Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1911)
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0230
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Unsre Bilder und Noten

^^Hei Ludwig von Sengers Bild müssen wir wieder einmal
^^Hgegen nnsre eigne Technik polemisieren, die leider noch unvermeid-
'^^liche Vierfarbendrucktechnik, denn gerade was unser Blatt effektvoll
macht, ist unecht daran: der in seinem Gelb allzu giftige Hintergruick».
Das Bild hat so einen Rutscher ins Theatralische getan, von dem man
es in der Vorstellung zurückholen muß. So groß, daß man dies nicht
könnte, ist er ja gottlob nicht, die eigentlichen Werte des Bildes werden
durch die Farben ein wenig karikiert, aber nicht ausgelöscht: der starke
Naturzorn dieses jäh aufbrausenden Schauers, nach dem der Himmel
doch sehr bald wieder blau aufs Land sehen wird.

Franz Martin Lünstroth führt uns an eine Stätte, die in
mehr als einem Sinn geweiht ist, an den Friedhof von vielen, die bei
Kämpfen um Innsbruck s809 gefallen sind, und in diesem Waldfriedhofe
zu den Bänken, die für Erinnerungsandachten errichtet sind. Hätte die
Malerei nur eine Dimension oder vielleicht zwei, das Zeichnerische und
das Malerische, so wäre der Gegenstand für den Künstler gleichgültig;
unser Maler war andrer Ansicht, ihm waren die Hauptsache weder
Valeurs noch Linien. Er ging auf die Stimmung des Ortes aus, der
mit dem Erhaltenen wie mit dem Verfallenen aus Hofers Zeit noch
einen Schauer zugleich düstern und hoffnungsfrohen, heimatengen und
erdenfremden, beschränkten und erhabenen Geistes herübergeistern läßt.

Ilnsre folgenden Blätter gehören zu dem Aufsatz über Holzschneide--
kunst und entstammen in ihrer großen Mehrheit der von Direktor
Kieser vortrefflich geleiteten Holzschnitzschule zu Warmbrunn, an der
auch der Verfasser unsres Aufsatzes, der aus dem Grödener Tal dorthin
berusene dell' Antonio wirkt. Die Leser werden in dessen eignen
Arbeiten zugleich einen der rassigsten Holzschneidekünstler kennen lernen,
dis gegenwärtig in Deutschland leben. Wie altanerkannt die Anschau-
ungen sind, die dell' Antonio entwickelt, das mag man aber auch an
einem alten Stücke nachprüfen, an dem Christuskopfe von Bens-
heim, den wir im Medaillonausschnitt wiedergeben. Wir verdanken
seine Vermittlung dem Professor Henkelmann in Bensheim, dessen Museum
diesen geschnitzten Heilandsleib aufbewahrt. An unserm Werk haben ver-
schiedene Hände gearbeitet, das Bedeutendste an ihm ist der Kopf. Ent-
standen ist er wohl in der zweiten Hälfte des 17. Iahrhunderts. Das
Stück lag lange unbeachtet im Speicher des Lehrerseminars im ehemaligen
Kapuzinerkloster dort. A

(?>as allerliebste Schäferlied, eine Perle der alten französischen Berge-
^rctten, das unsre Musikbeilage diesmal bringt, ist von der geistvollen
Prinzessin Marie Therese Luise von Lamballe, der Haushofmeisterin
der Königin Marie Antoinette, die s792 als eines der ersten Opfer der
revolutionären Volkswut fiel, auf ein Menuett des Komponisten Mar-
tini gedichtet worden. Martini, eigentlich Iohann Paul Agidius
Schwartzendorff (s7P—s8s6) war ein Deutscher aus der Oberpfalz
und wurde darum zu seiner Zeit gern mit dem Beinamen „il l'oäesco"
von seinem italienischen Aamensvetter, dem Padre Giambattista Martini
zu Bologna unterschieden. Den welschen Namen nahm er auf Anraten
seines väterlichen Wohltäters, des Orgelbauers Dupont in Nancy an.
Als Komponist machte er in Paris sein Glück durch die bezaubernde
Frische und leise Melancholie seiner Melodien. Allbekannt ist seinc
Melodie zu „?I»isir ä'smour", die in unsrem auf seine historische Bildung
so stolzen Deutschland in allen Konzerten unbehelligt unter dem Namen
des Padre Martini segelt. Wir geben hier „die kluge Schäferin" zum
erstenmal auch in einer singbaren deutschen Nachbildung, welche ebenso
wie die Klavier-Bearbeitung der Melodie Eigentum des Kunstwartver-
lages ist. B

Herausgeber: vr. b. e. Ferd. Avenarius iu Drerden-Blasewitz;verantwortl.:der tzerausgeber —
Derlag von Georg D. W. Lallwey, Druck von Kastner L Lallvey, k. tzofbuchdruckeret in München
— In Ssterreich-Ungarn für tzerausgabe u. Schriftleitung verantwortl.: Qr. Rich.Batka in Wicn XIII/s

(88

Kunstwart XXIV, 2(
 
Annotationen