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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 20 (2. Juliheft 1911)
DOI article:
Stolterfoth, ...: Kunsterzieherpraxis
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Nordhausen, Richard: Die Verstaatlichung des Inserats
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0095
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Es möchte ein sehr verdienstliches Werk sein, wollte einmal jemand
etwas Ahnliches für den Sensationsroman leisten wie Kielland für
das Zweigroschenbild. Etwa eine Dürerbundflugschrift. So einfach
und gemeinverständlich wie möglich. Und immerfort Beispiele und
Gegenbeispiele. Stolterfoth

Die VerftaaLlichung des Inserats

/^^-och hat die Presse nicht alle Aufgaben erfüllt, die ihr gestellt sind,
/ und noch steht sie nicht am Ende ihres Entwicklungsganges;
^ ^denn auch sie steigt nur in Spiralen aufwärts. Aus dem farb-
losen Nachrichtenblättchen des achtzehnten Iahrhunderts, das seinen
Mann mehr schlecht als recht nährte, wurden nach der großen Revo--
lution wütende Bekenntnisblätter, Flackerbrände der Agitation. Daß
man mit Zeitungen etwas anderes bezwecken könnte als Volksaufklä-
rung, das wäre unsern Großvätern kaum eingegangen. Heute sind
im Gegensatz dazu just die Nnterrichteten der Meinung, die Zeitung
sei ein glattes Geschäft, weiter nichts. Am liebsten trete sie deshalb
wie in ihren Anfängen, farblos und unparteiisch auf. Glücklicherweise
stellen aber auch die Generalanzeiger, die Tageblätter der Annoncen-
bureaus und all die anderen Inseratenanthologien Nur eine Zwischen-
stufe dar. Schon sehen wir, wohin der Weg weitergeht. In immer
höherem Maße, immer ausschließlicher wird die Presse das Stimmrohr
der Nation. Wer seinem Volke etwas zu sagen hat, wer trotz aller
faustischen Abmahnung die Menschen bessern und bekehren möchte,
der spricht aus der Presse zu ihnen. Wir beklagen es nicht, daß die
Regenten der Wissenschaft und Kunst, daß Staatsmänner und Gene-
rale in den Ring steigen und hier ihre Ansichten vertreten, statt sie
hochmütig für sich zu behalten oder in engen Stuben ungehört ver-
hallen zu lassen. Nur dadurch, daß am Kampf der Meinungen neben
den Berufsschriftstellern die Sachkenner von Beruf teilnehmsn, die
großen Schaffer, die allzulange der Politik ferngeblieben sind, nur
dadurch können wir zu der dringend nötigen Politisierung der Gesell-
schaft gelangen. Aula und Akademiesaal, selbst Landtag und Reichs-
tag mit ihrem, wenn die Presse nicht hilft, viel schwächeren Resonanz-
boden sind dazu weniger nützlich als die Zeitung. Sie erst, die jeder
Rede und jedem guten Einfall die Ehrung des Maueranschlags an-
gedeihen lassen kann, bringt den Sprechern die Millionen von Zu-
hörern, den auserwählten Führern das Heergefolge. Ich glaube an
eine deutsche Zukunft, in der jeder Bürger sich seiner Verantwortung
bewußt ist und deshalb tätigen Anteil an den Staatsgeschäften nimmt.
Auf dem Nmwege über die Wahlpflicht, die die Masse der zufriedenen
Gleichgültigen an die Nrne zwingt und so dem fanatischen Radikalis-
mus ein Gegengewicht bietet, werden wir zur allgemeinen politischen
Interessiertheit kommen. Nicht mehr hetzerische Phrasen, nicht mehr die
größere Dreistigkeit der Lüge, sondern die guten Gründe werden dann
entscheiden. An der Heraufführung dieser Zeit, der Zeit der wirklich
Wahlfähigen, muß in erster Linie die Presse mitwirken. Ia, eigentlich
kann nur sie allein uns dazu verhelfen. Nnd sie würde ihre Pflicht
tun, wenn sie sich ihr ganz zu widmen vermöchte, unbeschränkt, unge-

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