); ein Referat darüber enthält die
Rundschau dieses Heftes. Die folgenden Stücke steheu im Buch ziemlich
weit voneinander ab und charakterisieren die lange Entwicklung gut,
welche die Frau und Mutter der beiden Hartungs durchmacht. Im
ersten schlummern noch alle Wünsche und Hoffnungen in der reichsn,
beschäftigung- und kinderlosen Frau; dann hat die Geburt des durch
Unglückfall buckligen Kindes ihre Kräfte rege gemacht und da das Kind
sis nicht aufbraucht, suchen sie sich irrend in ihres Mannes Arbeit ein Feld;

der Kellnerin: die „Haustochter" des alkoholfreien Reformgasthauses,
das sich von der Schweiz aus immer weiter zu verbreiten scheint.

* Ich gab einmal einem Knaben und einem Mädchen Ratschläge für
einen Aufsatz über Nansens Nordpolbuch. Den Knaben machte ich be-
sonders auf die Persönlichkeit des Forschers, das Mädchen auf sein Werk
aufmerksam. Der Aufsatz des Iungen aber schilderte das Ergebnis der
Expedition, der des Mädchens den Charakter ihres Führers.

266 Kunstwart XXIV, 23
 
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