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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,4.1911

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Heft 22 (2. Augustheft 1911)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9019#0306
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Lebende Worte

fahrungen gewinnen lassen, aus
denen sich Vorschläge an die Ne-
gierungen ergeben werden. Groß-
stadt, flaches Land und Gebirge
müssen sich, jedes im Gebranch
seiner besonderen Kräfte, doch zu
einem Organismus zusammenfin-
den, dessen Teile sich helfen können.

Lndwig Praehauser

Kunst und Leben

/Ls genügt bei einem Kunstwerk
^nicht bloß die ästhetische Be-
friedigung; unsere eigene Existenz
muß eine gewisse Vermehrung aus
ihm ziehen. Man muß sich sagen,
es würde eine Lücke in uns ent-
stehen, wenn dieses Werk fehlte.

Herman Grimm
S

/^in echtes Kunstwerk vollbringt
^<das, daß in dem Bewußtsein des
Empfangenden die Lrennung zwi-

schen ihm und dem Künstler aufge-
hoben wird, und nicht nur zwischen
ihm und dem Künstler, sondern zwi-
schen ihm und allen Menschen, die
dasselbe Kunstwerk genießen. In
dieser Befreiung der Persönlichkeit
aus ihrer Absonderung von ande-
ren Menschen, aus ihrer Einsam-
keit, in dieser Zusammenschmelzung
einer Persönlichkeit mit anderen ist
auch die hauptsächlichste Anzie-
hungskraft und Eigenschaft der
Kunst enthalten.

Leo N. Tolstoi

S

or allem hat sie (die Kunst)
durch Iahrtausende hindurch
gelehrt, mit Interesse und Lust auf
das Leben in jeder Gestalt zu sehen,
und unsere Empfindung so weit
zu bringen, daß wir endlich rufen:
„Wie es auch sei, das Leben, es ist
gut." FriedrichNietzsche

Unsre Bilder und Noten

^BN^as Alpenseebild von P. Schad-Rossa, der jetzt in Künstler-
Ikreisen viel Interesse erregt, zeigt den eigentümlichen technischen
Versuch, die Luft- und Fernwirkung durch feine Strichelung zu
erzielen. Um sie beurteilen zu können, muß man das Bild natürlich in
größerer Entfernung aufstellen, so daß man der hellen Striche als solcher
nicht mehr gewahr wird. All diese Versuche mit Strichen und Linien
vom Pointillarismus bis zu Segantini haben ja ein und dieselbe Grund-
lage: eine farbige Fläche wirkt anders, wenn die Farbelemente sich erst
im Auge mischen, als wenn sie schon auf dem Bilde selbst gemischt sind,
anders, und zwar: gemäßer der Wirklichkeit, srischer, nicht als „Sauce",
sondern wirklich als lebendiger Lichteindruck. Das werden unsre Leser
auch vor Schad-Rossas Bilde vom Hechtsee empfinden, sobald sie sich's in
den nötigen Abstand gerückt haben.

Vor dem Lützowschen Offizier von Paul Poetzsch könnten wir zu°
nächst wieder ein Klagelied über die Vierfarbendrucknöte anstimmen;
nicht nur etmrity, sondern alles Gute soll ja st boms beginnen, also auch
jene Kritik, die produktiv ist, weil sie im Sehen übt. Poetzschs Bild ist,
rein koloristisch genommen, eine Farbenshmphonie in Grün, aber gerade
dis Feinheiten hat das photomechanische Verfahren trotz aller Mühe zu°
mal des Druckers nicht tadellos herausgebracht. Dies zugebend, bekommen
wir den Kopf zur Freude an dem Guten frei, das von den Mängeln der
Reproduktion doch nicht „untergekriegt" ist, und besonders bei einer

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