Schule und Schulreform! Notwen-
digkeit nnd Unmöglichkeit! Er lacht
bitter in sich hinein und muß
doch immer wieder an das Suchen
und Arbeiten denken, das seine
Kollegen da weit draußen, wo die
Welt sonnig und weit ist, genießen
können. Diese Gedanken werden
ihn nicht mehr verlassen, sie wer-
den zu ihm sprechen, wenn er in-
mitten seiner armen Schülerschar
steht, sie werden ihm Gesellschaft
leisten den dunklen Winter hin-
durch, wenn Stürme und Massen
von Schnee ihn gefangensetzen nnd
oft viele Tage hindurch keines
Kindes Fuß das Schulhaus be-
tritt.
Ich spreche nicht von einem ein-
zelnen. Dieser Lehrer bildet zu-
sammen mit seinen Schülern, mit
den Eltern der Schüler, mit der
Landschaft einen Thpus, den Typus
der Gebirgsschule. Das Ver-
hältnis des Gebirgsbauern zur
Geistesbildung ist heute noch von
besonderer Art. Der Lehrer er-
scheint dem Bauern ein Eindring-
ling in sein Gebiet, ein Stören-
fried und vollends wird er als
Feind empfunden, wenn er ge-
zwungen ist, den Bauern an die
Schulpflicht seiner Kinder zn mah-
nen. Die Kinder der Gebirgsschule
sind intellektnell und pshchologisch
durchaus verschieden von denen des
offenen Landes. Ihr Gemütsleben
hat sich in Weltabgeschlossenheit
eigenartig gestaltet, ihre geistigen
Fähigkeiten sind aber meist sehr
schwach entwickelt beim Schulein-
tritt. Der Wort- und Vorstel-
lungsschatz ist dürftig (man be-
denke zum Beispiel, daß viele
Kinder die Eisenbahn nur vom
Hörensagen kennen). Dieser Iugend
soll nun der Lehrer im großen
und ganzen denselben Wissensstoff
der Volksschule beibringen wie sein
Kollege draußen den Kindern des
offenen Landes. Dabei hat dieser
Lehrer der Gebirgsschule während
seiner Studienzeit die Freuden und
Vorteile kennen gelernt, die der
Fortschritt unsrer Zeit bietet und
hat sich ebenso an ihnen erqnickt
wie seine Amtsgenossen „draußen".
Nun gilt es, fernab von der Welt
die ganze Energie anfzubieten, um
die schwer bildsamen Kräfte dieser
armen Iugend zu entwickeln. So
nimmt der tüchtige Gebirgsschulleh-
rer einen Rang ein, der nur mit
unendlich viel Selbstverleugnung,
Entsagung und Liebe erreicht wer-
den kann.
Die Gebirgsschule, die doch gan-
zen Ländern das Gepräge gibt,
wurde von der modernen Schul-
reform bisher nicht beachtet. Weder
nach der pshchologischen und didak-
tischen Seite hin, noch in hygieni-
scher und ästhetischer Beziehung.
Und wieviel gäb es doch hier zu
tun und wie notwendig wären ge-
rade hier Reformen! Die Schul-
reform muß doch nach Gleichmaß
streben! Es bedarf keines beson-
deren Scharfblicks, um zn erken-
nen, daß zwischen modernem Fort-
schritt nnd weltfernem Bauerntum
eine Klust gähnt. Sie wird noch
größer werden, wenn die moderne
Schulreform noch länger die Ge-
birgsschule uuberücksichtigt läßt.
Eine reformierende Arbeit an der
Gebirgsschule käme deshalb mit-
telbar der Gesamtkultur des deut-
schen Volkes zugute. Die Einheit
des deutschen Volkstums ist ja
nicht denkbar ohne den deutschen
Gebirgsbauern.
