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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 19 (1. Juliheft 1911)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0023
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Hymne an die Sonne

von Heinrich von Kleist

*»^ber die Häupter der Riesen, hoch in der Lüfte Meer,
4-B-Trägt mich, Vater der Riesen, Dein dreigezackigter Fels.
Nebel walten
Wie Nachtgestalten
Nm die Scheitel der Riesen her,

Nnd ich erwarte Dich, Leuchtender!

Deinen prächtigen Glanz borge der Finsternis,

Allerleuchtender Stern! Dn der unendlichen Welt
Ewiger Herrscher,

Du des Lebens

Unversiegbarer Quell, gieße die Strahlen herauf,

Helios! wälze Dein Flammenrad!

Sieh! Er wälzt es herauf! Die Nächte, wie sie entfliehn —
Leuchtend schreibet der Gott seinen Namen dahin,

Hingeschrieben

Mit dem Griffel des Strahles,

„Kreaturen, huldigt ihr mir?"

— Lenchte, Herrscher! wir huldigen Dir!

sDas merkwürdigste an dem vorstehenden Gedichte ist, daß es bis
heute nnbekannt geblieben ist. Der Warmbrunner Bibliothekar vr. M.
Schnler hat das Verdienst, es zuerst (in der „Woche") veröffentlicht zu
haben; er fand es im Fremdenbuche der Hampelbaude, wo es der Dichter
am (3. Iuli (7Z9 als „Heinrich Kleist, ehemals Lieutn. im Regt. Garde"
eintrug, „am Morgen, als ich von der Schneekoppe kam". Kleist war
also damals 22 Iahre alt. Klopstocks wie Schillers Einfluß ist unver-
kennbar, aber wie unreif das Gedicht als Kunstwerk sein mag, es ist doch
ein echtes, erlebtes Gelegenheitsgedicht nicht nur in gewöhnlichem, auch
in dem höheren, im Goetheschen Sinne.^

Gedichte von Peter Nosegger

fEs ist eine alte Rede, daß Peter Rosegger Erzähler und nicht Lhriker
sei, und die Lebensernte von Versen, die seine eben bei Staackmann er°
schienene Sammlung „Mein Lied" darbietet, widerspricht dem anch nicht.
Dennoch wird sehr verwundert sein, wer Rosegger nur aus seiuen früher
veröffentlichten Gedichten kennt und jetzt diese liest. Es ist wenig eigentlich
lhrische Kunst darin, gewiß, und augenscheinlich ist sie deshalb nicht erstrebt
worden, weil keine spezifische Begabung danach drängte. Aber wenn das
lhrische Gestalten fast fehlt, so hat dafür das Aussprechen in
der Form von Gedichten, das denn doch auch eine berechtigte Sache ist,
hier ein sehr gehaltreiches Buch geschaffen. Fast alles ist Gelegenheits--
gedicht, das einer Stimmung Luft macht. Die Stimmungen aber, auf

(. Iuliheft (9((
 
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