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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 19 (1. Juliheft 1911)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0042
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Allgemeiueres

VonderSprache

Was über deinen stillen Mund
Aus einem rätseltiefen Grund
Mit leisem Murmeln quillt herauf,
Ich halte zitternd meine Schalen
And fang die seinen Silberstrahlen
Verborgner Quellen selig aust

Rundschau

Den Wind sieht man an
derBewegung der Bäume

^e leichter, feiner, zarter oder
Oauch geistiger ein Element ist,
desto mehr braucht es irgend etwas
Starkes, Festes, Stabiles, an dem
es sich entwickelt.

Die meisten ästhetischen Werte
sind derart.

Ob man nicht die gefürchteten
Laiengespräche über Kunst von hier
aus pshchologisch am richtigsten ver-
steht? And anch die Laiengefühle
der Kunst gegenüber. Die eigent-
lichen Kunstwerte sind ihrem Ans-
drucksvermögen zu zart. Sie füh-
len sie vielleicht sehr lebhaft, aber
sie genießen sie im Stoff. Sie prägen
sich das Bild auch dadurch ein, daß
sie den Gegenstand einprägen, um
bei seiner Rückerinnerung auch die
flüchtigeren, sozusagen Ltherischeren
Werte wieder zu genießen. Es ist
eine Hilfe für ihr Knnstgedächtnis.
Ahnlich sucht man eine Landschaft
geographisch zu verstehen, nicht
nur — was immerhin das Häufi-
gere sein mag — aus Orientierungs-
interesse, sondern auch, um in der
Benennung die Formen selbst sich
vergegenwärtigen zu können.

Am kräftigsten und zuzeiten auch
krassesten ist diese Form, Annenn-
bares für die Aufnahme zu mate-
rialisieren, auf dem Gebiet der Re-
ligion entwickelt. Es ist das My-
thische, Kultische, und in seiner
stärksten Form das Sakramentale
der Religion, das so zarte und ihrer

Natur nach schwankende Empfin-
dungen an um so festere Formen
zu binden sucht.

Daher es ein Zeichen weitgetrie-
benen Stumpfsinns ist, die mythi-
sche Welt dieser Formen auf die
wissenschaftliche Genauigkeit der in
ihnen vorkommenden Sätze zu prü-
fen. Es handelt sich in alleu diesen
Dingen um praktisch-pshchologische
Fragen. An uralten Mhthen las-
sen sich die frischesten neuen religiö-
sen Erkenntnisse gewinnen, wäh-
rend viel adäquater scheinende For-
men tot bleiben, vielleicht gerade,
weil sie die feste Anschauungsstütze
nicht geben. Bouus

HörL denn die Noheit gar
nicht auf?

chon Kielland hat sich in seinem
„Schnee"' darüber beklagt, aber
es scheint nicht abzureißen.

Es ist unglaublich, wis oft man
von einem unbeschreiblich grau-
samen Roheitsdelikt hört, das
immer wieder aus deutschem Fa-
milienleben berichtet wird. Man
stelle sich den Vorgang lebendig
vor: eine Mutter will ihr Kleines
baden. Zunächst wendet sie eine
fast überflüssig erscheinende Vor-
sicht an. Sie will, daß das Wasser
wohltemperiert sei. Das verhältnis-
mäßig einfache Rezept, das ich da-
für einmal hörte — man stecke das
Kind ins Wasser, wird es blau,
so ist das Wasser zu kalt, wird's
rot, so ist es zu heiß —, scheinen

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