And wie ist zu helfen? Zu°
nächst kommt es darauf an, daß
eine möglichst enge und regsame
Verbindung mit den Gebirgsschul-
lehrern von den Zentren der Schul-
reform aus geschaffen wird. Aus
dem Zusammenarbeiten heraus
werden sich Erkenntnisse und Er-
2. Augustheft W( 2U
digkeit nnd Unmöglichkeit! Er lacht
bitter in sich hinein und muß
doch immer wieder an das Suchen
und Arbeiten denken, das seine
Kollegen da weit draußen, wo die
Welt sonnig und weit ist, genießen
können. Diese Gedanken werden
ihn nicht mehr verlassen, sie wer-
den zu ihm sprechen, wenn er in-
mitten seiner armen Schülerschar
steht, sie werden ihm Gesellschaft
leisten den dunklen Winter hin-
durch, wenn Stürme und Massen
von Schnee ihn gefangensetzen nnd
oft viele Tage hindurch keines
Kindes Fuß das Schulhaus be-
tritt.
Ich spreche nicht von einem ein-
zelnen. Dieser Lehrer bildet zu-
sammen mit seinen Schülern, mit
den Eltern der Schüler, mit der
Landschaft einen Thpus, den Typus
der Gebirgsschule. Das Ver-
hältnis des Gebirgsbauern zur
Geistesbildung ist heute noch von
besonderer Art. Der Lehrer er-
scheint dem Bauern ein Eindring-
ling in sein Gebiet, ein Stören-
fried und vollends wird er als
Feind empfunden, wenn er ge-
zwungen ist, den Bauern an die
Schulpflicht seiner Kinder zn mah-
nen. Die Kinder der Gebirgsschule
sind intellektnell und pshchologisch
durchaus verschieden von denen des
offenen Landes. Ihr Gemütsleben
hat sich in Weltabgeschlossenheit
eigenartig gestaltet, ihre geistigen
Fähigkeiten sind aber meist sehr
schwach entwickelt beim Schulein-
tritt. Der Wort- und Vorstel-
lungsschatz ist dürftig (man be-
denke zum Beispiel, daß viele
Kinder die Eisenbahn nur vom
Hörensagen kennen). Dieser Iugend
soll nun der Lehrer im großen
und ganzen denselben Wissensstoff
der Volksschule beibringen wie sein
Kollege draußen den Kindern des
offenen Landes. Dabei hat dieser
Lehrer der Gebirgsschule während
seiner Studienzeit die Freuden und
Vorteile kennen gelernt, die der
Fortschritt unsrer Zeit bietet und
hat sich ebenso an ihnen erqnickt
wie seine Amtsgenossen „draußen".
Nun gilt es, fernab von der Welt
die ganze Energie anfzubieten, um
die schwer bildsamen Kräfte dieser
armen Iugend zu entwickeln. So
nimmt der tüchtige Gebirgsschulleh-
rer einen Rang ein, der nur mit
unendlich viel Selbstverleugnung,
Entsagung und Liebe erreicht wer-
den kann.
Die Gebirgsschule, die doch gan-
zen Ländern das Gepräge gibt,
wurde von der modernen Schul-
reform bisher nicht beachtet. Weder
nach der pshchologischen und didak-
tischen Seite hin, noch in hygieni-
scher und ästhetischer Beziehung.
Und wieviel gäb es doch hier zu
tun und wie notwendig wären ge-
rade hier Reformen! Die Schul-
reform muß doch nach Gleichmaß
streben! Es bedarf keines beson-
deren Scharfblicks, um zn erken-
nen, daß zwischen modernem Fort-
schritt nnd weltfernem Bauerntum
eine Klust gähnt. Sie wird noch
größer werden, wenn die moderne
Schulreform noch länger die Ge-
birgsschule uuberücksichtigt läßt.
Eine reformierende Arbeit an der
Gebirgsschule käme deshalb mit-
telbar der Gesamtkultur des deut-
schen Volkes zugute. Die Einheit
des deutschen Volkstums ist ja
nicht denkbar ohne den deutschen
Gebirgsbauern.
And wie ist zu helfen? Zu°
nächst kommt es darauf an, daß
eine möglichst enge und regsame
Verbindung mit den Gebirgsschul-
lehrern von den Zentren der Schul-
reform aus geschaffen wird. Aus
dem Zusammenarbeiten heraus
werden sich Erkenntnisse und Er-
2. Augustheft W( 2U